Hanfblatt. © surakit sawangchit / iStock / Getty Images Plus
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Cannabis
PTA-Fortbildung

Von der Rauschdroge zum Medizinalhanf

Hanf oder Cannabis sativa ist eine der ältesten Nutzpflanzen der Erde. Man stellte Seile und Papier aus seinen Fasern her – und nutzte von jeher auch die medizinische Wirkung der enthaltenen Cannabinoide.

16 Minuten

Für die Menschen des Altertums war der Hanf ein Gottesgeschenk. Die Pflanze wuchs überall, stellte kaum Ansprüche, und aus seinen Fasern ließen sich Kleidung und Seile in hoher Qualität herstellen. Mittelalterliche Langbögen wären ohne die robuste und widerstandsfähige Hanffaser, die enorme Zugkräfte aushält, nicht anzufertigen gewesen. Für die Schifffahrt war Segeltuch aus Hanf nicht wegzudenken – die Faser verträgt Salzwasser, ohne zu verrotten und sich übermäßig vollzusaugen. Ab dem 13. Jahrhundert fanden die spröden, haltbaren Hanfstängel ihren Weg auch nach Europa zum Zwecke der Papierherstellung. 1290 entstand in Nürnberg die erste Papiermühle.

Johannes Gutenberg druckte seine Bibel auf Hanfpapier und selbst die amerikanische Unabhängigkeitserklärung ist auf solches Papier gedruckt. Erst in der Mitte des 20. Jahrhunderts verdrängten Kunstfasern den Allrounder Hanf, der allerdings gerade in letzter Zeit – Anfang der 1990er Jahre - als Material für den Haus- und Autobau und als Basis für Farben und Waschmittel sowie in der Lebensmittelindustrie eine Renaissance erlebte. Doch Hanf besteht nicht nur aus den Stängeln, die ihn als wichtigen nachwachsenden Rohstoff für Textilindustrie und Bauwirtschaft ausweisen.

Sein Potenzial steckt mit über 400 Inhaltsstoffen ebenso in Blättern und Blüten sowie in den Blütenständen. Hier befinden sich rund 100 verschiedene Cannabinoide, genauer gesagt: in den Blütenständen der weiblichen Hanfpflanze. Diese Wirkstoffgruppe ist Cannabis-exklusiv, also nur hier zu finden, und zeigt ein weit gefächertes Wirkspektrum, das vom psychoaktiven Tetrahydrocannabinol (THC) bis zum nicht psychoaktiven Cannabidiol (CBD) reicht.

Lernziele

Lernen Sie in dieser von der Bundesapothekerkammer akkreditierten Fortbildung unter anderem

+ wie aus der illegalen Rauschdroge Cannabis ein verkehrsfähiges Arzneimittel wurde,
+ wann Cannabis medizinisch eingesetzt wird,
+ welche Angaben bei der Verordnung von Cannabis auf Rezept nicht fehlen dürfen, damit Sie keine Retaxation riskieren,
+ was bei der Prüfung der Blüten und des Extraktes in der Apotheke zu beachten ist,
+ wie Sie in der Rezeptur mit Cannabis vorgehen müssen und
+ was es mit dem Inhaltsstoff Cannabidiol und dem CBD-Öl auf sich hat.

Die Botanik Cannabis gehört zur Familie der Hanfgewächse (Cannabaceae), zu der beispielsweise auch der Hopfen zählt. Hanf ist eine meist einjährige krautige Pflanze, die bis zu fünf Meter Wuchshöhe erreichen kann. Sie stammt vermutlich ursprünglich aus der Himalaya-Region, ist aber mittlerweile auf der ganzen Welt verbreitet. Die Blätter mit ihrem markanten gezähnten Rand sind handförmig zusammengesetzt, wachsen im unteren Bereich zur endständigen Blüte hin vorwiegend gegenständig, weiter oben wechselständig. Männliche und weibliche Blüten wachsen in der Regel auf unterschiedlichen Pflanzen. Cannabinoide, Terpenoide und andere flüchtige Substanzen werden von Trichomen abgegeben.

