Das Muster von Anlagerungen an der DNA ist bei Menschen aus ärmeren Verhältnissen deutlich verändert. © Rost-9D / iStock / Getty Images Plus

Erbgut | Sozialstatus

ARMUT IN DER DNA ERKENNBAR

Menschen, die arm sind, haben meist schlechte Bildungsmöglichkeiten und sind sozial benachteiligt. Diese Erkenntnis ist hinlänglich bekannt. Neu ist nun aber, dass Armut auch seine Spuren im Erbgut hinterlässt.

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Forscher der Northwestern University in Evanston haben festgestellt, dass es aufgrund eines niedrigeren sozioökonomischen Status in dieser Bevölkerungsgruppe häufiger zu Herzinfarkten und Schlaganfällen kommt. Zudem haben diese Menschen ein deutlich höheres Potenzial fettleibig zu werden oder Krankheiten wie Diabetes, Magengeschwüre oder Lungenentzündungen zu bekommen. Doch nicht nur körperlich sind die Menschen anfälliger, sondern auch seelisch. So zeigen die Studien, dass ein niedriger sozialer Status häufiger zu Depressionen, Angststörungen und Sucht führt. Die Untersuchungen machen zudem deutlich, dass sich Armut im Kinder- und Jugendalter auch auf die Gesundheit im Erwachsenenalter auswirken kann.

„Wir wissen schon seit langer Zeit, dass der sozioökonomische Status ein starker Einflussfaktor für die menschliche Gesundheit ist“, so Erstautor Thomas McDade. Aber die zugrundeliegenden Mechanismen, durch die sich unser Körper an die Erfahrungen der Armut ‚erinnert‘, sind bisher nicht bekannt.“ Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, hat das Forscherteam um McDade das Erbgut betroffener und nicht betroffener Menschen ins Visier genommen. Vordergründlich ging es nicht um die DNA-Sequenz, sondern um das Epigenom, also den Anlagerungen von Methylgruppen an den Erbgutstrang, die die Genaktivität entscheidend beeinflussen. Dort, wo eine solche Kohlenwasserstoffgruppe an der DNA sitzt, wird das Ablesen der Gene blockiert.

Die Forscher untersuchten mittels einer Langzeit-Gesundheitsstudie bei 489 Probanden auf den Philippinen das Muster der epigenetischen Anlagerungen. Teilnehmer waren junge Männer, von denen ein Teil unter schlechten sozioökonomischen Verhältnissen während ihrer Kindheit und Jugend aufgewachsen waren. Inhalt der Untersuchungen war nun herauszufinden, an wie vielen und welchen Stellen des Erbguts diese Methylgruppen auftreten und wie sich der Unterschied zwischen den sozial schwächer gestellten und den nicht sozial schwächer gestellten Probanden verhielt.

Die Ergebnisse zeigen deutliche Unterschiede im Epigenom, auch wenn noch weitere Einflussfaktoren hinzugenommen wurden. Die Forscher fanden insgesamt 2546 Stellen im Erbgut, an denen es eine Unterscheidung der Methylierung gab. Die sozial schwächer gestellten Probanden hatten an 1777 Stellen mehr Ablagerungen, an 769 DNA-Stellen hingegen weniger. Insgesamt waren 1537 bekannte Gene von diesen epigenetischen Veränderungen betroffen. „Unsere Analysen haben eine Überrepräsentierung von Stoffwechselwegen identifiziert, die mit der Immunfunktion, der Skelettentwicklung und der Entwicklung des Nervensystems zusammenhängen“, erklären McDade und seine Kollegen.

Die Schlussfolgerung der Wissenschaftler fällt deutlich aus: „Dieses Muster beleuchtet einen potenziellen Mechanismus, durch den Armut anhaltende Auswirkungen auf physiologische Systeme und Prozesse haben kann“, erklärt McDade. „Unsere Ergebnisse sprechen dafür, dass die DNA-Methylierung dafür eine wichtige Rolle spielt.“ Bekannt ist bereits, dass das Epigenom von einer großen Bandbreite von biologischen Prozessen und Gesundheitsfolgen geprägt ist. In einem nächsten Schritt will das Forscherteam nun untersuchen, welche konkreten Folgen durch die von ihnen identifizierten Methylierungs-Unterschiede auftreten können.

Nadine Hofmann,
Leitung Online-Redaktion

Quelle: www.wissenschaft.de


Originalpublikation: Thomas McDade (Northwestern University, Evanston) et al., American Journal of Physical Anthropology, doi: 10.1002/ajpa.23800

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