Zwei alte Braunglasflaschen stehen nebeneinander, eines ist mit "Aether" beschriftet.
Äther nutzten Chirurgen lange als Narkosemittel. Hier steht es im Regal einer Arztpraxis zu Zeiten des ersten Weltkriegs. © Stephen Barnes / iStock / Getty Images Plus

Operationen | Medizingeschichten

30. MÄRZ 1842: ERSTE ÄTHERNARKOSE BEI EINEM CHIRURGISCHEN EINGRIFF

Es ist ein wenig tragisch: Im März 1842 verabreichte Crawford Williamson Long die erste Äthernarkose, um einen Tumor zu entfernen – und verbummelte, dies rechtzeitig zu publizieren. So heimste ein anderer die Lorbeeren ein.

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Der Weltanästhesietag wird eigentlich am 16. Oktober begangen. An diesem Tag im Jahr 1846 demonstrierte ein Zahnarzt die schmerzausschaltende Wirkung des Schwefeläthers bei einer öffentlichen Zahnextraktion. Doch schon vorher, 1842, hatte sich ein Chemiestudent namens William Clarke daran versucht, und einem Patienten auf dem Zahnarztstuhl von Elijah Pope eine schmerzfreie Operation beschert. In der Chirurgie wandte das Verfahren der Äthernarkose erstmals Dr. Long an, operierte damit den Tumor am Nacken des James Venable. Er berichtete der Öffentlichkeit aber erst sieben Jahre später davon – da hatte der Zahnarzt William Thomas Green Morton bereits die Ehrungen der Fachwelt entgegengenommen und Long verschwand ein wenig im Nebel der Medizingeschichte.

Crawford Willamson Long also: Er wurde am 1. November 1815 als Sohn eines Plantagenbesitzers geboren, studierte Medizin, machte eine Zusatzausbildung in Chirurgie, ließ sich als Arzt auf dem Land nieder, heiratete, zeugte zwölf Kinder. Bereits während seines Studiums frönte Long der damals durchaus üblichen Partydroge Diethylether. Als er wieder einmal mit seinen Kumpels zusammenkam, wollte man ein wenig Lachgas (Diststickstoffmonoxid) inhalieren. Da man die benötigten Apparaturen aber nicht da hatte, griff man auf Ether (auch „Äther“) zurück, was viel leichter zu beschaffen war – und Crawford, der Student, stellte zum wiederholten Male fest, dass dieses Gas anscheinend das Schmerzempfinden ausschaltete.

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Das veranlasste ihn zu einem mutigen Schritt: Er schlug später als Arzt seinem Patienten James Venable vor, die Entfernung von zwei zystischen Geschwülsten in dessen Nacken unter dem Einfluss des Rauschgases vorzunehmen. Möglicherweise, so formulierte es der Mediziner vorsichtig, würde er dabei keine Schmerzen empfinden. Venable, der den Eingriff bereits zweimal aus Angst vor eben diesen verschoben hatte, willigte ein, da er Ether ebenfalls von geselligen Zusammenkünften kannte und es mehrfach probiert hatte.

Long gab Ether auf ein Handtuch, hielt es dem Patienten vor die Nase, operierte fix den Tumor heraus und fand danach in Venable einen begeisterten Fan seiner ärztlichen Künste. Er durfte diese Methode gleich noch einmal, bei einem zweiten Tumor, anwenden, führte im Laufe der Zeit noch acht Operationen ähnlicher Art durch, unter anderem bei der Amputation eines Zehs.

Leider war Crawford Long so gar nicht eitel. Als Landarzt hatte er furchtbar viel zu tun, und ob sich seine „Äthernarkose“, wie er sie nannte, so ohne weiteres generalisieren ließ, dessen war er sich auch nicht sicher. So unterließ er eine wissenschaftliche Publikation. Erst befreundete Kollegen drängten ihn immer wieder, die Öffentlichkeit über seine Pioniertat zu informieren. Erst nach seinem Tod – er starb tragischerweise 1878 während einer Geburt – erhielt er all die Aufmerksamkeit, die ihm bereits zu Lebzeiten gebührt hätte.

Heute steht im Washingtoner Kapitol eine Statue, er erhielt eine eigene Briefmarke (in der Serie „Berühmte Amerikaner“) und die USA führten im Hinblick auf Crawford Longs Leistungen den „National Doctor’s Day“ ein. Eine weitere Statue gibt es in Jefferson, wo Long als Landarzt tätig war, und ein Krankenhaus erhielt seinen Namen.

Übrigens: Noch viel später kam heraus: Auch Crawford Long war streng genommen nicht der erste, der bei einer chirurgischen Operation eine Narkose verwendete. Vor ihm hatte das 1804 schon der japanische Arzt Hanaoka Seishu getan: Mit einer Mischung aus Scopolamin, Hyoscyamin und Aconitin versetzte er eine Patientin in Tiefschlaf, als er an ihr eine Mastektomie vornahm. Durchgesetzt hat sich diese Anästhesie-Methode jedoch nicht.

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Alexandra Regner,
PTA und Medizinjournalistin

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