Neue Leitlinie | Frühgeburtsprävention
BEI DROHENDER FEHLGEBURT LIEGEN NICHT MEHR ERSTE WAHL
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Als Frühgeburt wird jedes Neugeborene bezeichnet, das vor Ende der 37. Schwangerschaftswoche auf die Welt kommt, eine übliche Schwangerschaft dauert 40 Wochen (gezählt nach der letzten Regelblutung). Dank moderner medizinischer Technologie gilt in Deutschland ein Frühchen, das die 23. Schwangerschaftswoche erreicht, als lebensfähig. In der Regel wiegen die meisten unter 2500 Gramm, frühe Frühgeburten kommen zum Teil mit weniger als 1000 Gramm zur Welt. Späte Frühgeborene (zwischen 34. und 37. Schwangerschaftswoche) unterscheiden sich nur unwesentlich von reif geborenen Kindern, dennoch fehlt ihnen Entwicklungszeit. Im Vergleich zu planmäßig geborenen Kindern haben Frühchen ein bis zu 300-fach höheres Sterberisiko sowie ein größeres Risiko für körperliche und geistige Beeinträchtigungen. Im Jahr 2014 wurden insgesamt 62 482 Kinder zu früh geboren, etwa acht Prozent aller Geburten sind Frühgeburten.
Ursachen gibt es viele: Stress, psychische Belastung, Ängste, Infektionen, krankhaftes Übergewicht, Alkohol- oder Nikotinkonsum. Oft bedingen sich psychische und körperliche Beschwerden gegenseitig. Die Leitlinienkommission der Deutschen, Österreichischen und Schweizerischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe sieht in einer Mehrheit der Fälle eine Frühgeburt als Folge einer vorzeitigen Wehentätigkeit, gegebenenfalls mit Blasensprung, aufgrund einer bakteriellen Infektion. Regelmäßige Überprüfung des vaginalen pH-Wertes und eine frühzeitige antibiotische Behandlung zählt die Gesellschaft damit zu den Vorsorge-Strategien.
Ein weiterer Angriffspunkt könnte die Progesteronsubstitution sein. Das Hormon stellt die Muskulatur der Gebärmutter ruhig und wirkt einer vorzeitigen Muttermundseröffnung entgegen. Frauen, die bereits eine Frühgeburt hatten, oder solche mit deutlich verkürztem Muttermund können nach der Empfehlung zwischen der 16. und 36. Schwangerschaftswoche off-label mit Progesteron behandelt werden. Zum Beispiel mit einem Präparat zur vaginalen Anwendung. Studiendaten zufolge wird dadurch nicht nur die Frühgeburtsrate und die Sterblichkeit gesenkt, sondern auch das Risiko für Komplikationen während der Geburt. Auch wenn die Daten widersprüchlich sind, kann eine Supplementierung von Omega-3-Fettsäuren erwogen werden. Die antientzündlich wirkenden Fettsäuren sollen vor einer Frühgeburt schützen.
Und liegen? Die Experten beantworten diese Frage aufgrund der schwachen Datenlage nicht eindeutig. Dementsprechend gibt es aber auch keine validen Daten dazu, ob und inwieweit körperliche Ruhe tatsächlich die Frühgeburtenrate senkt. Zudem erhöht Stillliegen das Risiko der Schwangeren für Osteoporose, Muskelatrophie oder Thrombose – das Für und Wider sollte daher individuell abgewogen werden. Natürlich kann Bettruhe auch eindeutig angezeigt sein, zum Beispiel bei Plazentablutungen oder dem Vorfall der Fruchtblase aus dem geöffneten Muttermund. Das sind allerdings eher Einzelfälle. Was fehlt, sind prospektiv randomisierte Untersuchungen zu diesem Thema.
Farina Haase,
Apothekerin/Redaktion
Quellen: Pharmazeutische Zeitung