Geburt
E-Learning-Fortbildung

Wann ist es denn soweit?

Noch etwas hinauszögern, ein wenig beschleunigen oder gar beenden? Nicht einfach, denn vieles muss im Verlauf einer Schwangerschaft und vor allem rund um den Geburtstermin berücksichtigt werden.

17 Minuten

Veröffentlichung der Teilnahmebescheinigung:
01. August 2020

17 Minuten

Uterotonika Zum Einsatz kommen hier Arzneimittel, die als Uterotonika bezeichnet werden. Zu ihnen zählen als Mittel der ersten Wahl Oxytocin und Prostaglandine.

Oxytocin Es ist ein Hypophysenhinterlappenhormon und zählt chemisch zu den Peptidhormonen. Es wird durch jede Art eines angenehmen Hautkontakts (Stillen, Massage) ausgeschüttet und ist ausschlaggebend an der Stressregulierung beteiligt. Oxytocin-Rezeptoren befinden sich an den Milchdrüsen der weiblichen Brust, an den Genitalien, Nieren, Herz, Pankreas und Thymus. Oxytocin gehört zu den körpereigenen, wehenauslösenden Hormonen. Es wirkt auf die glatte Muskulatur des Uterus kontrahierend, da die Zahl spezifischer Oxytocin-Rezeptoren im Myometrium während der Wehentätigkeit, nach der Geburt sowie im Wochenbett erhöht ist. Oxytocin erhöht die Kontraktionsfrequenz und stimuliert die Kraft der Uterusmuskulatur durch Erhöhung der intrazellulären Calcium-Aktivierung. Physiologisches Oxytocin hat eine Halbwertszeit von circa drei Minuten. Da Proteine bei oraler Zufuhr einfach „verdaut“ werden, ist nur eine parenterale Verabreichung Oxytocin-haltiger Arzneimittel möglich, die im Rahmen der klinischen Geburtshilfe eingesetzt werden. Sie stehen als Injektionslösungen zur Verfügung, die i.v., intramuskulär (i.m.) oder als Dauerinfusion (Wehentropf) gegeben werden. Alle Oxytocin-haltigen Fertigarzneimittel müssen im Kühlschrank zwischen zwei und acht Grad Celsius (°C) gelagert werden. Bezüglich der Haltbarkeit nach Öffnen des Behältnisses oder nach Herstellung der gebrauchsfertigen Zubereitung gilt Folgendes: Sie sind zur einmaligen Entnahme bestimmt und nicht verbrauchte Reste sind zu verwerfen. Für gebrauchsfertige, verdünnte Infusionslösung in Polyethylen-Beuteln oder in Glasflaschen ist für 72 Stunden eine wirksame Haltbarkeit nachgewiesen. Indikationen für Oxytocin sind neben der Geburtseinleitung auch der Einsatz bei Wehenschwäche. Ebenso wird Oxytocin zur Ausräumung nach Abort sowie nach der Geburt zur Blutungsprophylaxe und bei Blutungen in der Nachgeburtsphase eingesetzt. Die Dosierung ist individuell und richtet sich nach bestehender Indikation. Zur künstlichen Einleitung der Geburt mit geburtsreifer Zervix oder einer Wehenschwäche unter der Geburt werden 6 IE (Internationale Einheiten) in 500 ml einer Ringer-Lactat-Lösung oder einer anderen, geeigneten Plasmaersatzflüssigkeit oder 10 IE in 1000 ml entsprechender Infusionslösung verabreicht. In der Nachgeburtsperiode werden als Blutungsprophylaxe drei bis sechs IE Oxytocin als i.v.-Injektion gegeben. Bei einer Plazentalösungsstörung durch postpartale Atonie werden dre bis sechs IE Oxytocin als Injektion i.v. oder i.m. appliziert, gegebenenfalls 10 bis 20 IE Oxytocin auf 500 ml als Infusion. Zu den klassischen Nebenwirkungen unter Oxytocin zählt eine zu starke Wehentätigkeit, die mit gelegentlicher Dauerkontraktion der Gebärmutter (Tetanus uteri) einhergeht und daraus resultierend zum kindlichen Sauerstoffmangel (Hypoxie) führen kann. Es kann bei der Gebärenden zu Blutdruckanstieg, Tachykardie oder Bradykardie, Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Herzrhythmusstörungen und einer verminderten Wasserausscheidung kommen. Bei Ausbildung einer Wasservergiftung mit vermindertem Natriumgehalt des Blutserums kann es im schlimmsten Fall zur Bildung von Hirnödemen, Krämpfen und Koma führen. Kontraindikationen für die Verabreichung von Oxytocin sind die Überempfindlichkeit gegen Oxytocin, eine bestehende Präeklampsie oder die Neigung zu Tetanus uteri (Dauerkontraktion der Gebärmutter). Bei bereits hypertoner Wehentätigkeit, drohender Uterusruptur (Gebärmutterriss), einer Abruptio placentae (vorzeitige Plazentalösung), Vasa praevia (unreife Cervix) oder drohender Asphyxia fetalis. Darunter versteht man den akuten schwerwiegenden Sauerstoffmangel des Kindes infolge ungenügender Sauerstoffzufuhr. Auch bei einer Lageanomalie ist Oxytocin kontraindiziert. Mögliche Interaktionen bestehen zwischen Oxytocin und Prostaglandinen oder Methylergometrin, wobei es hier zu synergistischer Wirkung kommt. Die Entwicklung einer arteriellen Hypertonie bei gleichzeitiger Anwendung von Sympathomimetika zur Blutdrucksteigerung oder ein starker Blutdruckabfall bei gleichzeitiger Halothan-Narkose ist nicht selten.

