Blick auf einen bepflanzten Innenhof.© JurgaR / iStock / Getty Images Plus
Unterschiedliche Angebote in den Klöstern bieten die Möglichkeit, verschiedene Wege zu sich selbst zu gehen.

Achtsamkeit und Spiritualität

AUSZEIT IM SCHWEIGEKLOSTER

Was für eine wunderbare Vorstellung: entspannt sein, gelöst, ruhig, ohne inneren und äußeren Druck. Das empfinden Sie in Ihrem Apothekenalltag sicher eher selten. Und in Ihrer Freizeit? Ein Besuch im Schweigekloster könnte ein Weg sein.

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Mal ehrlich, wie oft wünschen Sie sich, dass die ganze Welt Sie einfach mal in Ruhe lassen soll? Sie müssen nicht gläubig sein, um das, was ich Ihnen vorschlage, wirklich zutiefst genießen zu können. Sie müssen sich nur auf eines einlassen – nein, auf zwei Dinge: auf Stille und auf sich selbst. Ich meine nämlich einen Aufenthalt im Schweigekloster.

Nein, es geht nicht ums Missionieren!

Woran Sie glauben, welcher Konfession Sie angehören, ob Sie konfessionslos sind – das alles ist für einen Besuch im Schweigekloster vollkommen ohne Belang. Sicher, Kloster ist Kloster, das heißt, die Menschen, die dort leben und arbeiten, unterliegen den spezifischen Kloster- und Glaubensregeln, aber wenn man als Gast dort ist und sich für eine Schweigezeit angemeldet hat, dann geht es um Achtsamkeit und Spiritualität, um Gesundheit und Körperarbeit, um Selbsterfahrung und Persönlichkeitsentwicklung.

Struktur im Tagesablauf gibt es indes, was meist bedeutet, dass frühes Aufstehen, Teilnahme an Morgen-, Mittag- und Abendgebeten, Meditation und Mahlzeiten miteinander erlebt werden können, aber nicht müssen. Nochmal: Es geht auch bei den Gebeten nicht darum, dass man den Glauben teilt, sondern, dass man sich auf Spiritualität allgemein, auf Kontemplation, auf Ruhe, geistige Entspannung und die Bereitschaft, etwas vom normalen Alltag Losgelöstes einlässt. Es geht um Offenheit des Herzens und nicht um Glaube oder tägliche Lebensrealität des Gastes.

Stille – schwer vorstellbar

Einen Tag lang gar nichts sagen und auch kaum etwas hören – überhaupt einfach Stille erleben. Normalerweise ist unsere moderne vernetzte digitale Welt tsunamiartigen Informations- und Kommunikationswellen ausgesetzt. Wir sind ununterbrochen am Produzieren und Empfangen von Geräuschen, sei es in persönlichen Gesprächen, am Telefon, über WhatsApp, Zoom, und, und, und. Schon erstaunlich, dass unser Gehirn das jahrelang mitmacht.

Eine enorme Leistung. Ruhe gönnen wir uns nur nachts. Können Sie sich vorstellen, eine Woche lang auf all das zu verzichten, mit kaum jemandem zu reden – auch nicht mit Ehemann/-frau oder Partner/-in –, kein Telefon zu benutzen, den Fernseher nicht einzuschalten, das Radio aus zu lassen? Einfach mal so zu tun, als gäbe es das alles nicht? Stimmt, das kann man sich nicht vorstellen – man muss es mal erlebt haben! Die Sehnsucht der Menschen nach Ruhe, ja, auch nach Schweigen ist groß.

„Stress, Straßenverkehr, Familie, Freunde, Veranstaltungen bilden die Grundlage für einen unentwegten Geräusch- oder gar Lärmpegel.“

Wie geht Stille überhaupt?

„Erst wenn der Lärm verstummt ist, kommt die innere Stimme zu Gehör.“ Der von Weisheit geprägte Satz wird Mönch Bernhard von Triest aus dem frühen Mittelalter zugeschrieben. Wie so oft bei Sinnsprüchen, ist auch hier die Aussage so einfach und auf so gut wie jeden Menschen anwendbar. Man nimmt jedoch seine eigene Stimme, also diejenige, die aus der Seele spricht, selber gar nicht mehr wirklich wahr, da man ununterbrochen auf die von außen einwirkenden Geräusche jeder Art hört.

Wo bleibt man selbst? Welchen Raum gibt man dem, was ganz tief in der Seele schlummert und so selten oder oftmals gar nicht an die Oberfläche gelangt? Verzicht auf Sprache und Geräusche hilft dabei, dass man sich auf sich selbst konzentriert, dass man sich der Dinge bewusst wird, die man schon lange mit sich herumträgt und vor denen man eigentlich ganz gerne Reißaus nimmt. Wie oft hinterfragen Sie – auf der Suche nach der eigenen Wahrhaftigkeit – Ihr Leben? „Immer weiter so“, ist natürlich eine Möglichkeit, aber dieser Weg führt fast zwangsläufig zu Unzufriedenheiten und Frust.

