Tests zur Ermittlung von Mangelzuständen
BIN ICH SCHON KRANK?
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Damit sich Menschen schnell über den eigenen Gesundheitszustand informieren können, bietet der Handel mittlerweile eine breite Auswahl an Selbsttests für Zuhause an. Die prüfen dann den Ferritingehalt im Blut, das Cholesterin oder den Vitamin-D-Spiegel. Man kann Jodmangel damit erkennen, ob man an einem Magengeschwür leidet oder ob man Gluten verträgt, sogar ob man an Depressionen leidet. Sagen jedenfalls die Hersteller.
Fingerpieks oder Pipette Die Vorgehensweise ist unterschiedlich: Für die Ermittlung der Cholesterinwerte piekst sich der Anwender beispielsweise in den Finger und verteilt den Blutstropfen dann auf eine Reihe von Testfeldern. Für Eisenmangel muss dieser Tropfen in einer Pipette aufgenommen und in eine Kartusche gegeben werden. Der Zöliakie-Test möchte Immunglobulin-A-Antikörper im Blut finden, auch der Test auf Helicobacter pylori basiert auf der Erkennung eines bestimmten Antikörpers im Blut.
Doch Vorsicht: Beim Cholesterin-Test müssen nicht nur die Zeiten haargenau eingehalten werden (zu spät abgelesene Werte sind verfälscht), er unterscheidet auch nicht zwischen HDL- und LDL-Cholesterin – und das macht ihn im Grunde nutzlos. Zeigt der Ferritinwert hohe Werte an, können auch entzündliche Erkrankungen, Tumore oder Leberleiden dahinterstecken. Der Selbsttest auf Zöliakie ist eigentlich nicht zu gebrauchen, denn er ist ein viel zu grober Schuss. Die Unverträglichkeit auf Gluten kann bisher nur durch eine Biopsie der Dünndarmwand festgestellt werden.
Selbsttests sind Medizinprodukte Julia Köppe, Redakteurin beim Spiegel, hat eine Reihe von Selbsttests aus der Apotheke ausprobiert und fasste ihre Erfahrungen unter dem Titel „Ich wusste gar nicht, wie krank ich bin“ in einer Reportage zusammen. Dass es so schlimm um sie steht, mochte sie nicht glauben. Solche Selbsttests sind Medizinprodukte und müssen deshalb nicht den strengen Zulassungsverfahren wie Arzneimittel durchlaufen. Zwar ist die europäische Richtlinie für Medizinprodukte im Rahmen medizinischer Laboruntersuchungen bereits verschärft worden.
Allerdings gelte eine Übergangsfrist bis 2022 und selbst dann sollen nur etwa 70 Prozent der In-vitro-Diagnostika zusätzlich geprüft werden, betont die Autorin. Bezeichnend auch ein Erlebnis, von dem sie berichtet: Da sich die Blutentnahme schwierig gestaltet, möchte sie sich das Blut vom Arzt abnehmen lassen. Doch die meisten würden sich weigern – und außerdem sei venöses Blut auch nicht zu gebrauchen, sagte die Frau von der Hersteller-Hotline. „Kein Wunder“, schreibt Köppe, „schließlich gehört es zum Geschäftsmodell der Medizintests für Zuhause, Ärzte zu umgehen.“ Verwundert zeigte sie sich auch darüber, dass ein Testhersteller auch gleich die passenden Nahrungsergänzungsmittel in seinem Portfolio hatte.
Unterschiedliche Bewertungen Alarmierend auch der Bericht von Nutzern eines Selbsttests, die ihre Blutproben gleichzeitig von einem ärztlichen Labor untersuchen ließen: Letzteres wies nach, dass die B12- und Vitamin D-Werte der Probanden völlig normal und im gesunden Bereich lagen, während der Test-Hersteller einen Mangel attestierte. Dass dieser Eindruck entstand, liegt allerdings auch an der Einordnung der Messergebnisse. Deshalb gilt für Apothekenmitarbeiter, die mit dem Kundenwunsch nach medizinischen Selbsttests konfrontiert werden, dass sie ihre Bedenken ruhig formulieren sollten: Damit eine fundierte Interpretation der Ergebnisse erfolgen kann, muss unbedingt ein Gespräch mit dem Arzt stattfinden, der die Werte einordnet – und vielleicht eine reguläre Laboruntersuchung anstößt. Manche Messergebnisse muss man nämlich in ihrem Zusammenhang betrachten.
Lieber den Arzt einschalten Ansonsten kann ein medizinischer Laie über den Brief aus dem Medizinprodukte-Labor in Panik geraten. Nach Messung ihrer sehr niedrigen Vitamin-D-Werte bekam Julia Köppe die Nachricht, dass einige ihrer Körperfunktionen bereits gestört sein könnten: „Von Knochenabbau war die Rede und von Krankheiten wie Alzheimer, Parkinson, multipler Sklerose, Depression, Schizophrenie und Autismus.“ Allerdings, schreibt die Journalistin, habe der Hersteller darauf hingewiesen, dass die Laborbefunde lediglich als Orientierungshilfe dienen. Fällt ein Arzt das Urteil, dass ein Bluttest im Labor angemessen ist, zahlt das übrigens die Krankenkasse – fachkundige Beratung inklusive.
Den Artikel finden Sie auch in der Sonderausgabe Nahrungsergänzungsmittel, Vitamine und Mineralstoffe der PTA IN DER APOTHEKE ab Seite 22.
Alexandra Regner, PTA und Journalistin