Berühmte Apotheker
DER „GOLDMACHER“
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Böttger, mach er uns Gold“. So sind die überlieferten Worte des permanent finanziell klammen Kurfürsten von Sachsen, August des Starken (1670–1733) an den Apotheker und Alchemisten Johann Friedrich Böttger. Und so wurde dieser zwölf Jahre gefangen gehalten und musste – zusammen mit zwei weiteren Fachleuten, dem Mineralogen und Hüttenfachmann Gottfried Pabst von Ohain (1656– 1729) als seinem Aufseher sowie dem Naturforscher und Universalgelehrten Ehrenfried Walther von Tschirnhaus (1651–1708), die ihm zur Seite gestellt wurden – in dunklen Laboratoriumsgewölben experimentieren. Und dem ungeduldigen Kurfüsten immer wieder einmal seine Fortschritte präsentieren. Doch wie war es dazu gekommen?
Apothekerausbildung in Berlin Geboren am 4. Februar 1682 in Schleiz als drittes Kind des Münzmeisters Johann Adam Böttger (1650–1682) und der Tochter des Magdeburger Ratsmünzmeisters Pflug, besuchte Johann Friedrich Böttger zunächst die Lateinschule in Magedeburg. Nach dem frühen Tod seines Vaters erhielt er zudem eine vielseitige Ausbildung durch seinen Stiefvater, den Ingenieur und Stadtmajor Johann Friedrich Tiemann. Im Jahr 1696, also mit vierzehn Jahren, begann Johann Böttger eine fünfjährige Lehre beim Berliner Apotheker Friedrich Zorn (1643–1716), der wohlhabend und engagiert, in seiner neu eingerichteten Apotheke ein modernes Laboratorium betrieb und seinem Lehrling die Möglichkeit zum Experimentieren bot.
Denn die apothekerliche Arbeit selbst, bereitete Böttger wohl weniger Vergnügen: Vom frühen Morgen bis zum sehr späten Abend mußte er täglich mit Öfen, Kolben, Retorten, Töpfen, Krügen und Tiegeln umgehen. Er mußte tingieren (eintauchen, färben), destillieren, extrahieren und legieren lernen. Immer wieder waren die Bestandteile einfacher Arzneien zu zerkleinern, im Mörser zu zerstoßen, „Simplicia“ zu mischen. Später kamen „Composita“ hinzu. Sie herzustellen brachte etwas mehr Farbe in den Alltag. Böttger büffelte Rezepte, die Namen hunderter Pflanzen, Kräuter, Wurzeln, Öle, Salben, Puder, Gifte sowie all die delikaten Beimengungen für so manche Arznei – wie Hundefett, Schlangenhaut, Fliegen, Kröten, Frösche, Schnecken, Würmer, getrocknet oder eingelegt, die Augen verschiedenster Tiere, ihre Knochen, Hörner, Borsten, auch Steine und Edelsteine. Die Arbeit selbst entsprach wohl keineswegs seinem Charakter und seinem Anspruch, das erlernte handwerkliche Können hingegen schon.
Die Faszination der Alchemie Böttger kam im Berlin mit der Alchemie, damals eine Modewissenschaft, in Berührung. Er lernte Alchemisten, etwa Johannes Kunckel (1630– 1703) und Laskaris (legendärer umherreisender Mönch und vorgeblicher Goldmacher, von dem Nachrichten von etwa 1700–1709 erhalten sind), kennen und versuchte sich heimlich an alchemistischen Experimenten im Apothekenlabor. Zur damaligen Zeit träumten viele Menschen davon, aus wertlosen Metallen Gold zu machen. Der dafür unerlässliche „Zauberstab“ hieß „Stein der Weisen“. Und so strebte Böttger etwa nach diesem Stein oder nach einer Substanz, mit welcher sich Gold erzeugen lässt.
Nach seiner Ausbildung, also schon als Geselle, versuchte Böttger seinen der Alchemie skeptisch und abwehrend gegenüberstehenden Lehrherrn Zorn, von seinen alchemistischen Fähigkeiten zu überzeugen, indem er vor diesem und drei weiteren Zeugen am 1. Oktober 1701 angeblich tatsächlich fünfzehn silberne Zweigroschenstücke in feinstes Gold verwandelte, das allen Prüfungen standhielt. Die Demonstration muss so überzeugend gewesen sein, dass sich dies schnell in Berlin herumsprach, inländische und selbst ausländische Zeitschriften darüber schrieben. Selbst Gottfried Wilhelm Leibniz (1646–1716) berichtete hierüber. Das Interesse an dem „Goldmacher“ war groß und da er – infolge einer Vorladung – befürchten musste, dass der prachtliebende Preußenkönig Friedrich I. (1657–1713) seine Dienste in Anspruch nehmen könnte, floh er – zunächst ins sächsische Wittenberg.