Es tut gut, sich zwischendurch auch mal den Spiegel vorzuhalten, ganz ehrlich mit sich zu sein und der Selbstkritik im positiven Sinne ausreichend Raum zu geben. Dazu bedarf es jedoch eines ablenkungsfreien Lebensraumes – auf Zeit. Lässt man sich darauf ein, wird man meist bereits nach kurzer Zeit mit Überraschung feststellen, dass die Sinne sensibilisiert wurden. Ja, man hat sie tatsächlich noch!

Warum Kloster?

Nun, Klöster sind im Allgemeinen und seit jeher Orte, an denen für die dort Lebenden und Arbeitenden Ruhe, innere Versenkung, Ablenkungsfreiheit und Zeit für die eigene Person – letzteres originär natürlich im Sinne des Glaubens – zum Alltag dazugehören. Die Voraussetzungen sind also von Haus aus da. Die Stimmung in einem Kloster wird getragen von der Idee des gemeinsamen Erlebens der Gemeinschaft, die jedoch nur so gut ist wie der Einzelne, der sich seiner eigenen Möglichkeiten bewusst ist, um sie für alle gewinnbringend einzusetzen.

Ein Aspekt, der in der modernen Wettbewerbsgesellschaft nahezu vollständig verloren gegangen ist, da jeder stets nach seinen Vorteilen suchen muss und nach seinen erbrachten Leistungen bewertet wird. Ein Klosteraufenthalt führt einem das belebende und erfüllende Gefühl tatsächlicher Gemeinschaft nicht nur vor Augen, sondern macht sie spätestens nach ein paar Tagen intensiv spürbar. 

„Der Aspekt des Schweigens verstärkt die Wirkung der inneren Sammlung, der Kontemplation und Selbstfindung.“

Was passiert denn beim Schweigen im Kloster?

Das ist schnell beantwortet: unglaublich viel. Auch wenn Sie sich das nicht vorstellen können, es wird ja kaum mal gesprochen, und es besteht auch keinerlei Bezug nach außen. Aber es geht den meisten Menschen so, dass sie nach den ersten paar Tagen, an denen sich das Gedankenkarussell noch dreht und der Entwöhnungsprozess – kein Handy, kein Radio, kein Buch, kein Fernsehen, kaum Gespräche mit anderen – erst mal abgeschlossen werden muss, eine wohltuende Entspannung empfinden.

Unterschiedliche Angebote in den Klöstern bieten die Möglichkeit, verschiedene Wege zu sich selbst zu gehen. Meditation, Yoga, gesunde Ernährung, spirituelle Übungen – für jeden ist etwas dabei, das die eigenen Horizonte nicht nur sichtbar macht, sondern auch erweitert. Aber eines ist wichtig: Es handelt sich besonders zu Beginn nicht um einen Urlaub im herkömmlichen Sinn. Urlaub von stressenden Einflüssen, ja, aber ansonsten ist die Teilnahme an den Schweigeprogrammen vor allem eine Beschäftigung mit sich selbst, die Blockaden lösen soll und viel Energie kosten kann.

Und was passiert danach?

Das liegt an jedem selbst. Klar, man kann spöttisch sagen, dass ein solcher Aufenthalt nur eine Flucht aus dem Alltag ist. Na und? Seit jeher hilft es dem Individuum, sich durch Flucht einer Gefahr zu entziehen und nun aufmerksamer und bewusster zu sein. Natürlich wird es nur schwer gelingen, stunden- oder tagelanges Schweigen in den modernen Alltag einzubauen. Aber es gibt einige Aspekte, die einen solchen Aufenthalt erstrebenswert machen.

Wir können vermeintlich unbedeutende Dinge besser wahrnehmen, wir begreifen leichter, was im eigenen Leben von Belang ist und was belastet. Wir geben unserer Psyche die Chance, durch diverse Meditationstechniken und andere Übungen zu mehr Gelassenheit und Entspannung im Alltag zu gelangen. Und was besonders spannend ist: Viele Gäste berichten, dass sie durch einen Aufenthalt im Schweigekloster begriffen haben, was Sprache bewirken kann, welche Kraft und sogar Macht Wörter haben.

Sie haben verstanden, dass es sinnvoll ist, sich bewusster mit Sprache zu befassen und sie entsprechend einzusetzen. Darüber hinaus lernen Sie, welchen Raum unnütze Kommunikation im Alltag einnimmt. Sie erleben Ihre Umwelt bewusster und intensiver. Ihre eigenen Wünsche und Bedürfnisse sind leichter von oberflächlichem „Haben-Wollen“ zu unterscheiden – Stichwort „Kleinigkeiten“ wahrnehmen. Sie werden sich über Ihr eigenes Leben klarer und können Richtungskorrekturen vornehmen. Sie haben gelernt, alltäglichen Herausforderungen gelassener und entspannter gegenüberzutreten. Wenn das keine lohnenden Aussichten sind!

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