Krankheiten berühmter Persönlichkeiten
DER ALTE MANN UND DER TOD UM HALB ACHT
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Noch zu Schulzeiten faszinierte und packte der Schreibstil der Novelle „Der alte Mann und das Meer“, die Verfilmung mit Spencer Tracy als einsamem Fischer ist bildlich in Erinnerung. Für dieses Werk erhielt Ernest Hemingway 1953 den Pulitzer-Preis und ein Jahr später auch den Nobelpreis. Geboren am 21. Juli 1899 in Oak Park, Illinois, als Sohn eines Landarztes und einer Opernsängerin, beide aus wohlsituierten Familien stammend, besuchte er von 1913 bis 1917 die Oak Park Highschool.
Als Achtzehnjähriger begann er 1917 seine Laufbahn als Lokalreporter für die Zeitung „Kansas City Star“. Doch im Frühjahr 1918, gegen Ende des Ersten Weltkriegs, meldete er sich freiwillig als Fahrer beim Roten Kreuz für die Front zwischen Österreich und Italien, wurde am 8. Juli 1918 durch eine Granate schwer verwundet. Über 280 Stahlsplitter wurden aus seinem Bein herausoperiert, monatelang lag er in einem Krankenhaus in Mailand, verliebte sich dabei unglücklich in die Krankenschwester Agnes von Kurowsky, eine Amerikanerin aus Washington D.C..
1920 ging er nach Toronto als Reporter beim „Toronto Star“, heiratete im September 1921 in Chicago Hadley Richardson und zog mit ihr als Korrespondent nach Paris. Dort verschrieb er sich mehr der Schriftstellerei, heiratete nach der Scheidung 1927 im darauffolgenden Jahr Pauline Pfeiffer, lebte mit ihr einige Jahr in Key West. Es folgen noch zwei weitere Ehen.
VORSCHAU
In unserer Serie „Krankheiten berühmter Persönlichkeiten“ stellen wir Ihnen demnächst folgende Menschen vor:
+ Paul Klee
+ Kaiser Wilhelm II.
+ Elvis Presley
+ Kaiser Wilhelm I.
+ Winston Churchill
+ Franz Kafka
Mit der Journalistin Martha Gellhorn lebte Hemingway ab 1939 vor allem in seiner Wahlheimat Kuba, das er 1960 nach der Revolution verließ, weil seine vierte Frau Mary Welsh, die er 1946 heiratete, seine sich immer stärker abzeichnende Krankheit in den USA behandeln lassen wollte. Von „Beruf“ wegen war Hemingway Reporter, Kriegsberichterstatter, Schriftsteller. Seine Vorliebe für Abenteuer, für Großwildjägerei, Hochseefischerei, Stierkampf und Boxen sind als Themen oft in seinen Büchern zu finden.
Fabulierer und Macho Hemingway war ein genialer Erzähler: Seine Kriegserfahrungen, seine Prügeleien, seine Sauftouren und seine Frauengeschichten dienten als Vorbild für seine Kurzgeschichten und seine Bücher. Mit Dichtung und Wahrheit nahm er es dabei nicht so genau, sich selbst stilisierte er gern zum Helden und Macho. Er wollte lieben wie seine Romanfiguren – daher womöglich die vier Ehen und die vielen echten und ersonnenen Sexgeschichten. Und er wollte kämpfen und siegen wie sie.
»1954 stürzte er im Dschungel von Uganda mit einem Flugzeug ab, am nächsten Tag sogar ein zweites Mal.«
Schlagartig wurde er 1926 mit dem Spanien-Roman „Fiesta“ zum Literaten-Star. Seine Liebe zu Agnes von Kurowsky und seine Fronterlebnisse verarbeitete er in dem Kriegsroman „In einem anderen Land“ , der ein phänomenaler Bestseller wurde. Mit „Wem die Stunde schlägt“ (1940) gelang ihm ein weiterer Kriegs-Bestseller. Sein lakonischer, schnörkelloser Stil und diese Kargheit wurden zum Vorbild einer ganzen Schriftsteller- und Journalisten-Generation. Die New York Times nannte ihn einmal „den wichtigsten Autor nach dem Tod von Shakespeare“.