Prostaglandine Es sind körpereigene Hormone, die ubiquitär (überall) im Organismus vorkommen. Sie werden auch als Gewebshormone bezeichnet, da sie im Bedarfsfall in den meisten Geweben gebildet und freigesetzt werden können. Ihre Halbwertszeit liegt zwischen zweieinhalb und fünf Minuten. Sie werden lokal von der 15-Hydroxyprostaglandin-Dehydrogenase zu inaktiven Metaboliten abgebaut. Aufgrund ihrer Biosynthese werden die Prostaglandine in unterschiedliche Gruppen eingeteilt. Prostaglandine der Serie I entstammen der Dihomogammalinolensäure, tragen den Index 1, wirken unter anderem sehr stark antiphlogistisch und setzen die Blutgerinnung herab. Prostaglandine der Serie II haben als Ausgangssubstanz die Arachidonsäure, sind mit dem Index 2 versehen und wirken antagonistisch zur Serie I. Sie verstärken eine Entzündung, führen zur Vasokonstriktion (Verengung der Blutgefäße), fördern die Blutgerinnung und aktivieren und verstärken die Schmerzwahrnehmung. Serie-III-Prostaglandine werden aus Eicosapentaensäure gebildet und verringern die Entstehung von Prostaglandinen der Serie II. Aufgrund ihrer Vielfältigkeit können sie an denselben Rezeptoren zu unterschiedlichen Effekten führen, die sie über die Second-Messenger-Systeme auslösen. So gehören Prostaglandine bei der Schmerzentstehung zu den wichtigsten Schmerzmediatoren, sind an Entzündungsprozessen wie Asthma bronchiale, Allergien oder Rheuma beteiligt und werden für den physiologischen Magenschutz benötigt. Ihre Konzentration steigt in den letzten Wochen der Schwangerschaft und während der Geburtsphase stark an. Hohe Konzentrationen von Prostaglandinen sind auch im Sperma zu finden. In der Gynäkologie werden bestimmte Prostaglandine aufgrund ihrer uteruskontrahierenden und zervixerweichenden Wirkung eingesetzt. So stehen Wirkstoffe wie Dinoproston, Misoprostol und Sulproston zur Verfügung.