Das sind haarähnliche Strukturen, die auf den Kelch- und Tragblättern weiblicher Hanfpflanzen auftreten. Als Carl von Linné 1753 seine Systematisierung der Fauna und Flora aufsetzte, ging er noch von einer einzigen Art, nämlich Cannabis sativa, dem gewöhnlichen Hanf, aus. Lamarck führte dann später Cannabis indica, den indischen Hanf ein – und zwar aufgrund morphologischer Merkmale und der berauschenden Wirkung als eigene Art. Der russische Botaniker Dmitrij E. Janischewsky beschrieb 1926 Cannabis ruderalis, den Ruderal-Hanf, als dritte Art. Zwar lieferte Karl W. Hillig 2003 eine ausführliche genetische Untersuchung ab und bestätigte dabei Cannabis sativa und Cannabis indica als eigenständige Arten. Die Art „Cannabis ruderalis“ konnte er jedoch nicht nachweisen.

Nichtsdestotrotz wird weiterhin an einer monotypischen Hanf-Gattung mit entsprechenden Unterarten festgehalten. Das hat weitreichende Folgen für die pharmazeutische Betrachtung, da in der Monographie des Deutschen Arzneibuches explizit nur Cannabis sativa genannt wird. Auf dem legalen und illegalen Markt sind jedoch zahllose gezüchtete Sorten erhältlich – diese Sorten, egal ob indica oder sativa, unterscheiden sich massiv in ihrem Inhaltsspektrum. In der pharmazeutischen Praxis hat sich daher die Bezeichnung von Cannabis und die Nennung der Sorte – also etwa „Cannabis Sorte Bedrocan“ – durchgesetzt.

Umstrittene Pflanze Während in Ostasien und in Europa lange Zeit die Fasergewinnung und Samenproduktion im Vordergrund stand und auf einen hohen THC-Gehalt kein Wert gelegt wurde, stand in Indien, Afrika, Südasien und dem mittleren Osten die psychoaktive Wirkung im Vordergrund. Selten gab es eine umstrittenere Pflanze: Für den einen symbolisierte sie den gefährlichen Genussrausch, für den anderen bedeutete sie die „Milch der Götter“. Plinius der Ältere schreibt, dass Hanf Schmerzen lindere, Pedanios Dioscurides berichtet von Hanf als einem Mittel gegen Ohrenschmerzen. Aus Hanf wurden bis in die Neuzeit Mittel zur Linderung der Wehenschmerzen und nachgeburtlicher Symptome gewonnen.

Hildegard von Bingen empfahl differenziert die Anwendung von Hanf, zum Beispiel bei Migräne, und auch der berühmte Arzt Avicenna reichte Hanf gegen Kopfschmerzen. Ein heutiges Heilpflanzenbuch beschreibt die Wirkung der Pflanze als angstlösend, antidepressiv, euphorisierend, stimulierend, schmerzlindernd, muskelentspannend, antiepileptisch, bronchienerweiternd, blutdrucksenkend und stimmungsaufhellend. Darin ist zu finden, dass Hanf als bestens verträgliches Mittel zur Behandlung von Übelkeit und Erbrechen gilt.

Auch die schmerzlindernden und krampfstillenden Eigenschaften bei Muskelanspannungen und Kopfschmerzen konnten nachgewiesen werden. Hanf als Medizin führt außerdem zu einer deutlichen Senkung des Augeninnendrucks bei Glaukom sowie zu einer Steigerung des Appetits und Stimmung bei schweren Erkrankungen. Alle diese Wirkungen sind Gründe dafür, dass sich die Medizin der Neuzeit ernsthaft für den Hanf zu interessieren begann. Aus einer illegalen Rauschdroge wurde ein verschreibungs- und verkehrsfähiges Arzneimittel für schwerkranke Patienten.

Am 19. Januar 2017 gab es aufgrund eines einstimmigen Beschlusses des Deutschen Bundestages Änderungen für den Einsatz als pharmazeutisch-medizinischen Wirkstoff von Cannabis – ein Beschluss, der am 10. März 2017 in Kraft trat. Die Droge kann somit in verschiedenen Zubereitungen in der Apotheke abgegeben werden, zum Beispiel als Ölige Dronabinol-Tropfen (NRF 22.8) oder als Ölige Cannabisölharz-Lösung (NRF 22.11). Sie unterliegt dem Betäubungsmittel-Gesetz und ist somit in Herstellung und Rezeptur besonderen Anforderungen und Dokumentationen unterworfen. Besonderer Aufmerksamkeit bedarf es auch bei der abschließenden Beratung bei der Abgabe an den Kunden, vor allem in Bezug auf die Compliance, Handhabung und Anwendung.

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