Hauttypen und Hautzustände
CHOLERISCH UND NACHTRAGEND
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Empfindliche oder sensible Haut ist eigentlich kein klar definierter Hauttyp. Da aber viele Menschen mit Irritationen, Rötungen und Spannungsgefühlen ihrer Haut auf äußere Einflüsse, wie Sonnenstrahlen, Wind, Luftverschmutzung, Kälte und ungeeignete Kosmetikprodukte reagieren, gibt es mittlerweile viele Pflegeprodukte, die sich speziell an die „empfindliche“ und „überempfindliche“ Haut richten. Meist liegt das Problem in einer aus den unterschiedlichsten Gründen beeinträchtigten Hautbarriere. Nur selten liegt tatsächlich eine Krankheit zugrunde.
Dicht gepackt und schwach sauer Unsere Haut besteht aus drei Schichten. Von außen nach innen sind dies die Epidermis oder Oberhaut, die Dermis oder Lederhaut und die Subcutis, das Unterhautfettgewebe. Ganz außen als Abschluss der Epidermis befinden sich abgestorbene Hornzellen, die nach und nach abgestoßen werden, während von unten neue Zellen nachrücken. Die Grenzzone von lebenden Epidermisschichten zu absterbenden Hornzellen nennt man Reinsche Barriere oder einfach Hautbarriere. Es handelt sich nicht um eine starre Grenze, sondern um einen dynamischen Bereich.
Während vom Hautinneren her immer wieder neue Zellschichten in die Barrierezone eintreten, gelangen verhornte, abgestorbene Zellen hinaus in Richtung Körperoberfläche. Das Besondere an diesem Bereich ist, dass die Zellen hier am dichtesten von allen Zellschichten in der Haut gepackt sind und zusätzlich Hornschichtlipide die Zellzwischenräume lückenlos auskleiden. Dadurch ist die Barriere in der Lage, die Penetration und Resorption von Stoffen durch die Haut zu begrenzen. Vor allem das Wasserbindevermögen und die Wasserdurchlässigkeit der Haut werden von der Barriere bestimmt. Außerdem liegt hier mit pH 4,5 bis 5,5 der niedrigste pH-Wert aller Hautschichten vor.
Wird der pH-Wert auf Werte > 6,0 oder < 4,5 verändert, so lösen sich die geordneten Strukturen der Hornschichtlipide auf und die Barrierefunktion wird gestört. Dann geht der Haut Feuchtigkeit verloren und Stoffe können von außen in lebende Schichten vordringen. Ebenfalls wichtig für eine intakte Haut ist der Hydrolipidfilm oder Säureschutzmantel. Dabei handelt es sich um eine Emulsion aus Schweiß, Talg und Hornzellmasse, die die gesamte Haut überzieht, geschmeidig hält und vor chemischen und mikrobiellen Einflüssen schützt. Ob der Säureschutzmantel die Haut lückenlos überzieht, hängt vom Hauttyp beziehungsweise vom Hautzustand ab.
Einteilung in Empfindlichkeitsstufen
+ Empfindliche Haut: Die Reaktion auf Umwelteinflüsse ist stärker als bei normaler Haut. Intoleranz zeigt sich schon bei geringfügigen Reizen. Sie ist oft trocken und fettarm.
+ Überempfindliche Haut: Sie reagiert noch sensibler und meist noch stärker. Fast immer ist die Haut trocken und fettarm.
+ Allergische Haut: Die Haut reagiert gezielt auf Stoffe, gegen die sie sich zuvor sensibilisiert hat.
Genetik und äußere Einflüsse Der Hauttyp ist der genetisch festgelegte Grundzustand der Haut. Innere und äußere Einflüsse bleiben hier unberücksichtigt. Da diese jedoch große Auswirkungen auf die Haut haben können und die Haut außerdem im Laufe des Lebens ihren Grundzustand durchaus mehrmals verändern kann, spricht man heute meist vom Hautzustand. Damit bezeichnet man die durch die Vorgänge in und auf der Haut entstehenden Eigenschaften der Hautoberfläche. Gemeint ist damit die Menge und Zusammensetzung des Hydrolipidfilms. Zugrunde liegen genetische Faktoren, beispielsweise eine Veranlagung zum fett-feuchten Hauttyp.