Unfälle en masse Doch mit dem eigenen Ruhm kam er immer weniger zurecht. Depressionen und ungezügelter Alkoholkonsum begleiteten ihn die meiste Zeit seines Lebens. Zudem musste er 1928 erleben, wie eng Medizin, Depression und Tod zusammenhängen: Sein Vater hielt sich einen Revolver an die Schläfe und drückte ab. Hemingway selbst war zudem der Ansicht, er sei immer wieder von irgendwelchen schweren Krankheiten befallen. So erzählte er im Mai 1944 als Kriegskorrespondent in London, wo er – der Situation nicht angemessen – exzessive Partys feierte, ferne einem englischen Tumorspezialisten von seinem angeblichen Hautkrebs berichtete, den er sich auf seinen Weltmeer-Reisen zugezogen habe.
Noch in derselben Nacht erlitt er einen Autounfall, die Ärzte vernähten fast fünf Dutzend Wunden auf seinem Gesicht und beförderten ihn, wenn auch entstellt, zurück ins Leben. Die Presse berichtete vorschnell von Hemingways Tod. 1949 holte er sich bei der Entenjagd eine gefährliche Blutvergiftung, die sein Leben bedrohte. 1954 stürzte er im Dschungel von Uganda mit einem Flugzeug ab, am nächsten Tag sogar ein zweites Mal. Auch hier meldeten die Nachrichtendienste ihn als „verschollen“, als „tot“.
Er überlebte schwerverletzt: Ein Hirntrauma mit zeitweiligem Verlust des Seh- und Hörvermögens auf der linken Seite, Wirbelsäule-Quetschungen mit Lähmungserscheinungen im Unterleib, Risse in Niere, Milz und Leber sowie Hautverbrennungen ersten Grades setzten ihm zu. Einen Monat später kamen noch Verbrennungen zweiten Grades bei einem Buschfeuer hinzu. Diese starken Blessuren bereiteten ihm solche Schmerzen, dass er den Nobelpreis nicht persönlich entgegennehmen konnte. Ein guter Teil der Bilder, die von Hemingway bekannt wurden, zeigte ihn in lädiertem Zustand, verbunden oder in Gips, aber fröhlich der Genesung entgegenwartend.
Manische Depression und Selbstmord Doch Hemingways psychisch-physischer Zustand änderte sich. Lag es an den zahlreichen Verletzungen, dem Schädel-Hirn-Trauma oder war eventuell einfach die Zeit reif dafür, die familiäre Neigung zur Depressivität auszuleben? Der Alkoholkonsum steigerte sich noch, sein früher sportiver Körper wurde aufgeschwemmt, korpulent, hohe Blutdruckund Cholesterinwerte traten hinzu.
Bekämpft wurden alle Symptome mit einem Medikamenten-Cocktail: Hochdosierte Vitamin-B-Spritzen, mehrere Blutdruck- und Cholesterinsenker, das Alkaloid Reserpin, Testosteron und andere anabole Steroide, Ritalin einerseits tagsüber sowie starke Barbiturate andererseits für die Nachtruhe sind überliefert. Doch es zeigten sich immer stärker Zeichen einer bipolaren Störung, einer manischen Depression mit Wahnvorstellungen – die der verhängnisvolle Chemie-Cocktail mit Sicherheit verstärkte.
Zwei Klinikaufenthalte in der weltbekannten Mayo-Klinik in Rochester (Minnesota), einmal vom 30. November 1960 bis 22. Januar 1961, dann erneut vom 25. April 1961 bis 26. Juni 1961 brachten keine Besserung. Die ihm dort verpassten Elektroschocks (Elektrokrampftherapie gegen schwere Depressionen) verfehlten ihre Wirkung vollends. Am 2. Juli 1961 nahm sich Hemingway das Leben. Er erschoss sich morgens um halb acht mit einem Jagdgewehr, eiferte damit seinem Vater nach. Auch Hemingway hat heldenhaft mit dem Leben gerungen wie der Fischer aus „Der alte Mann und das Meer“ – bis eben die Schwermut siegte.
Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 05/15 ab Seite 50.
Dr. Eva-Maria Stoya, Apothekerin / Journalistin