Vom Regen in die TraufeAufgrund polizeilicher Suche von der Wittenberger Stadtwache verhaftet, wandte sich Böttger schutzsuchend an den sächsischen Kurfürsten August den Starken – mit der Bitte in Wittenberg Medizin studieren zu dürfen. Dem Schutz wurde entsprochen, allerdings anders als von Böttger geplant: Am 27. November 1701 wurde er unter größter Diskretion nach Dresden überführt und unter anderem im „Goldhaus“, dem Alchemistenlabor des kursächsischen Herrschers, gefangen gehalten. Er musste einen Eid schwören, Gold herzustellen – und das Gewünschte gleich tonnenweise zu liefern. 1703 versuchte Böttger die Flucht, wurde jedoch in Österreich wieder aufgegriffen, ab nun noch stärker bewacht.
Im September 1705 riss dem goldhungrigen Kurfürsten und König von Polen-Litauen der Geduldsfaden und er befahl Böttcher auf die Albrechtsburg nach Meißen zu bringen. Da der verschwendungssüchtige Kurfürst das teure chinesische Porzellan liebte, dieses leidenschaftlich sammelte (im 17. Jahrhundert kostete Porzellan so viel wie Gold), konnte Böttcher unter der Initiative von Tschirnhaus dort jedoch mit keramischen Versuchen beginnen. Er durfte jetzt nicht nur nach dem Geheimnis des gelben, sondern auch des weißen Goldes suchen. Ende Mai 1706 hatte das Team Erfolg beim Brand von rotem Porzellan (später als Böttgersteinzeug bekannt).
Zum ersten Mal in Europa war das Herstellungsprinzip chinesischen Porzellans gefunden: einheimische Tone, gemischt mit einheimischen Quarzen und einem Flussmittel wurden bei sehr hohen Temperaturen gebrannt. Nach einem Jahr Nichtstun als Staatsgefangener auf der Festung Königstein – als Schutz vor schwedischen Truppen, die in Kursachsen einfielen (Großer Nordischer Krieg, Ausscheiden Sachsen-Polens 1706 mit Verzichts August des Starken auf den polnischen Thron) – wurde für Böttger und sein Team ein Universallaboratorium in der Jungfernbastei der Festung Dresden (Brühlsche Terrassen) errichtet.
Die Alchemie ist ein uralter Zweig der Naturphilosophie. Ziele waren unter anderem die Herstellung von Gold und eines Universal-Heilmittels.
Im Porzellan lag die ZukunftIn wenigen Monaten gelang es Fayence, ein spezielles Steingut, herzustellen. Wohl im Oktober/November 1707 wurde durch die gemeinschaftliche Forschungsarbeit des Teams um Böttger, Tschirnhaus und Pabst von Ohain das weiße europäische Hartporzellan erfunden. Die drei hatten zwischenzeitlich teilweise mit weiteren Experten ihres Faches in getrennten Laboren gearbeitet – und an der Verbesserung der Ofentechnologie, der Materialzusammensetzung sowie des Sinterungsprozesses experimentiert. Der Leibarzt Böttgers, Dr. Johann Jacob Bartholomaei, wurde auf Befehl des Königs in die Geheimnisse der Porzellanherstellung eingeweiht und notierte am 15. Januar 1708 hierzu die optimalen Masseverhältnisse der Grundstoffe mit genauen Versuchsbedingungen.
Leider verstarb der Universalgelehrte Ehrenfried Walther von Tschirnhaus, dem seitens August des Starken zunächst der Aufbau einer Porzellanmanufaktur übertragen worden war, nach schweren Schicksalsschlägen (Tod der zweiten Frau samt Neugeborenem im Kindbettfieber; sein Sohn aus erster Ehe, Gottlob Ehrenfried, erkrankte an Hirnhautentzündung und wurde debil) am 11. Oktober 1708 in Dresden an den Folgen der Roten Ruhr. Die serielle Porzellanfertigung mit praktikablen Produktionsverfahren sowie letztlich die Gründungsadministration der Porzellanmanufaktur Meissen hatte deshalb Johann Friedrich Böttger inne.
Offiziell vermeldete und präsentierte dieser am 28. März 1709 dem Kurfürsten in einem Memorandum die erste Produktion europäischen Porzellans. 1710 nahm die Porzellanmanufaktur Meißen ihren Betrieb auf. Am 19.April 1714 wurde Böttger nach zwölfjähriger Haft schließlich offiziell in Freiheit entlassen. Die wenigen Jahre, die ihm noch bis zu seinem Tod am 13. März 1719 – mit nur 37 Jahren – blieben, widmete er sich weiterhin der Verbesserung der Porzellanherstellung und weiteren alchemistischen Versuchen.
Sein früher Tod – schon zuvor klagte er immer wieder über Kreislaufstörungen, Krämpfe, Atemnot, Ohnmacht, Depressionen – war wohl Folge des vielen Experimentierens mit giftigen Substanzen, Quecksilber, Arsen, Säuren und Co. in düsteren, verqualmten Gewölben. Doch bis heute ist vor allem in Sachsen Böttger wohlbekannt. Es existiert noch heute – etwa in der Lutherstadt Wittenberg – eine Johann-Friedrich-Böttger- Apotheke.
Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 03/17 ab Seite 46.
Dr. Eva-Maria Stoya, Apothekerin und Fachjournalistin