Diabetesforschung | Kegelschnecke
SCHNECKE BILDET SUPERSCHNELLES INSULIN
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In der Natur geht es keineswegs romantisch zu. Im Tierreich überlebt nur, wer über eine ausgeklügelte Strategie verfügt – und gnadenlos zuschlägt. Dazu gehört auch die Suche nach Nahrung: Die Kegelschnecke – ein räuberisches Meerestier, das im Indiopazifik lebt und sich von Fischen ernährt – ist nicht besonders schnell, aber ziemlich raffiniert. Um an Futter zu gelangen, schleicht sie sich an ruhende Fische heran und verströmt dann eine Art Betäubungsmittel ins Wasser, das diese über die Kiemen aufnehmen. Darin enthalten ist Insulin. Es bewirkt, dass die Opfer stoffwechseltechnisch in eine Unterzuckerung geraten, was zu Lähmungen und Paralyse führt. Anschließend sind sie für die Kegelschnecken leichte Beute.
Auch Diabetiker brauchen Insulin – natürlich nicht zur Paralyse, sondern zur Regulation eines pathogenen Blutzuckerspiegels. Hier kann eine Injektion die Werte allerdings erst mit Verzögerung senken, denn das Hormon ist ziemlich träge. Außerdem verklumpt menschliches Insulin. Unter normalen Umständen ist das natürlich sinnvoll, denn es kann auf diese Weise leicht in der Bauchspeicheldrüse gespeichert werden. Nach einer Injektion muss das Humaninsulin dann allerdings erst in einzelne Moleküle aufgebrochen werden. bevor es die gewünschte Wirkung entfalten kann. Dieser Prozess kann bis zu einer Stunde dauern. Eine schneller wirkende Form des Insulins würde das Risiko einer Hyperglykämie und anderer schwerwiegender Diabetes-Komplikationen verringern.
Bei der Forschung an geeigneten Insulin-Varianten stieß ein internationales Team von Wissenschaftlern um Danny Hung-Chieh Chou von der University of Utah in Salt Lake City auf die oben beschriebene Kegelschnecke. Analysen des Schnecken-Insulins zeigten nämlich, dass ihm die Komponente fehlt, die beim menschlichen Insulin die Verklumpung verursacht. So entstand die Idee, es in eine Form umzuwandeln, die einen Einsatz als Diabetes-Medikament ermöglicht. Doch es gab ein Problem: Das tierische Insulin wirkt zwar schneckenatypisch schnell, hat aber beim Menschen einen eher schwachen Effekt – man braucht die 20- bis 30-fache Dosis.
Also bauten die Wissenschaftler es um. Sie konnten durch molekularbiologische Methoden bestimmte Bausteine des Schneckeninsulins isolieren und sie für die Konstruktion eines Hybrid-Moleküls verwenden. Dafür verknüpften sie diese Bausteine mit einer abgespeckten Version des Humaninsulins zu einem Gebilde, das nicht verklumpt und dennoch intensiv an den Insulinrezeptor menschlicher Zellen bindet.
Zurzeit wird das Mini-Insulin an Ratten getestet, denn die haben einen dem Menschen ähnlichen Zuckerstoffwechsel. Und es zeigte sich: Der innovative Hybridwirkstoff entfaltet die gleiche Wirksamkeit wie Humaninsulin, wirkt aber deutlich schneller. Mit nur wenigen strategischen Substitutionen haben die Forscher somit eine potente, schnell wirkende Molekularstruktur erzeugt, die das bisher kleinste, voll aktive Insulin darstellt. Nun will sich das Team der Umsetzung in ein Medikament widmen.
Alexandra Regner,
PTA und Journalistin
Quelle: wissenschaft.de