Frauen © gpointstudio / iStock / Getty Images
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Bücher, von denen man spricht

UNVERSCHÄMT

Die meisten Frauen kennen ihren Körper leider viel zu wenig, dabei sind die Basics der Gynäkologie auch nicht komplizierter als eine Netflix-Serie. Das behauptet die Frauenärztin Dr. med. Sheila de Liz.

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Es ist immer wieder dasselbe: Wenn Sheila de Liz auf eine Grillerei geht und es kommt heraus, dass sie Gynäkologin ist, sitzt sie irgendwann zu später Stunde inmitten einer Runde von weiblichen Partygästen. Man ist relativ ungestört, da sich die Männer nach dem Verzehr des Fleisches in der Küche befinden und sich über Rennräder und Whisky-Sorten unterhalten. Und die Damen, sie feuern dann Fragen ab: Was ist besser für den Beckenboden, ein Kaiserschnitt oder die normale Geburt? Überhaupt, wann ist man zu alt, um ein Baby zu bekommen? Wie wichtig ist es, Baumwollunterwäsche zu tragen? Warum soll man nach jedem Sex pinkeln? Gibt es den G-Punkt wirklich? Und wie ist das eigentlich mit Schamlippen-OPs? Sind viele Frauen untenrum noch unrasiert? (Echt???)

Witzig – und so wahr Um diesem Missstand ein Ende zu bereiten, hat de Liz ein schönes Buch geschrieben, mit dem Titel „Unverschämt“, in dem alle, auch die oben gestellten Fragen, erschöpfend beantwortet werden. Zum Beispiel über „Do it yourself“, über normale und unnormale Perioden, über „Juckpulver im Schritt“ oder über „Earth, Wind und Feigwarzen“. Man liest darin, wie man sich richtig die Brust abtastet („Milchreis oder Wackelpudding?“), was es alles für fiese Bakterien gibt und wo sie lauern, wie man zeitgemäß verhütet und – ja, auch was es alles für Schamhaarfrisuren gibt und wie sie heißen. Was sich de Liz nach ihrem eigenen ersten Frauenarztbesuch mit 17 geschworen hat: So soll es nie sein.

„Meine Ärztin war sehr ruppig, redete nicht viel, und die zwei Fragen, die ich mich getraut hatte zu stellen, beantwortete sie knapp und leicht genervt. Sie fragte mich weder, ob ich schon mal Sex gehabt hatte (ich war noch Jungfrau), noch erklärte sie mir richtig die Pille, die sie mir dann verschrieb – das tat im Anschluss die Arzthelferin.“ Und die Autorin findet den richtigen Ton, ob sie nun über intimste Dinge schreibt oder über Hormone während der Wechseljahre. „So wie Jamie Oliver die Kochkunst für jedermann zugänglich gemacht hat, sehe ich es als meine Berufung, neben der eigentlichen Gynäkologie Frauen ihren Körper und deren Besonderheiten locker und easy zu erklären. Denn wenn eine Frauenärztin es nicht macht, wer dann?“

Es ist durchaus interessant, einmal zu erfahren, was dieser Arzt denn nun genau sieht, wenn man im Spezialstuhl liegt und nur er den ungehinderten Blick hat. Und es ist auch notwendig, denn sonst könnte frau Schwierigkeiten haben, zu verstehen, was für körperliche Vorgänge bei der weiblichen Sexualität vor sich gehen – denn diese passieren ja, anders als beim Mann, im Verborgenen. Ein Kapitel widmet sich explizit dem weiblichen Orgasmus und dem einzigen Organ, das die Natur uns allein zu dem Zweck geschenkt hat, Vergnügen zu spenden.