Dinoproston Dinoproston wird auch als Minoprost E2 bezeichnet und steht zur vaginalen Anwendung als Vaginaltablette, Vaginalgel, Intrazervikalgel und als Vaginalinsert zur Verfügung. Dinoproston wird zur medizinisch indizierten Geburtseinleitung bei Schwangeren mit unreifer Zervix oder zur Einleitung der Zervixreifung in der Spätschwangerschaft eingesetzt. Im off-label-use wird es zur Weheneinleitung als Unterstützung bei einem medikamentösen Schwangerschaftsabbruch verwendet. Vaginaltablette und Vaginalgel werden in die Vagina eingebracht. Beim Intrazervikalgel befindet sich das Dinoproston-haltige Gel in einer Fertigspritze, deren gesamter Inhalt mittels eines beigefügten sterilen Katheters unter Sicht (Spiegel) in den Zervikalkanal, noch vor den inneren Muttermund, instilliert wird. Nach der Applikation soll die Patientin für mindestens 30 Minuten liegen bleiben. Ein Vaginalinsert ist ein vaginales Freisetzungssystem, das vom Arzt oder dem medizinischen Fachpersonal in die Vagina eingeführt und in der Nähe des Gebärmutterhalses (Zervix) platziert wird. Meist wird vor dem Einführen etwas Gleitmittel auf das Vaginalinsert geben. Es besitzt ein ausreichend langes Rückholband, das außerhalb der Vagina gelassen wird, um das Vaginalinsert bei Bedarf problemlos entfernen zu können. Das Vaginalinsert nimmt Feuchtigkeit aus der Vagina auf und setzt kontinuierlich Dinoproston frei. Nach dem Einlegen soll auch hier die Patientin für 20 bis 30 Minuten liegen bleiben.

Misoprostol Misoprostol, abgekürzt mit PG-E1, gehört zu den Prostaglandin-E1-Analoga und wird unter einer natürlichen Geburt bei unreifer Zervix oder zur Einleitung der Wehen bei Frauen mit unreifer Zervix ab der 37. SSW verwendet. Das Misoprostol-haltige Vaginalinsert hat als vaginales Wirkstofffreisetzungssystem eine kontinuierliche Freisetzungsrate von 7 Mikrogramm pro Stunde (7 μg/h) und kann über einen Behandlungszeitraum von bis zu 24 Stunden eingelegt bleiben. Auch für die orale Anwendung findet eine Tablette im Off-Label-Use breite Anwendung. Die orale Zubereitung ist laut Fachinformation zur Vorbeugung und Behandlung von medikamentenbedingten Magenschleimhautschädigungen (z.B. durch Antirheumatika und im Speziellen Acetylsalicylsäure), sowie zur Behandlung von akuten Zwölffingerdarm- und Magengeschwüren zugelassen. Für ihre Anwendung bei der Geburtseinleitung oder in der Nachgeburtsphase liegen laut Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) keine ausreichenden Daten zur Beurteilung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses vor. Dies wurde mittels Roter-Hand-Brief Mitte März 2020 gerichtet an alle Angehörige der Heilberufe kommuniziert.

Als übliche Nebenwirkung können unter einer Prostaglandin-Therapie Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Kopfschmerzen, Fieber sowie Schwindel auftreten. Möglich ist auch eine disseminierte, intravasale Gerinnung, das ist die Blutungsneigung, die durch einen massiven Verbrauch an Gerinnungsfaktoren entsteht. Selten kann es zur Uterusruptur, einer anaphylaktischen Reaktion oder einer uterinen Überstimulierung mit und ohne Beeinflussung der kindlichen Herzfrequenz kommen. Die Liste der Kontraindikationen für Prostaglandine ist lang. Selbstverständlich muss auf den Einsatz von Prostaglandinen verzichtet werden, wenn die Patientin allergisch darauf reagiert. Außerdem wenn bei der Mutter bereits vorausgegangene Uterusoperationen wie Kaiserschnitt oder Hysterotomie (operative Öffnung der Gebärmutter), Myomennukleation (Entfernung von Myomen), Mehrlingsschwangerschaften oder eine Multiparität (sechs oder mehr vorausgegangene Geburten) vorlagen. Auch wenn der Kopf des Kindes noch nicht in das Becken eingetreten ist, dürfen Prostaglandine nicht angewendet werden. Ebenso nicht bei ungeklärtem vaginalem Ausfluss und/oder anormalen Uterusblutungen während der aktuellen Schwangerschaft, bei vorliegenden Infektionen, beispielsweise einem Amnioninfektionssyndrom, bei regelwidriger Kindslage, bei Zervixläsion, vorzeitiger Plazentalösung oder vorliegendem Asthma bronchiale der Mutter.

