Wissen intensiv – Teil 2
UMGANG MIT DER WAAGE – KENNZEICHNUNGSSCHILD
Seite 1/1 6 Minuten
Eine hohe Genauigkeit bei der Einwaage von Wirkstoffen, aber auch von Hilfsstoffen hat für die richtige Dosierung des Arzneimittels zentrale Bedeutung und steht daher im Mittelpunkt einer wirksamen Arzneimitteltherapie. Nur wenn eine korrekte Dosierung möglich ist, kann letztlich der angestrebte Behandlungserfolg erzielt werden.
Daher müssen bei der Rezepturherstellung Unter- und Überdosierungen von Wirkstoffen vermieden werden, die meist Folge eines fehlerhaften Umgang mit der Waage sind, wie bei der Auswertung der bundesweiten Ringversuche des Zentrallaboratoriums Deutscher Apotheker zur Qualitätssicherung von in Apotheken hergestellten Rezepturen festgestellt werden konnte.
Ursachen Zunächst beruhen fehlerhafte Einwaagen häufig auf Flüchtigkeitsfehlern, die Folge einer ungenügenden Konzentration des Rezeptars auf seine Tätigkeit, die Arzneimittelherstellung, sind. Ein Grund ist beispielsweise das Abberufen des Herstellenden in den Handverkauf, infolgedessen es zu Ablesefehlern beim Einwiegen oder zum Stehenlassen unverarbeiteter flüchtiger Substanzen kommt. Diesen Flüchtigkeitsfehlern kann nur vorgebeugt werden, wenn die herstellende Person in der Rezeptur verbleibt, um konzentriert arbeiten zu können.
Zur besseren Nachvollziehbarkeit der Einwaage sollte diese am besten mithilfe eines Druckers dokumentiert oder deren Richtigkeit von einer zweiten Person, die beim Einwiegen zugegen ist, auf dem Herstellungsprotokoll bestätigt werden. Vor Beginn der Herstellung sollte sich der Rezeptar darüber im Klaren sein, wie genau die Einwaage der einzelnen Substanzen erfolgen muss. Orientierungshilfen hierzu gibt Kapitel I.2.9.2. des NRF.
Gemäß NRF sollte bei der Arzneimittelherstellung in der Apotheke eine prozentuale Abweichung von maximal einem Prozent bei Wirkstoffen, Antioxidanzien, pH-Regulanzien und anderen eingehalten werden, was technisch ohne weiteres möglich ist. Bei indifferenten Hilfsstoffen, die beispielsweise zum Anreiben eines Wirkstoffes dienen, ist eine höhere Maximalabweichung bis zehn Prozent vertretbar. Dies muss vom Rezeptar jedoch individuell bei der Herstellung entschieden werden.
Niedrig dosierte Arzneistoffe und kleine Wirkstoffmengen sollten auf der Feinwaage (Analysenwaage) und nicht auf der Präzisionswaage (Rezepturwaage) gewogen werden. Daher ist die Feinwaage in der Rezeptur oder zumindest in Rezepturnähe aufzustellen. Befindet sich die Feinwaage in einem weit von der Rezeptur entfernt liegenden Labor, drohen nicht nur Substanzverluste infolge des weiten Weges, auch hygienische Gründe sprechen gegen einen Standort außerhalb der Rezeptur.
Kennzeichnungsschild Für eine korrekte Einwaage sind die Angaben auf dem Kennzeichnungsschild zu beachten. Dort sind Höchstlast (Max.) und Mindestlast (Min.) sowie die Verkehrsfehlergrenze (e) und der Teilungswert (d) abzulesen. Die Höchstlast sollte nicht überschritten werden, da sonst große Wägefehler drohen oder die Waage infolge der Überlastung zerstört werden kann.
Die Mindestlast (Min.) hingegen sollte mit der Einwaage jedes einzelnen Rezepturbestandteils überschritten werden, denn die von der Waage eingehaltenen maximalen Abweichungen gemäß Verkehrsfehlergrenze und Teilungswert sind eichamtlich bestätigt und erst ab der Mindestlast gültig. Liegt die gewogene Substanzmenge unter der Mindestlast, drohen infolge größerer Abweichungen große Wägefehler.
