Ein Mann hält einen abgebrannten Joint in die Kamera.
Nach dem Joint ist vor der Heißhungerattacke. © Primorac91 / iStock / Getty Images Plus

Heißhunger | Kiffen

CANNABIS POLT NERVENZELLEN UM

Fressflashs nach Cannabis-Konsum sind mehr als ein Klischee: Eine Forschergruppe der Universität Leipzig entdeckte einen kuriosen Mechanismus, der den plötzlichen Heißhunger nach dem Kiffen erklären könnte.

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Die Fähigkeit von Cannabinoiden im Körper Hunger und Appetit auszulösen, ist nicht neu und wird bereits als medizinischer Nutzen diskutiert. „Es ist ja seit längerem bekannt, dass Konsumenten von Marihuana Heißhunger entwickeln. Der Effekt tritt sogar dann auf, wenn ihr Magen gut gefüllt ist“, erklärt Marco Koch, Neurowissenschaftler an der Universität Leipzig. Der Cannabinoid-Rezeptor 1 wird vor allem für diese Wirkung verantwortlich gemacht. Denn die Cannabinoide aus der Hanfpflanze ähneln stark körpereigenen Liganden, die normalerweise als Teil der neuronalen Signalübertragung an diese Rezeptoren andocken. Doch welcher Mechanismus genau durch die Stimulation dieses Rezeptors ausgelöst wird, war bislang unklar.

Koch und seine Kollegen schauten sich für ihre Untersuchungen spezielle Nervenzellen im Gehirn an, die sogenannten Pro-opiomelancortin-haltigen (POMC-) Neuronen. Denn diese Vertreter sind bereits bekannt dafür, dass sie bei Appetit und Hunger eine Rolle spielen – nur eben in der entgegengesetzten Richtung. Während wir essen werden die Neuronen aktiv und bewirken die Ausschüttung eines bestimmten Hormons, das den Appetit drosselt und somit ein Sättigungsgefühl bewirkt. „Da komplett gesättigte Mäuse nach einer Injektion von Cannabinoiden weiter fraßen, gingen wir zunächst selbstverständlich davon aus, dass dadurch die Appetit-zügelnden POMC-Neuronen ausgeschaltet würden“, sagt Koch.

Die Untersuchungen zeigten jedoch, dass sie nicht inaktiv, sondern vielmehr hochaktiv waren, nur bewirkten sie nicht mehr die Freisetzung des appetitzügelnden Hormons. Die Interaktion mit den Cannabinoiden hatte die Neuronen anscheinend umgepolt, denn nun wurde das appetitanregende Hormon beta-Endorphin sezerniert. Und satte Mäuse fraßen weiter. „Zur Gegenkontrolle haben wir die Rezeptoren für das Beta-Endorphin blockiert, bevor wir die Cannabinoide injizierten. Und tatsächlich – dann haben die Mäuse nicht mehr gefressen“, berichtet Koch. Gelüste auf Chips, Schokolade und vieles mehr nach dem Kiffen ist also keine Einbildung, sondern das Resultat einer kuriosen Umpolung von Neuronen durch den Konsum der Hanfpflanze.

Farina Haase,
Apothekerin/Redaktion

Quelle: wissenschaft.de

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