Innere Ursachen, wie hormonelle Veränderungen, Krankheiten und Stress, sowie äußere Einflüsse, wie UV-Bestrahlung oder niedrige Luftfeuchtigkeit, addieren sich und ergeben den tatsächlichen Hautzustand. Die Feststellung des aktuellen Hautzustandes ist Grundvoraussetzung für eine qualifizierte Beratung, da sich die Wahl der Pflegeprodukte in erster Linie am Hautzustand orientiert. Für die Beurteilung spielen zwei Größen eine Rolle. Einerseits handelt es sich um das durch die Talgdrüsen produzierte Fett, andererseits ist dies das durch die Schweißdrüsen sezernierte Wasser, sodass sich die Eigenschaften fett und fettarm sowie feucht und trocken gegenüberstehen.
- Normale Haut Sie ist glatt und straff, weich und geschmeidig, gut durchblutet und dadurch rosig sowie kleinporig und ohne Falten. Gut geschützt durch einen Hydrolipidfilm in der richtigen Menge und Zusammensetzung und mit einer intakten Hautbarriere ausgestattet, ist die Haut wenig empfindlich gegenüber Umwelteinflüssen und weder zu trocken noch zu fett. Man findet sie praktisch ausschließlich bei jungen Menschen. Etwa mit Beenden des dritten Lebensjahrzehnts verändert sich der Hautzustand – ob man will oder nicht – in Richtung fettarm-trocken.
- Fett-feuchte Haut Dieser Hautzustand ist gekennzeichnet durch eine dicke, kräftige und grobporige sowie fettglänzende Haut, die mit zahlreichen Mitessern (Komedonen) besetzt sein kann. Die Haut ist relativ widerstandsfähig gegen äußere Einflüsse und lässt Falten erst in höherem Lebensalter entstehen. Betroffen ist nicht die Haut am ganzen Körper, sondern nur Gesicht, Rücken und Dekolleté, da hier die Talgdrüsendichte besonders hoch ist. Man findet den fett-feuchten Hautzustand bei beiderlei Geschlecht praktisch erst nach Eintritt in die Pubertät. Mit zunehmendem Alter wird die Haut fettärmer und trockener. Die groben Poren können jedoch bleiben.
- Trocken-fettarme Haut Sie ist durch kleine abgelöste Schüppchen rau und glanzlos. Die Dicke der Hautschichten ist verringert, die Haut ist gespannt und neigt zu frühzeitiger Faltenbildung. Da die Durchblutung ungleichmäßig und die Haut nicht sehr widerstandfähig gegenüber äußeren Einflüssen aller Art ist, sieht trocken-fettarme Haut häufig fleckig aus. Entzündlich gerötete Areale wechseln mit blassen und normal farbigen Bereichen ab. Die Poren sind sehr klein, Mitesser findet man keine. In Abhängigkeit vom Alter entwickelt jeder Mensch irgendwann eine trocken-fettarme Haut. Personen mit normaler Haut müssen ungefähr ab dem 40. bis 50. Lebensjahr mit einem Übergang in Richtung fettarm-trocken rechnen, bei Personen mit fett-feuchter Haut kann es einige Jahre länger dauern. Ab dem 60. Lebensjahr spricht man von Altershaut, reifer Haut oder „anspruchsvoller“ Haut.
- Mischhaut Darunter versteht man einen Hautzustand, bei dem sich fett-feuchte Hautstellen mit normalen oder trocken-fettarmen Arealen abwechseln. Meist neigt die sogenannte T-Zone, also die Haut an der Stirn und im Bereich zwischen Nase und Kinn, zu fett-feuchter Haut. Die Haut an den Wangen erscheint dagegen normal bis fettarm-trocken. Beide Hautzustände weichen meist nur wenig vom normalen Zustand ab, die typischen Erscheinungen sind also nur gering ausgeprägt. Auch die Mischhaut geht mit zunehmendem Alter in einen fettarm-trockenen Hautzustand über.
