Eine Frau blickt über sich, dort sind viele Fragezeichen eingezeichnet.
Ist der Corona-Impfstoff sicher, wenn er so schnell zugelassen wurde? Das fragen sich viele. © Melpomenem / iStock / Getty Images Plus

Studien | Argumente

IST DER CORONA-IMPFSTOFF SICHER?

Den Impfstoff gegen SARS-CoV-2 hat Großbritannien in Rekordzeit zugelassen, in der EU und den USA ist es auch bald soweit. Viele Apothekenkunden und –mitarbeiter fragen sich, ob ein Arzneimittel, das so schnell entwickelt wurde, überhaupt sicher sein kann.

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Die europäische Arzneimittelbehörde EMA prüft den Corona-Impfstoff von Biontech und Pfizer derzeit, Ende dieses Jahres oder Anfang 2020 könnten die ersten geimpft werden. Apothekenkunden sind zu einem großen Anteil vorerkrankt oder schon älter und gehören damit zur ersten Gruppe, die sich impfen lassen kann. Auch PTA werden priorisiert. Sicherlich diskutieren Sie dieser Tage oft im Beratungsgespräch oder mit Kollegen darüber, ob der Impfstoff sicher ist, wo er doch viel schneller zugelassen wird als gewöhnlich. Wir haben Argumente gesammelt.

Das Wichtigste vorweg: Forscher entwickeln die Impfstoffe gegen SARS-CoV-2 genauso wie andere Impfstoffe auch – sie untersuchen Wirkstoffe präklinisch, dann durchlaufen diese die klinischen Studienphasen I bis III. Dass Phase IV erst nach der Zulassung abläuft, ist völlig normal und bei jedem Arzneimittel so. Das Medikament wird in der Therapie beobachtet, man sammelt Daten allein zur zugelassenen Indikation, Dosierung und Darreichungsform innerhalb der tatsächlichen Patientengruppe.

Dass Phase IV erst nach der Zulassung abläuft, ist bei jedem Arzneimittel so.

Emer Cooke, die die EMA leitet, bestätigt, die Zulassung für einen Corona-Impfstoff „erteilen wir nur dann, wenn wir uns sicher sind, dass das Produkt sicher, qualitativ hochwertig und wirksam ist. Wenn wir wissen, dass es in gleichbleibender Qualität produziert werden kann und der Bevölkerung wirklich nützt.“ Wie kann der Prozess dann aber so viel schneller ablaufen als sonst?

Die Zeit drängt
Selbst in Deutschland, das im Vergleich mit anderen EU-Ländern recht glimpflich durch die Pandemie schlittert, sterben derzeit rund 500 Menschen täglich. Schnelles Handeln ist also schlichtweg dringend erforderlich, es führt kein Weg darum herum. Deshalb arbeiten alle Beteiligten enger zusammen und effizienter, jedoch „ohne Abstriche bei der Sorgfalt“, wie das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) betont. Wie geht das?

  1. Frühe wissenschaftliche Beratung
    Die Arzneimittelbehörden beraten Hersteller von Anfang an fortlaufend zu wissenschaftlichen und regulatorischen Aspekten. Die Hersteller wissen so von Anfang an, wie sie Anträge korrekt stellen müssen. Die Zulassung verläuft reibungsloser und wird nicht durch Formalia verzögert.
  2. Rolling Review
    Hersteller geben erste Daten schon für Wissenschaftler frei, während weitere Studien noch laufen. Das PEI erläutert: „So können Teile des Antragsdossiers bereits vor der eigentlichen Antragstellung geprüft, verbessert und bewertet werden. „Insgesamt verkürzt das die Bearbeitungszeit.
  3. Prüfungsphasen kombinieren
    Normalerweise laufen die klinischen Studienphasen I, II und III nacheinander ab. Während einer Pandemie ist das anders, hier können einzelne Punkte zeitgleich für mehrere Phasen erledigt werden, zum Beispiel Organisatorisches, wie Probanden zu rekrutieren. Dies geht nicht zu Lasten der Sicherheit.
  4. Wissen zu anderen Coronaviren
    Ja, SARS-CoV-2 ist erst seit etwa einem Jahr bekannt. Ähnliche, verwandte Coronaviren wie SARS-CoV-1 oder MERS beschäftigen Wissenschaftler aber schon seit Jahren. Die Forschungsergebnisse lassen sich nun auch für das neue Coronavirus nutzen. 
  5. Zahlreiche Fälle
    Der Testzeitraum für die klinischen Studien war zwar kurz, dennoch wurden zahlreiche Probanden geimpft – über 30 000. Schließlich gibt es pandemiebedingt besonders viele Betroffene. Das sind laut EMA-Leiterin Cooke mehr „als das bei vielen anderen Produkten der Fall war, die längst zugelassen sind. Aufgrund der großen Datenmengen bei den COVID-19-Vakzinen kann man daher schon jetzt Rückschlüsse über Sicherheit und Wirksamkeit ziehen, obwohl alles so schnell ging.“

…aber die Langzeitdaten fehlen doch?
Langzeitdaten werden, wie es der Begriff schon verrät, über eine lange Zeit erhoben. Bei jedem neuen Arzneimittel ist das so. Der neue Impfstoff wird noch eine ganze Weile von zahlreichen Experten beobachtet werden. Laut Cooke müssen die Hersteller beim Corona-Impfstoff ein Jahr lang monatliche Berichte vorlegen – statt wie sonst üblich nur sechs Monate.
Hinzu kommt, dass Langzeitfolgen zwar lange Zeit anhalten, aber nicht erst nach langer Zeit auftreten - sondern nach einigen Wochen. Diesen Zeitraum umfassen die Studien.

Warum sollen Schwangere sich nicht impfen lassen?
Schwangere sollen auf die Impfung verzichten. Wer schwanger werden möchte, soll nach der Impfung möglichst zwei Monate warten. Das liegt aber nicht daran, dass fruchtschädigende Wirkungen bekannt wären, sondern es ist eine Vorsichtsmaßnahme. Ungeborene Kinder werden besonders geschützt. Sie kennen das aus den Hinweisen zu Arzneimitteln in der ABDA-Datenbank – nur die wenigsten Arzneimittel sind schon so lange von vielen Schwangeren eingenommen worden, dass genaue Daten vorliegen. Im Zweifelsfall rät man werdenden Müttern lieber ab, denn Studien mit Schwangeren sind natürlich verboten.

Aufklärung nötig
Ob der Einzelne sich impfen lässt, ist seine persönliche Entscheidung, keine Pflicht. Die Impfbereitschaft ist aber besonders unter denjenigen gering, die COVID-19 und seine Langzeitfolgen unterschätzen, wie Daten zeigen. Hier ist also Aufklärung gefragt: zum einen darüber, dass das Virus selbst Spätfolgen auslöst, die wir von Erkältungen und der Grippe nicht kennen. Zum anderen darüber, dass die Impfstoffe trotz der kurzen Zeit bis zur Zulassung sicher getestet werden.

Schließlich geht mit einer Impfung nicht nur Selbstschutz, sondern auch soziale Verantwortung einher.

Gesa Van Hecke,
PTA und Redaktionsvolontärin

Quellen:

www.pharma-fakten.de/news/details/1019-impfstoffentwicklung-gegen-sars-cov-2-zu-schnell/


www.dimdi.de/dynamic/de/glossar/glossareintrag/Studienphasen/


www.apotheke-adhoc.de/nc/nachrichten/detail/markt/nach-corona-impfung-schwangerschaft-vermeiden-bnt162b2-das-sagt-die-gebrauchsinformation/

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