Sulproston Als synthetisches Prostaglandin-E2-Derivat führt Sulproston zur Kontraktion der glatten Gebärmuttermuskulatur und gleichzeitig zur Erweiterung der Cervix uteri. Sulproston ist für die Vorbereitung einer instrumentellen Ausräumung der Gebärmutter, zur Geburtseinleitung bei intrauterinem Fruchttod sowie zur Behandlung atonischer Blutungen nach der Geburt (postpartale atonische Blutungen) zugelassen. Sulproston ist absolut kontraindiziert, wenn die Geburt eines lebensfähigen Kindes eingeleitet werden soll. Die intravenöse Gabe erfolgt kontinuierlich in einer Dosierung von 500 μg/h, wobei eine Dosis von 1500 μg in 24 Stunden nicht überschritten werden darf. Der Arzneistoff ist als Pulver in Ampullen abgefasst, die im Kühlschrank bei zwei bis acht °C gelagert werden müssen. Das Pulver dient zur Herstellung einer Infusionslösung, wobei diese gebrauchsfertige Zubereitung für zwölf Stunden im Kühlschrank zu lagern ist.

Mifepriston Hierbei handelt es sich nicht um ein Prostaglandin. Sein Einsatz in der Pharmakotherapie begründet sich auf der antagonistischen Wirkung an Glucocorticoid- und Progesteron-Rezeptoren. Es wird mit dreifach höherer Affinität im Vergleich zu Dexamethason und mit fünffach höherer Affinität im Vergleich zu Progesteron gebunden ohne dabei Effekte auszulösen. Als Glucocorticoid-Rezeptor-Antagonist wird Mifepriston zur Behandlung von endogenem Cushing-Syndrom eingesetzt, der auf zu hohe endogene Cortison-Spiegel (Hypercortisolismus) zurückzuführen ist. Indiziert ist Mifepriston auch zur Behandlung einer (sekundären) Hyperglykämie, die durch hohe Cortison-Spiegel im Blut verursacht wird. In der Gynäkologie eingesetzt, hemmt Mifepriston als Progesteron-Rezeptor-Antagonist oder Antigestagen, die Gestagen-Wirkung. Mifepriston ist auch als RU-486 oder „Abtreibungspille“ bekannt. Zugelassen ist Mifepriston für einen medikamentösen Schwangerschaftsabbruch in Kombination mit einem Prostaglandin, wobei die rechtlichen Grenzen für einen medizinischen Abort eng definiert sind. In diesem Rahmen ist die Abortauslösung bis zum 63. Tag der Schwangerschaft, ein Abbruch der Schwangerschaft aus medizinischen Gründen nach dem ersten Trimester oder eine Abortauslösung bei intrauterinem Fruchttod möglich. Ein medikamentöser Schwangerschaftsabbruch läuft streng nach einem bestimmten Zeitplan ab. Zunächst wird die Schwangerschaft durch einen Gynäkologen bestätigt, dann muss ein Aufklärungsgespräch in einer dafür geeigneten Beratungsstelle durchgeführt werden. Frühestens nach drei Tagen (3-Tage-Überdenkpflicht) und schriftlichem Einverständnis der Patientin, kann der Abbruch erfolgen. Es schließen sich weitere Untersuchungen mit Bestimmung der ß-HCG- Konzentration an. Das Einverständnis zu einem operativen Schwangerschaftsabbruch, für den Fall, dass die medikamentöse Methode nicht erfolgreich ist, wird eingeholt. Dann erst nimmt die Patientin Mifepriston oral unter Aufsicht eines Arztes ein und kann nach Hause gehen. Mifepriston führt innerhalb von 48 Stunden zum Öffnen des Muttermundes und Ablösung der Gebärmutterschleimhaut. Der Embryo stirbt. Falls es innerhalb von elf Stunden nach der Einnahme zum Erbrechen kommt, muss die Einnahme wiederholt werden. Nach 36 bis 48 Stunden schließt sich die Einnahme eines Prostaglandins, meist Misoprostol, an. Misoprostol bewirkt, dass sich die Gebärmutter zusammenzieht und ein künstlicher Abort ausgelöst wird. Nach circa drei Stunden wird die Frucht ausgestoßen. Eine abschließende Ultraschalluntersuchung bestätigt den Abort. Sollte dieser ausbleiben, muss ein operativer Eingriff durchgeführt werden.

Bärbel Meißner, Apothekerin

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