Tiere in der Apotheke
DAS GROSSE KRIBBELN
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Das Sommerekzem ist eine allergische Reaktion auf die Stiche und damit den Speichel der Kriebelmücken (Simuliden) und der Gnitzen (Culicoides). Es handelt sich um eine der häufigsten Hauterkrankungen bei Pferden. Die Symptome beginnen meistens mit der Mückensaison zwischen April und Oktober. In diesen Monaten schwärmen die Mücken insbesondere in der Nähe von Gewässern aus und stechen die Pferde in der Abenddämmerung.
Dabei stellen nur die weiblichen befruchteten Mücken eine Gefahr dar. Während sie stechen, gelangt ihr Speichel in die Haut. Dieser enthält ein Eiweiß, auf das sensibilisierte Pferde allergisch reagieren. Durch den Erstkontakt werden Antikörper gebildet, die zu einer Ausschüttung von Histamin führen. Diese Sensibilisierung erfolgt jedes Jahr, sofern die Ursache – das heißt die Mücken – nicht adäquat bekämpft wird.
Allergische Reaktion vom Typ I Durch den Stich der Kriebelmücke kommt es zu einer Sofortreaktion der Haut und starkem Juckreiz im Bereich der Mückenstiche. Daraus entwickeln sich chronische Hautprobleme, die die Lebensqualität der Tiere stark beeinträchtigen können. Es handelt sich um eine genetische Krankheit, die durch einen äußeren Faktor – in diesem Fall durch Stiche der Kriebelmücke oder Gnitzen – zum Ausbruch kommt. Dieser Zusammenhang der Vererbbarkeit kann besonders bei Islandpferden beobachtet werden: 30 Prozent der importierten Islandpferde erkranken am Sommerekzem, während sie in Island, wo keine Kriebelmücken existieren, gesund bleiben.
Aber auch bei den einheimischen Pferderassen gibt es Träger mit der Veranlagung für die Erkrankung. Vor allem für Zucht- und Freizeitpferde, die auf der Weide gehalten werden, kann die Krankheit sehr belastend sein. Aber auch Ernährung, Haltung, Lebensraum und Stresslevel des Pferdes haben Einfluss auf die Entstehung einer Sensibilisierung. So kann das Krankheitsbild auch durch eine Mangelernährung sowie durch zu wenig Bewegung oder durch höheres Alter begünstigt werden.
Juckreiz, Unruhe und Scheuern sind typische Merkmale Zu Beginn zeigen sich ein Hautausschlag unmittelbar nach dem Mückenstich und starker Juckreiz entlang der Oberlinie, insbesondere an der Mähne und am Schweifansatz, er tritt aber auch am Unterbauch des Pferdes auf. Das Pferd reagiert darauf mit Unruhe und ständigem Scheuern, um den Juckreiz zu mildern. Durch das andauernde Reiben verdickt sich die Haut und es entsteht der typisch wellige Mähnenkamm.
Die Elastizität der Haut ist deutlich vermindert, sodass tiefe Einrisse sowie kahle und wunde, zum Teil auch blutige Stellen entstehen und in der Folge schwere Hautentzündungen und Sekundärinfektionen auftreten. Ändert sich daraufhin nichts an den Haltungszuständen beziehungsweise treten weitere Stiche auf, kann das Pferd in einen chronischen Zustand verfallen. Dabei wird eine verdickte, gefältelte Haut am Mähnen- und Schweifansatz beobachtet. Stark betroffene Pferde fallen auf, da die Haare – auch im Winter – nicht mehr vollständig nachwachsen.
Den Leidensdruck verringern Es gibt bisher noch keine Behandlungsmethode, die das Sommerekzem heilen kann. Die Therapie wird je nach Schwere der Erkrankung bei jedem Patienten individuell angepasst. Entscheidend ist in erster Linie, die Haltungsbedingungen und damit die Lebensqualität des Pferdes zu optimieren, indem die Nähe von Gewässern und feuchten Stellen vermieden wird. Wenn eine angemessene Haltung nicht möglich ist, kann es auch hilfreich sein, wenn sich das Pferd in höher gelegenen Gebieten aufhält oder auf trockenen, windigen Magerkoppeln, denn dort sind Mücken seltener anzutreffen. Während des Winters stellt das Sommerekzem meist kein Problem dar.
Gnitzenschreck und andere Prophylaxemaßnahmen Um Mücken nachhaltig fernzuhalten, sollten alle Stallfenster, -türen und sonstige Öffnungen mit Fliegengittern versehen werden. Zur Mückenprophylaxe können die Pferde in der Saison regelmäßig, das heißt ein- bis zweimal täglich, mit einem gut wirksamen Insektenschutz mit Repellentfunktion an den prädisponierten Stellen (Kopf, Ohren, Mähne, Schweif, Bauch, Vorderbrust) eingestrichen werden. Repellents, sogenannte Vergrämungsmittel, die über bestimmte Duftstoffe abstoßend auf Mücken wirken, schrecken jedoch nicht alle ab.
Zudem ist ihre Wirkungszeit oft gering. Eine Wirkung von bis zu zwölf Stunden ist nur unter optimalen Umweltbedingungen möglich. Schwitzt das Pferd, wälzt es sich oft oder regnet es, ist der Schutz nicht ausreichend lange gewährleistet. Es ist ebenfalls hilfreich, die Pferde in der Dämmerung einzustallen, denn in den Morgen- und Abendstunden sowie auch bei einem Gewitter sind die Mücken am aggressivsten.
Ein Pferd mit Sommerekzem sollte generell nur noch stundenweise – vorzugsweise über Mittag, weil hier die Gnitzendichte am geringsten ist – auf die Weide gelassen werden, während der übrigen Zeit braucht ein Sommerekzemer einen ruhigen Platz mit Rückzugsmöglichkeit, die möglichst luftig und dunkel sein sollte. Generell kann eine sogenannte Ekzemdecke helfen. Dabei handelt es sich um spezielle Pferdedecken, die das Pferd inklusive Hals, Bauch und Vorderbrust komplett abdecken. Sie schirmen die Pferde praktisch rundherum ab, die Gnitze hat keine Möglichkeit, das Pferd zu stechen.
Es gibt sogar passende Kopfhauben, die den Pferden zwar ein ungewohntes Erscheinungsbild geben, von den meisten Pferden aber durchaus akzeptiert werden. Auch wenn die Mücken vor allem in den Dämmerungsstunden aktiv sind, kann in Mooren, Wäldern und Feuchtwiesen eine Dauerbelastung vorhanden sein, sodass die Decke permanent getragen werden muss. Wichtig: Der Sitz der Decke muss täglich kontrolliert werden. In hartnäckigen Fällen kann eine Behandlung mit entzündungshemmenden und antiallergischen (cortisonhaltigen) Medikamenten notwendig werden.
Hierbei ist es empfehlenswert, die minimale Erhaltungsdosis anzuwenden, um potenzielle Nebenwirkungen so gering wie möglich zu halten. Elektrische Mückenfallen helfen ebenfalls teilweise, ein großer Ventilator in der Pferdebox kann einige Mücken zusätzlich vertreiben. Auch bei der Fütterung ist zu beachten: Eiweißüberschuss und Imbalancen begünstigen das Sommerekzem und induzieren häufig dessen Ausbruch. Generell gilt: Je feuchter der Sommer, desto höher die Belastung mit Culicoides. Ein warmer Winter hingegen ist nicht entscheidend für die Vermehrung der Gnitzen. Insofern ist jeder trockene Sommer ein Hoffnungsschimmer.
Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 04/18 auf Seite 68.
Dr. Astrid Heinl, Tierärztin