Bei vielen Feinwaagen liegt die Verkehrsfehlergrenze − der maximal zulässige Fehler eichpflichtiger Messgeräte während des Einsatzes innerhalb der Eichgültigkeitsdauer − üblicherweise bei 0,001 Gramm (g), bei Präzisionswaagen bei 0,1 g. Somit kann auf diesen Feinwaagen 1,0 g einer Substanz mit einer Genauigkeit von ± 1 Milligramm (mg) gewogen werden, auf einer Präzisionswaage mit einer Genauigkeit von ± 100 mg. Dies muss bei der Einwaage kleiner Substanzmengen berücksichtigt werden. Die Festlegung gilt jedoch nur für den unteren Wägebereich, also für eine Einwaage, die nahe der Mindestlast liegt.
Mit zunehmender Belastung der Waage steigt außerdem die Verkehrsfehlergrenze an, das heißt die Wägegenauigkeit nimmt ab. Wird beispielsweise 1,0 g Substanz auf der Präzisionswaage auf einem Kartenblatt oder in einer leichten Plastikschale gewogen, wird die Verkehrsfehlergrenze von ± 100 mg eingehalten, verwendet man jedoch ein schweres Glasgefäß, so kann sich die Verkehrsfehlergrenze in Abhängigkeit von der Masse des Gefäßes verdoppeln bis verdreifachen, das heißt der Wägefehler wird größer.
Die Verschiebung der Verkehrsfehlergrenze tritt auch dann auf, wenn vor einem Wägeschritt mithilfe der Tarataste eine Nullstellung vorgenommen wird, da die hohe Belastung der Waage bestehen bleibt. Von großer Bedeutung für das korrekte Einwiegen ist der Teilungswert (d). Dieser macht eine Aussage über die Ablesegenauigkeit und liegt bei Präzisionswaagen häufig bei 0,01 g. In solch einem Fall kann die Waage erst ab einer Substanzmenge von 1,0 g die vom NRF geforderte maximale Abweichung von einem Prozent sicherstellen.
Niedrig dosierte Arzneistoffe und kleine Wirkstoffmengen sollten daher grundsätzlich auf der Feinwaage und nicht auf der Präzisionswaage gewogen werden. Die ZLRezeptur-Ringversuche haben ergeben, dass bei Arzneistoffmengen bis zu 1,0 g die Feinwaage bevorzugt verwendet werden sollte.
Durchführung des Wägevorgangs In einer Apotheke wird folgende Rezepturverordnung für die Herstellung von 20,0 g Creme vorgelegt:
- Triamcinolonacetonid 0,1 g
- Basiscreme DAC ad 100,0 g
Zunächst werden die Rezepturbestandteile von der herstellenden PTA auf die Substanzmengen umgerechnet, die für die Herstellung von 20,0 g Creme benötigt werden.
- Triamcinolonacetonid 0,02 g
- Basiscreme DAC ad 20,0 g
Im nächsten Arbeitsschritt ist zu überlegen, auf welcher Waage der Wirkstoff beziehungsweise die Salbengrundlage abzuwiegen ist.
Die Apotheke besitzt zwei Waagen, deren Kennzeichnungsschildern folgendes entnommen werden kann (siehe Tab. 1): Damit die Apotheke abschätzen kann, mit welchem Fehler sie bei welcher Belastung rechnen muss, hat sie mithilfe von Formeln aus dem NRF die Grenzen der Wägebereiche ihrer beiden Waagen berechnet (siehe NRF Tab. I.2.-4). Hiernach ist im unteren Wägebereich ein absoluter Fehler von 1 e zu erwarten, im mittleren Wägebereich ein absoluter Fehler von 2 e und im oberen ein absoluter Fehler von 3 e. Für die Feinwaage muss zur Ermittlung des unteren Wägebereichs die Verkehrsfehlergrenze mit dem Faktor 50.000 multipliziert werden (siehe Tab. 2). Die Obergrenze liegt damit bei 50 g. Dies bedeutet, dass bei einer Belastung der Waage zwischen 0,01 g (Mindestlast) und 50 g (Grenze des unteren Wägebereichs), mit einem Wägefehler von 0,001 g zu rechnen ist, der laut Eichung für den unteren Wägebereich zulässig ist.
