Schneespuren © Kurguzova / iStock / Getty Images
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Gesunde Füße

WER BARFUSS GEHT, HAT MEHR VOM LEBEN

Im Sommer sehen wir sie häufiger, doch jetzt, im Winter, verstecken sie sich wieder hinter dickem Schuhwerk: unsere Füße. Nackt sind sie jedoch ein Wunderwerk der Evolution.

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Wenn Eltern ihr neugeborenes Kind das erste Mal auf den Arm nehmen, tun sie oft eines: Sie betasten die winzig kleinen Füße und Hände und bewundern deren Vollkommenheit. Sie tun recht damit. 26 Knochen, 20 Muskeln, 107 Bänder und 200 Sehnen sind in so einem Fuß versteckt und 70 000 Nerven enden hier. Füße kombinieren ein Sinnes- mit einem Bewegungsorgan und gleichen damit den Händen.

Wenn wir laufen lernen, melden sie ständig Standort, Bodenbeschaffenheit und Temperatur ans Gehirn – und vor allem die Stellung des Fußes im Vergleich zum Unterschenkel, also den Winkel unseres Körpers zum Erdboden. Wie empfindsam die Fußsohle ist, merkt man spätestens, wenn man ein Steinchen im Schuh hat. Nicht nur die Traditionelle chinesische Medizin (TCM) weiß, dass die Energieleitbahnen unseres Körpers an den Füßen ihre Ausgangs- beziehungsweise Endpunkte haben, was man sich bei der Akupunktur oder der Fußreflexzonenmassage zunutze macht.

Auf nackten Füßen zur Uni Barfußgehen ist gesund. Eine Studie vom April verdeutlicht das: Sportmediziner aus Deutschland und Südafrika untersuchten dafür die Füße von insgesamt 1015 Kindern und Jugendlichen im Alter von 6 bis 18 Jahren. In der südafrikanischen Westkap-Provinz rund um die Stadt Stellenbosch ist das Barfußgehen bei Kindern und Jugendlichen sehr verbreitet, und zwar unabhängig vom sozialen Status. Selbst die Studenten gehen dort barfuß zur Uni. Die Versuchsteilnehmer aus Deutschland wiederum trugen die meiste Zeit des Jahres Schuhe. Die Forscher beobachteten die Kinder beim Gehen, Laufen, Weitspringen und Balancieren.

Heraus kam: Schuh-Kinder neigen eher zu den sogenannten „Plattfüßen“. Ihr Fußgewölbe war im Schnitt um acht bis zwölf Prozent flacher als das der Barfuß-Kinder. Die südafrikanischen Schüler konnten zudem aus dem Stand drei Zentimeter weiter springen und machten beim Balancieren auf einem Balken weniger Fehler. Der Hamburger Sportmediziner Karsten Hollander schlussfolgert daraus: „Ob man barfuß aufwächst, hat großen Einfluss auf die Fußentwicklung, das Gangbild und die körperliche Leistungsfähigkeit.“ Er rät Eltern, ihre Kinder viel barfuß gehen zu lassen. Das mache den Kleinen Spaß, denn Füße seien auch ein Tastorgan, haben genauso viele Nervenzellen wie Hände – nur seien sie bei den Erwachsenen zum Teil verkümmert.

Barfußlaufen ist zwar sehr gesund, doch trotzdem sollten Diabetiker damit vorsichtig sein. Sie können durch eventuell vorhandene Polyneuropathien an den Füßen Verletzungen schlecht erspüren.

Moderne Laufschuhe Um unsere Füße zu verstehen, müssen wir begreifen, dass sie einmal Tastorgane waren (es hilft übrigens, im Zoo vor dem Gehege der Menschenaffen stehen zu bleiben und ihnen ein wenig zuzusehen). Der große Zeh der Affen ist noch in der Lage, sich in den Bäumen festzukrallen – unser großer Zeh ist im Laufe der Entwicklung zum aufrechten Gang nach vorn gewachsen und erfüllt nun die Funktion eines Hebels. Er schiebt uns nach vorn. Gehen ist eine Kombination aus nach vorn fallen und einer Schubbewegung nach oben.