Einfach nur empfindlich oder schon allergisch?Ungefähr die Hälfte aller Frauen und auch einige Männer bezeichnen ihre Haut Umfragen zufolge als empfindlich. Diese Einschätzung ist schwer objektivierbar, denn jeder bewertet die Reaktionen seiner Haut anders. Tatsächlich kann die Haut bereits auf geringfügige chemische oder physikalische Reize mit Irritationen wie Rötung, Schwellung, Wärmegefühl, Kribbeln, Spannen oder Pickelchen reagieren.
Mit dem sogenannten Spateltest kann man das deutlich machen. Man fährt dabei mit der Kante eines Kunststoffspatels über die Haut, beispielsweise an den Wangen oder am Dekolleté. Ist die Haut besonders empfindlich, reagiert sie sofort mit Schwellung und Rötung. Die Ursache für die extreme Sensibilität ist schwer zu finden. Manchmal steckt eine erbliche Veranlagung dahinter, manchmal sind es auch nur vorübergehende Lebensphasen, die zum Beispiel durch Stress ausgelöst werden. Gelegentlich ist es der Beginn einer Hauterkrankung, wie Couperose, Rosazea, Psoriasis oder Neurodermitis.
Übersteigerte Reaktion der NervenfasernMan weiß allerdings inzwischen, dass empfindliche Haut meist drei typische Anzeichen aufweist: eine gestörte Barrierefunktion, übermäßig reagierende Nervenfasern in der Epidermis und Entzündungen, die als Rötungen sichtbar sind. Die Nervenfasern in der Epidermis reagieren bei Menschen mit empfindlicher Haut offenbar viel schneller und stärker als bei normaler Haut. Stressfaktoren, die gesunde Haut problemlos erträgt, rufen bei empfindlicher Haut unangenehme Empfindungen hervor. Anfällig ist die Haut dabei für umweltbedingte, mechanische, psychische und hormonelle Faktoren. Dies können Kälte, Hitze, Wind, Luftverschmutzung, UV-Strahlung, aber auch Duftstoffe, Reinigungsmittel oder einfach hartes Wasser sein.
Es wird diskutiert, ob speziell in den Städten die starke Luftverschmutzung für die zunehmende Anzahl an sehr empfindlicher Gesichtshaut verantwortlich ist. Durch die gestörte Hautbarriere können nämlich Reizstoffe in die Haut eindringen, die normalerweise zurückgehalten würden. Mechanische Faktoren, die Druck auf die Haut ausüben, können die Nervenfasern ebenfalls reizen. Und mit Sicherheit spielt die Psyche eine Rolle. Stress, Ärger und starke Emotionen können die Haut empfindlich werden lassen. Bei einigen Menschen sind es auch scharfes Essen oder Alkohol, die die Haut reizen. Betroffene beschreiben ihre Missempfindungen als Stechen, Brennen oder Spannungsgefühl. Diese Hautgefühle sind nicht sicht- oder messbar. Sie lassen sich nur anhand der Beschreibung der Betroffenen beurteilen, was die Diagnose erschwert.
Weniger ist mehrJeder Betroffene reagiert auf andere Reizstoffe, deshalb ist es wichtig, die individuellen Faktoren zu bestimmen. Dies kann mit einem Tagebuch gelingen, in dem jeden Tag Temperatur, Schadstoffbelastung, Gefühlslage und der Kontakt mit Kosmetika oder Reinigungsmitteln und ähnliches notiert und mit sichtbaren oder nicht sichtbaren Reaktionen verglichen werden. Vielleicht gelingt es, den Lebensstil etwas an die Bedürfnisse der Haut anzupassen. Denn empfindliche Haut muss nicht zwangsläufig ein lebenslanges Problem sein. Mit einer darauf abgestimmten Hautpflege und einigen Verhaltensregeln kann sich empfindliche Haut sogar wieder normalisieren. Geben Sie Kundinnen mit empfindlicher Haut eine Faustregel mit auf den Weg: Weniger ist mehr.