Die Einhaltung des Wägefehlers wird bei der Eichung überprüft. Wird die Waage mit einer Masse über 50 g belastet, ist mit dem doppelten, ab 200 g mit dem dreifachen Wägefehler zu rechnen. Die Präzisionswaage scheidet für das Abwiegen des Triamcinolonacetonids aus, denn laut Kennzeichnungsschild ist eine Mindestlast von 2,5 g erforderlich. Wird diese nicht eingehalten, drohen große Wägefehler.
Um nun aber die gemäß NRF geforderte maximal zulässige Abweichung bei der Einwaage in Höhe von einem Prozent einzuhalten, muss – unter Berücksichtigung der Verkehrsfehlergrenze von 1 mg – mindestens 100 mg Substanz eingewogen werden. Vom Triamcinolonacetonid werden jedoch nur 20 mg benötigt und somit die Grenze von 100 mg unterschritten. Die Feinwaage bietet jedoch einen Vorteil, den Teilungswert (d). Dieser ermöglicht die Einwaage einer Substanz mit einem maximalen Wägefehler von 0,1 mg im unteren Wägebereich.
Aufgrund des Teilungswertes kann eine Einwaage von 10 mg (= Mindestlast) Substanz noch mit einer maximalen Abweichung von einem Prozent vorgenommen werden. Daher kann das Triamcinolonacetonid auf der Feinwaage noch mit der vom NRF geforderten Genauigkeit gewogen werden (siehe Tab. 3). Es ist jedoch zu empfehlen, Einwaagen unter 50 mg zu vermeiden und stattdessen eine Stammverreibung für die Herstellung zu verwenden.
Um den unteren Wägebereich bei der Einwaage einzuhalten, muss nun noch darauf geachtet werden, dass das Wägeschiffchen möglichst leicht ist. Nur so ist gewährleistet, dass maximal ein Wägefehler von 0,1 mg eintritt. Zur Fertigstellung der Cremezubereitung kann die klassische Anreibmethode mittels Fantaschale und Pistill gewählt werden. Da die Masse von Fantaschale und Pistill über 50 g liegt, kann zur anteiligen Zuwaage der Grundlage die Präzisionswaage herangezogen werden.
Auf der Waage wird die gewogene Menge an Triamcinolonacetonidstammverreibung vorgelegt und die Basiscreme DAC in kleinen Anteilen bis auf 20 g zugegeben. Bei der Herstellung im elektrischen Herstellungssystem könnte die Einwaage der Triamcinolonacetonidstammverreibung auch direkt in die 20-g-Kruke im Sandwichverfahren erfolgen, da deren Masse unter 50 g liegt. Dies würde die Gefahr an Wirkstoffverlusten durch Hängenbleiben am Kartenblatt, Luftbewegungen u.s.w. zusätzlich verringern.
Mitmachen und punkten!
Lesen Sie alle drei Teile unserer Fortbildung WISSEN INTENSIV zum Thema Richtiges Wägen, die wir Ihnen in Zusammenarbeit mit dem Zentrallaboratorium Deutscher Apotheker (ZL) e.V. anbieten.
Heft 01/12 – Teil 1: Basiswissen – Justieren, Kalibrieren, Eichung
Heft 02/12 – Teil 2: Umgang mit der Waage – Kennzeichnung
Heft 03/12 – Teil 3: Spezialfall: Einwaagekorrektur bei Mindergehalt
Zusammen mit Teil 3 finden Sie dann den Fragebogen zur Fortbildung und haben die Möglichkeit, einen Fortbildungspunkt zu bekommen.
Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 02/12 ab Seite 104.
Lisa Schlegel, Apothekerin Dr. Holger Latsch, Apotheker Zentrallaboratorium Deutscher Apotheker (ZL) e.V.