Organspende | Reform
BUNDESTAG GEGEN WIDERSPRUCHSLÖSUNG
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So unterschiedlich die Vorschläge auch klingen, haben sie ein gemeinsames Ziel: Die rund 9000 Patienten auf den Wartelisten sollen zu mehr Spenden kommen. Bisher sind Organentnahmen nur bei ausdrücklich erklärtem „Ja“ erlaubt.
Zur Abstimmung standen zwei gegensätzliche Gesetzentwürfe. Eine Abgeordnetengruppe um Gesundheitsminister Jens Spahn positionierte sich mit einer grundlegenden Umstellung auf eine „doppelte Widerspruchslösung“. Demnach sollten grundsätzlich alle Bürger als Spender gelten. Diesem solle man aber jederzeit widersprechen können. Sonst wäre noch bei Angehörigen nachzufragen, ob sie einen Widerspruch des Verstorbenen kennen. Dagegen stellte sich eine andere Abgeordnetengruppe um Grünen-Chefin Annalena Baerbock. Ihr Vorschlag: Alle Bürger sollten mindestens alle zehn Jahre beim Ausweisabholen auf das Thema Organspende angesprochen werden.
Die Mehrheitsverhältnisse waren bis kurz vor der Abstimmung schwer einzuschätzen. Bei einer ersten offenen Debatte waren jedoch breite Vorbehalte gegen eine Widerspruchslösung deutlich geworden. So gab die Initiatorin Baerbock im Plenum zu bedenken: „Wir stimmen hier heute über eine hochethische Frage ab, nämlich: Wie kommen wir zu mehr Transplantationen? Wie retten wir mehr Leben? Wir stimmen aber auch darüber ab: Wem gehört der Mensch? In unseren Augen gehört er nicht dem Staat, nicht der Gesellschaft, er gehört sich selbst.“ Und warb mit ihrer Lösung als eine Stärkung der Entscheidungsbereitschaft.
Als letzter Redner warb der Bundesgesundheitsminister im Bundestag für seine Widerspruchslösung. Diese sei kein Allheilmittel oder Wunderwaffe, aber die Gesellschaft mache deutlich: „Ja, wir wollen eine Kultur der Organspende.“ Spahn verwies auf Patienten, die teils seit Jahren in Krankenhauszimmern mit großen Maschinen lebten, weil es keine Spenderorgane gebe. In keinem anderen Bereich würde solches Leid und eine solche desaströse Versorgungssituation sonst akzeptiert. Dass man bei der Widerspruchslösung widersprechen müsste, wenn man nicht Organspender sein wolle, sei eine Zumutung, räumte Spahn ein. Es sei aber eine, die Menschenleben rettet. Er warnte davor, dass der Gesetzentwurf der anderen Abgeordnetengruppe nichts an der jetzigen Lage ändern werde.
Kurz darauf lehnte der Bundestag Spahns Gesetzesentwurf jedoch ab und stimmte stattdessen für eine moderate Reform der Organspenderegeln in Deutschland. Die Bürger sollen künftig mindestens alle zehn Jahre beim Ausweisabholen auf das Thema angesprochen werden.
Der Gesundheitsminister zeigte sich als guter Verlierer und erklärte direkt, sich auch nach dem Scheitern des eigenen Reform-Vorschlags im Bundestag für mehr Organspenden in Deutschland einzusetzen. Dies sei immer das Ziel beider Entwürfe gewesen, sagte er. Daher werde er die beschlossenen Pläne als Minister voller Tatkraft umsetzen. Nun gehe es unter anderem darum, noch mehr aufzuklären und ein Online-Register für Erklärungen zur Spende aufzubauen. In drei, vier oder fünf Jahren sollte dann geschaut werden, ob sich an der Lage der Patienten, die auf Organe warten, tatsächlich etwas geändert habe. „Hier geht es nicht um Gewinnen und Verlieren. Hier geht es darum, Menschen in Not zu helfen“, sagte Spahn.
Quelle: dpa