Je weniger Stoffe in einem Produkt enthalten sind, umso eher kann man eine Irritation vermeiden. Daher ist es absolut sinnvoll, bei einer Serie oder zumindest einer Marke zu bleiben. Empfehlen Sie Produkte, die speziell für empfindliche Haut konzipiert wurden. Sie sind frei von Stoffen, deren Reizwirkung bekannt ist. Auf Duftstoffe lässt sich verzichten, auf Konservierungsstoffe auch, wenn das Produkt so verpackt ist, dass eine Kontamination ausgeschlossen ist. Nicht sinnvoll ist es, bei neuen Kosmetika gleich mehrere Produkte auf einmal zu verwenden. Besser ist es, eines nach dem anderen zunächst an einer kleinen Stelle am Unterarm zu testen. Erst wenn das Produkt sicher keine Reaktion hervorruft, sollte ein weiteres ausprobiert werden.
Diese Stoffgruppen führen häufig zu Hautreizungen oder allergischen Reaktionen
+ Ätherische Öle oder einzelne Komponenten daraus
+ Alkohol
+ Chemische Lichtschutzsubstanzen
+ Duftstoffe
+ Emulgatoren
+ Farbstoffe
+ Konservierungsmittel
Sanfte Reinigung Die Reinigung sollte Schmutz, Make-up und überschüssigen Talg gründ- lich entfernen, dabei aber die Haut nicht austrocknen, sondern den natürlichen Feuchtigkeitsgehalt der Haut erhalten. Dass das Produkt einen an die Haut angepassten pH-Wert haben sollte, versteht sich von selbst. Seife mit ihrem stark alkalischen pH-Wert ist völlig ungeeignet. Eine Gesichtsreinigung morgens und abends ist normalerweise völlig ausreichend. Falls die Haut schon durch hartes Leitungswasser gereizt wird, können Sie Produkte empfehlen, die nicht abgespült werden müssen.
Gesichtswässer für empfindliche Haut dürfen keinen Alkohol enthalten, er trocknet die Haut zusätzlich aus. Für den anschließenden Frischekick eignet sich ansonsten auch einfach Thermalwasser, das als feiner Nebel aufgesprüht wird. Ein Peeling ab und zu kann dabei helfen, die Haut von Reizstoffen zu befreien. Hier ist es besonders wichtig, eines zu verwenden, das speziell für empfindliche Haut entwickelt wurde. Ein zu starker mechanischer Reiz kann die Haut sonst irritieren.
Feuchtigkeit zuführen Cremes für empfindliche Haut erfüllen ähnliche Aufgaben wie solche für trocken-fettarme Haut. Sie sollen den Feuchtigkeitshaushalt der Haut verbessern, Reizungen lindern und die Wiederherstellung der Hautbarriere fördern. Sie sollen keine unnötigen Zusätze wie Farb- und Duftstoffe enthalten. Inhaltsstoffe, wie Licochalcone A, ein natürliches Antioxidans mit entzündungshemmender Wirkung, reduzieren Rötungen. Eine Möglichkeit, Hautrötungen zu kaschieren, sind grüne Pigmente.
Beratungstipp
Geben Sie Kundinnen, die über empfindliche Haut klagen, zunächst ein Pröbchen mit. So kann Ihre Kundin testen, ob sie das Produkt verträgt. Hat sie eine passende Kosmetikserie gefunden, soll sie möglichst dabei bleiben, denn häufige Wechsel sind Stress für die Haut.
Lichtschutzfaktor verwenden Eine Tagescreme mit Lichtschutzfaktor hilft empfindlicher Haut sich vor den UV-Strahlen der Sonne zu schützen. Manchmal sind es aber auch gerade die UV-Filter, die die Haut reizen. Hier muss Ihre Kundin einfach ausprobieren, was sie verträgt. Auf Lichtschutz verzichten ist keine gute Option. Unterstützend kann sie sich mit einem Sonnenhut und einer Sonnenbrille schützen. Wichtig ist, die individuellen Auslöser zu finden und nach Möglichkeit zu meiden. Ebenso wichtig ist ein regelmäßiges Hautpflegeprogramm, mit dem sich Ihre Kundin wohlfühlt.
Den Artikel finden Sie auch in der Sonderausgabe Apothekenkosmetik der PTA IN DER APOTHEKE ab Seite 26.
Sabine Breuer, Apothekerin/Chefredaktion