SARS-CoV-2
PTA-Fortbildung

Long-COVID – Langes Nachspiel

Mit Fortschreiten der COVID-19-Pandemie zeigt sich, dass immer mehr Infizierte noch Wochen und Monate nach einer Infektion mit dem Erreger SARS-CoV-2 von Spät- und Langzeitfolgen betroffen sind. Was steckt dahinter und was können Sie Betroffenen raten?

21 Minuten

Veröffentlichung der Teilnahmebescheinigung:
01. April 2023

Experimentelle Therapien

Neben dem Einsatz von Pro- und Präbiotika werden noch diverse Behandlungsoptionen erforscht. Dabei stellen die verschiedenen Erklärungsmodelle zur Ursache der Long-COVID-Problematik häufig einen potentiellen Ansatzpunkt für Therapien dar. Eine große Studie aus Großbritannien testet beispielsweise gleich mehrere Medikamente gegen Long-COVID.

Ausgewählt wurden die beiden Antihistaminika Famotidin und Loratadin, der Gerinnungshemmer Rivaroxaban sowie Colchicin als entzündungshemmender Wirkstoff – also alles Substanzen, für die plausible Mechanismen zur Wirksamkeit bei Long-COVID postuliert werden. Zugleich kamen sie bereits bei Patienten mit Langzeitsymptomen mit Erfolg zur Anwendung. 

In der Praxis werden noch viele weitere Medikamente erprobt, nicht alle immer in großen Studien. Unter anderem gibt es Versuche mit Immunsuppressiva, um eine fehlgeleitete Immunreaktion zu verhindern. Beispielsweise erhalten Long-COVID-Patienten Sirolimus, einen Wirkstoff, der nach einer Transplantation eine Organabstoßung verhindert. Ebenso werden Corticosteroide gegeben, die schon bei der Therapie schwerer akuter Krankheitsverläufe erfolgreich zum Einsatz kamen.

Aus dem Arzneimittelrepertoire für akute SARS-CoV-2-Infektionen stammen auch verschiedene Virustatika (z. B. Molnupiravir, Remdesivir, Nirmatrelvir). Hier erhofft man sich vor dem Hintergrund der Annahme, dass im Körper verbleibende Viren zu Langzeitfolgen führen, auch bei Long-COVID Therapieerfolge. Eine aktuelle US-Studie, die gerade erst als Preprint veröffentlicht wurde, untermauert diese These.

Ihre Ergebnisse deuten darauf hin, dass eine Behandlung mit der Kombination aus Nirmatrelvir und Ritonavir (Paxlovid®) während der akuten Krankheitsphase bei COVID-19 das Risiko für Long-COVID-Symptome verringert. Andere Ansätze zielen insbesondere auf die Behandlung von Patienten mit dem Chronischen Fatigue-Syndrom ab. Bei ihnen sollen die kognitiven Fähigkeiten beispielsweise mit dem Antidepressivum Vortioxetin verbessert werden. 

Neue Wirkstoffe gegen Long-COVID

Aber auch neue Wirkstoffe werden bei Long-COVID-Patienten getestet, die sich noch im Zulassungsverfahren befinden. Beispielsweise sollen die Medikamente RSLV-132 und BC 007 Auto-Antikörper wirkungslos machen. BC 007 ist für Long-COVID-Patienten in Erprobung, bei denen durch spezielle Auto-Antikörper die Mikrozirkulation in der Retina des Auges gestört ist. Auf dem kürzlich in Jena stattgefundenen ersten interdisziplinären Fachkongress zu Long-COVID wurde vom Hersteller von BC 007 eine Phase-II/II-Studie in Aussicht gestellt, die Anfang 2023 starten soll.

Gegen Auto-Antikörper sowie Gerinnungsfaktoren oder entzündungsfördernde Proteine richten sich auch spezielle Blutreinigungsverfahren (Immunadsorption/HELP-Apherese), die von einigen Kliniken ambulant durchgeführt werden. Dabei wird das Blut gefiltert, um unter anderem Antikörper, Gerinnungsfaktoren oder entzündungsfördernde Proteine zu entfernen. Allerdings warnen derzeit wissenschaftliche Fachgesellschaften vor diesen Blutwäscheverfahren bei Long-COVID, da weder die Bedeutung der Antikörper noch die Wirksamkeit dieser Verfahren in diesem Zusammenhang wissenschaftlich bewiesen sind. 