Der Fuß ist mit seinem ausgeklügelten Gewölbe (Leonardo da Vinci diente er sogar als Vorbild für Brückenbauten) in der Lage, den Aufprall zu dämpfen und ihn gleichmäßig auf das Skelett zu verteilen. Moderne Laufschuhe – Jogger wissen das – möchten dem Fuß diese Dämpfung abnehmen, indem deren Sohlen mittels viel Hightech die Wölbung nachahmen – was zur Folge hat, dass der Aufprall kinetisch ans Knie abgegeben wird, das nicht als Stoßdämpfer gebaut ist.

Barfußläufer haben nachweislich weniger Knieprobleme. Nun hat die Lust am Barfußlaufen auch viel mit dem Wetter zu tun. Wenn es draußen warm und trocken ist, bringt es Spaß, die Zehen in den Boden zu krallen, was sicherlich ein Grund dafür ist, dass in den wärmeren Ländern viel mehr barfuß gelaufen wird. Doch auch bei uns hat sich eine Fangemeinde um den „natürlichen Laufstil“ gebildet. Wer Verletzungen fürchtete, kann mittlerweile unter einem großen Angebot von minimalistischen Schuhen mit dünner, flexibler Laufsohle wählen, die das Gefühl vermitteln, barfuß zu gehen.

Über High Heels Wer jetzt seine „normalen“ Schuhe wegwirft und nur noch auf Barfußschuhen wandeln möchte, der sei gewarnt: Unsere Füße sind untrainiert so verzärtelt worden, dass sich die ursprüngliche Muskulatur erst wieder aufbauen muss. Denn „schicke Schuhe“, vor allem bei den Damen, widersprechen so ziemlich allen Anforderungen, die ein Fuß an den Boden hat. Wo er seine Zehen gebrauchen möchte, da läuft der Schuh spitz zu, Kontakt zum Boden ist nur über die Zehenballen möglich. Um die ganze Sache noch komplizierter zu machen, schränkt ein Absatz die Gleichgewichtsfindung stark ein.

Das ganze Körpergewicht landet wiederum auf den Ballen, sodass 70 Kilogramm (oder mehr) auf Zehenspitzen gehen müssen. Das Tragen von High Heels fördert die Bildung von Spreizfüßen und Krallenzehen, weil das Fußquergewölbe auseinandergedrückt wird, die Großzehe nach außen wandert, was dann zur Spreizung des Grundgelenks führt – Hallux valgus und der Spreizfuß bedingen sich gegenseitig. So ist es nicht verwunderlich, dass ein Umstellen auf Barfußlaufen ein völlig neues Körpergefühl vermittelt. Es werden Muskelgruppen, Sehnen und Gelenke beansprucht, die vorher nicht gebraucht wurden, andere wiederum dürfen sich erholen. Neueinsteiger im Barfußlaufen schildern daher einen regelrechten Muskelkater in den ersten Tagen.

Barfuß gesund werden Carsten Stark, Heilpraktiker und Erfinder der sogenannten „Fußkartografie“ mit Praxis in München und Autor mehrerer Bücher zum Thema, zählt die positiven Auswirkungen auf die körperliche Gesundheit auf: Barfußgehen regt die Blutzirkulation durch eine verbesserte Muskelkontraktion an und stärkt unsere koordinativen Fähigkeiten – was besonders im Alter wichtig ist, da es Stürzen vorbeugt.

Es kommt zu einer allgemeinen Leistungssteigerung und hat Auswirkungen auf das „gute“ Cholesterin. Dabei sinken auch noch die Harnsäurewerte. Die Wirbelsäulenmuskulatur wird auch in tieferen Muskelschichten gestärkt, was Rückenprobleme manchmal ganz verschwinden lässt. Er bilanziert: „Unsere Füße sind ein Wunderwerk. Sie sind Sinneswerkzeug, Fortbewegungsmittel, Stabilitätsgarant und unsere einzige Verbindung zum Erdboden. Unser natürlicher Gang ist ein perfekt funktionierendes Ineinandergreifen von Abläufen.“ Das wusste übrigens auch der Äthiopier Abebe Bikila. 1960 gewann er in damaliger Weltbestzeit den olympischen Marathon – und zwar barfuß.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 12/18 ab Seite 134.

Alexandra Regner, PTA und Journalistin

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