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Politik

BREXIT – WAS HAT DAS MIT UNS ZU TUN?

Die Diskussionen über den Austritt Großbritanniens aus der EU muten in den letzten Wochen grotesk an. Die Ablehnung der verschiedenen Vereinbarungen zwischen britischer Regierung und der EU durch das britische Unterhaus versteht keiner mehr.

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Eigentlich ist die ganze Diskussion für uns eher ein Kasperltheater. Von Weitem betrachtet haben wir ja damit auch nichts zu tun. Aber stimmt das überhaupt?

Sorgenkind Großbritannien Es ist nicht nur für die Eltern deutscher Schulkinder, die zu einem Schüleraustausch oder zu einem Sprachaufenthalt nach England reisen wollen, eine große Sorge, welchen Status ihre Kinder haben, sollte es von jetzt auf gleich einen ungeregelten Brexit geben. Alle Firmen, die unmittelbar oder auch nur mittelbar mit Großbritannien zu tun haben, werden betroffen sein. Und das betrifft uns alle. Der große Vorteil der Europäischen Gemeinschaft war und ist, dass viele Dinge im Bereich der EU vereinheitlicht und im Sinne der Harmonisierung innerhalb der Staaten der EU einen leichteren Zugang zu allen Bürgern hatte. Damit sind die Grenzen sehr aufgeweicht! Im negativen Sinne spüren das die Apotheken. Zum Beispiel wenn ausländische Versandapotheken sich nicht an unsere Gesetze halten, die von unserer Regierung gerade zum Schutz der Bürger erlassen worden sind.

Neuer Platz für die EMA Im Bereich der Überwachung und Zulassung von Arzneimitteln wurde 1995 die EMA (Europäische Arzneimittel Agentur) gegründet und hatte ihren Sitz bis zum März dieses Jahres in London. Die Brexit-Bestrebungen Großbritanniens haben dazu geführt, dass die EMA umziehen musste und nun ihren Sitz in Amsterdam hat. Ihre Aufgabe ist der Schutz und die Förderung der Gesundheit von Mensch und Tier durch Überwachung und Zulassung von Arzneimitteln im Bereich der EU. Wenn ein Hersteller ein Arzneimittel im Raum der Europäischen Gemeinschaft in Verkehr bringen will, kann er eine Zulassung bei der EMA beantragen und braucht nicht mehr in jedem einzelnen Land eine Zulassung erlangen.

Das spart Zeit, Geld und Ressourcen und ist durch die Zentralisierung auch sicherer, da alle Informationen über Risiken und Probleme eines Arzneistoffes an einer Stelle zusammenlaufen. Nach dem Austritt ist Großbritannien für die Zulassung und Überwachung der Arzneimittel innerhalb seiner Grenzen wieder allein zuständig. Die Hersteller neuer Arzneimittel müssen dann bei der EMA und in Großbritannien die Erlaubnis beantragen. Umgekehrt müssen alle Aufgaben, die von britischen Behörden durchgeführt wurden, jetzt von Behörden der EU, beispielsweise dem Paul-Ehrlich-Institut, übernommen werden.

Neue Aufgaben Schon seit einiger Zeit hat das Paul-Ehrlich-Institut, das vor allem für die Überwachung und Zulassung der Impfstoffe zuständig ist, auf seiner Website die zusätzlichen Aufgaben, die nun von den Mitarbeitern übernommen werden, veröffentlicht. Man kann nur erahnen, welch immenser Arbeitsaufwand sich mit dem Brexit, wie auch immer er aussehen wird, verbindet. Das Engagement, das das Paul-Ehrlich-Institut ausbauen wird, betrifft Verfahren der gegenseitigen Anerkennung, zentralisierte Zulassungsverfahren und deren Folgeverfahren und Chargen- und Produktprüfungen im Rahmen des OMCL (Official Medicines Control Laboratory) Netzwerkes.

Es gibt bestimmte Zulassungen, in denen Großbritannien federführend die Zulassung ausgegeben hat. Bisher waren sie in der EU gültig, müssen aber nach dem Brexit komplett auf andere EU-Staaten übertragen werden. Das Arzneimittelrecht ist nach diversen Skandalen wie Contergan, aus denen man gelernt hat, nicht umsonst sehr weitreichend und präzise gefasst. Dies dient dem Schutz des Menschen und natürlich der Tiere. Man hat versucht Zulassungen und Überwachungen zu vereinfachen und zu zentralisieren. Das hat auch über lange Jahre hervorragend funktioniert. Der Brexit stellt vieles auf den Kopf und ist, was den Arzneimittelbereich betrifft, auch nicht wirklich durchdacht.

Es ist Herstellern, die ihren Sitz nach wie vor in Groß-Britannien haben, ab dem Zeitpunkt des Ausstiegs nicht erlaubt, neue produzierte Ware in den Bereich der Europäischen Gemeinschaft zu verbringen. Die davor produzierten Chargen dürfen geliefert werden. Da darf keinem ein Fehler unterlaufen! Sonst ist auf einmal nicht verkehrsfähige Ware im Umlauf. Es bleibt zu hoffen, dass die Vernunft siegt und es zumindest zu einem geregelten Brexit kommt. Damit kann man für alle Eventualitäten Regelungen schaffen, die den Übergang erleichtern.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 07/19 ab Seite 78.

Mira Sellheim, Apothekerin und Delegierte der Landesapothekerkammer Hessen

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