So kommt die Deutsche Gesellschaft für Nephrologie, die in Deutschland die Richtlinien für die Apheresebehandlung festlegt, in ihrer kürzlich veröffentlichen Stellungnahme (August 2022) zu dem Schluss, dass ohne fundierte wissenschaftliche Daten keine Empfehlung für die Durchführung dieser Therapieverfahren ausgesprochen werden kann, zumal bei unsachgemäßer Anwendung schwere Komplikationen möglich sind.

Allerdings merkt sie zugleich an, dass sie alle Aktivitäten, die auf ein wissenschaftlich gestütztes, systematisches Vorgehen im Umgang mit Plasmapherese, Immunadsorption und Lipoproteinaphereseverfahren bei Patientinnen und Patienten mit Long-COVID-Syndrom abzielen und entsprechende Daten in ein Register einbringen, begrüßt.

Symptomorientiert und interdisziplinär

Somit machen viele der experimentellen Therapieoptionen Hoffnung, doch letztendlich steht zurzeit noch keine allgemein anerkannte Behandlung zur Verfügung, die Long-COVID ursächlich bekämpft. Ärzte behandeln die individuellen gesundheitlichen Langzeitfolgen bislang vielmehr symptomorientiert, wobei meist eine interdisziplinäre ambulante Versorgung erfolgt. Dafür werden neben einer medikamentösen Therapie vor allem Physiotherapie (z. B. Krankengymnastik, Atemtherapie), Sporttherapie (z. B. Training von Belastbarkeit oder Hirnleistungstraining), Logopädie (z. B. Sprech- oder Schlucktherapie) sowie psychotherapeutische Verfahren als sinnvoll erachtet und eingesetzt.

Hilfe für Betroffene

Erste Anlaufstelle für Long-COVID-Patienten stellt die Hausarztpraxis dar. Diese kann an Fachärzte, spezielle Therapeuten und Ambulanzen weiterleiten und die verschiedenen interdisziplinären Therapiemaßnahmen koordinieren. Inzwischen wurden an verschiedenen Universitätskliniken sowie anderen Krankenhäusern und Instituten spezielle Post-COVID-Ambulanzen eingerichtet, die sich um Kinder und Jugendliche sowie Erwachsene mit Langzeitsymptomen kümmern.
Bei der Suche nach der geeigneten Klinik unterstützt die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DGK). Auf ihrer Website können Betroffene unter https://dkgev.deutsches-krankenhaus-verzeichnis.de/app/suche nach Krankenhäusern suchen, die Long-COVID-Patienten betreuen. Wird eine Rehabilitation notwendig, bietet die Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation einen Überblick über Rehakliniken mit einem Angebot zu Long- oder Post-COVID. Genaueres zum Inhalt einer Reha und dem Beantragungsprozedere finden Betroffene wiederum auf der Website www.longcovid-info.de.
Wer den Austausch zu anderen Betroffenen mit Long-COVID sucht, kann einen Überblick über die zahlreichen Selbsthilfegruppen auf der Website der Nationalen Kontakt- und Informationsstelle zur Anregung und Unterstützung von Selbsthilfegruppen gewinnen. Eine Gruppe in der Nähe können Betroffene unter www.nakos.de finden. Viele weitere nützliche Links von Anlaufstellen für vertiefende Informationen und Hilfsangebote finden sich zudem auf der Long COVID-Informationsseite der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA).

Ausblick

Hoffnung machen auch die COVID-19-Impfungen. Nicht nur, dass sie die akute Krankheitsphase einer SARS-CoV-2-Infektion positiv beeinflussen. Daten wie beispielsweise die Ergebnisse der britischen ZOE Health Study legen nahe, dass (vollständig) Geimpfte seltener Long-COVID bekommen. Dies bestätigt auch eine Metastudie der britischen Gesundheitsbehörde UK Health Security Agency, die 15 Studien zusammenfasst.

Demnach ist die Wahrscheinlichkeit, nach einer SARS-CoV-2-Infektion an Long-COVID zu erkranken, bei geimpften Personen geringer als bei ungeimpften. Zudem scheinen auch ungeimpfte Personen von einer Impfung profitieren, die in Folge einer Infektion unter Long-COVID litten und sich erst nachträglich impfen ließen. Sie wiesen durchschnittlich geringere und weniger starke Long-COVID-Symptome auf als diejenigen, die ungeimpft blieben.


Gode Chlond, Apothekerin

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