»Ich bin davon überzeugt, dass es ein universelles Gesetz gibt: Die Wahrscheinlichkeit, schwanger zu werden, verhält sich umgekehrt proportional zu der Menge an Google-Suchen. Je mehr du dich verrückt machst, desto länger dauert es.« Dr. med. Sheila de Liz über den Kinderwunsch

Das Baby, es will nicht kommen Wer sich Kinder wünscht und die Schwangerschaft lässt auf sich warten, unterliegt manchmal einem hohen Leidensdruck. De Liz ist überzeugt, dass der selbst auferlegte psychische Druck diese umso mehr verhindert oder verzögert, je größer dieser ist. Sie weiß aber auch: Wenn man erst einmal in diese psychische Mühle geraten ist, ist es schwer, da wieder rauszukommen. Doch eine Schwangerschaft ist nicht komplett planbar: „Sie ist ein Naturereignis, das sich einstellt, wenn die Natur es will.“

Und trotzdem: „Es ist manchmal unfair.“ Bei bestimmten Parametern schickt sie ihre Patientinnen frühzeitig in die Kinderwunsch-Kliniken, aber bei den meisten wartet sie zwölf Monate ab. Eins weiß sie aber: An langfristiger Einnahme eines Kontrazeptivums liegt es nicht, wenn die Frau nicht schwanger wird: „Die Pille setzt den eigenen Zyklus lediglich in den Flugmodus, wie beim Handy vor dem Abflug in den Urlaub. Nach Absetzen der Pille schalten wir den Flugmodus aus und haben wieder Empfang.“

Times are changingEin besonderes Anliegen ist der Ärztin der medizinische Umgang mit den Wechseljahren. Es ist ja schon schlimm genug, was uns da von Mutter Natur zugemutet wird: Man isst das gleiche wie vorher – und nimmt zu. Die Brust, sie hängt, der Bart, er sprießt und Alkohol verträgt man auch nicht mehr so gut. Die Fältchen um die Augen sind mittags immer noch nicht verschwunden. Hitzewallungen, Schlaflosigkeit, Gereiztheit – „Eins kann ich dir schon mal verraten“, wendet sich de Liz fast ein wenig streng an die Leserin: „Du musst da nicht durch. Es ist nicht unser Schicksal, Beschwerden still hinzunehmen und auszuhalten und es ist weder persönlich förderlich noch langfristig gesund, mit einem Hormonmangel herumzulaufen.“

Wer sich dann mit der Autorin zusammen durch seitenweise Studien gearbeitet hat, weiß: Der schlechte Ruf von Hormonpräparaten basierte auf Halbwahrheiten und Missinterpretationen und es ist keineswegs so, dass Hormonersatzpräparate in den Wechseljahren das Brustkrebs-Risiko steigern. De Liz setzt in ihrer Praxis auf Bioanalogika und hat damit beste Erfahrungen gemacht. Sie weiß: Je früher man generell mit der Behandlung anfängt, desto besser, am allerbesten sei es, bereits im Alter zwischen 40 und 50 anzufangen: „Weil so die besten Chancen bestehen, das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei sonst gesunder Lebensführung zu minimieren. Eine frühzeitig eingeführte Therapie sorgt langfristig für stabile Knochen, senkt vermutlich das Risiko für Diabetes und erhöht nicht maßgeblich das Risiko für Brustkrebs.“

Hormone gehen um 90 Prozent zurück Unter vielen Medizinern der alten Schule sei da nach wie vor die Denke der Nachkriegszeit verbreitet, „dass man da durchmuss“. Jedoch: Frauen verlieren mit dem Eingang in die Postmenopause innerhalb weniger Jahre 90 Prozent ihrer hormonellen Versorgung – „und keiner redet darüber“, sagt de Liz. Sie vergleicht die Einnahme von Hormonen gern mit der Substitution von L-Thyroxin bei Schilddrüsenfehlfunktionen oder der Gabe von Insulin bei Diabetes – hier käme ja auch niemand auf die Idee, sie abzusetzen, bloß weil es Hormone sind. Übrigens: de Liz ist das Thema so wichtig, dass sie ihm ein eigenes Buch gewidmet hat. Es soll im Herbst erscheinen und heißt „Woman in Fire.“

Den Artikel finden Sie auch in der Sonderausgabe Frauengesundheit der PTA IN DER APOTHEKE ab Seite 86.

Alexandra Regner, PTA und Journalistin

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