© womue / stock.adobe.com

Kulturpflanzen

TRADITIONELLES BROTGETREIDE

Deutschland ist für seine Brotvielfalt bekannt, bei der neben Weizen auch heute noch Roggen als Getreide eine große Rolle spielt. Vor allem in Norden und Osten wird viel Roggenbrot gegessen.

Seite 1/1 3 Minuten

Seite 1/1 3 Minuten

Roggen (Secale cereale L.) ist eine Getreideart aus der Familie der Süßgräser (Poaceae), die in unseren Breiten einjährig kultiviert wird. Ihre aufrechten, hohlen Halme erreichen eine Höhe von 0,7 bis 2 Metern und sind mit schmalen parallelnervigen Blättern versehen. Sowohl der Halm als auch die Blätter sind bläulich bereift. Die Blattscheide trägt kleine, kahle Blattöhrchen und ein kurzes Blatthäutchen.

Lange Grannen Der Blütenstand der Roggenpflanze ist eine 8 bis 16 Zentimeter lange, vierkantige Ähre, die zur Blütezeit leicht überhängt. Sie kann sich aus bis zu 50 zweiblütigen Ährchen zusammensetzen, die mit zwei bis acht Zentimeter lang begrannten Deckspelzen versehen sind. Die langen, grauen bis blau-grünen Roggenkörner sind einsamige Schließfrüchte (Karyopsen) und besitzen eine tiefe Längsfurche. Da sie nur locker von Spelzen umhüllt werden, fallen sie zur Reifezeit (Juli bis August) leicht aus den Ähren, weshalb man den Roggen zu den Nacktgetreiden rechnet.

Typisches nordisches Getreide Roggen ist relativ anspruchslos und widerstandsfähig. Er wächst in rauen, windreichen Klimazonen mit niedrigen Temperaturen, wo er sowohl Nässe als auch Trockenheit erträgt. Mit seinen bis zu einem Meter tief in die Erde reichenden Wurzeln ist er in der Lage, sich auf wasserärmeren, kargen Böden mit genügend Feuchtigkeit und Nährstoffen zu versorgen. Das Getreide wird daher vor allem im Osten und Norden Europas auf leichteren oder sandigen Böden angebaut, auf denen Weizen nicht mehr gedeiht, Roggen hingegen sogar gute bis hohe Erträge bringt.

Unkraut im Weizen Die geographische Heimat des Roggens findet sich in deutlich wärmeren Gebieten. Erste Funde kleiner Roggensamen stammen von circa 6600 v. Chr. aus Nordsyrien und der Türkei. Damals wuchs ein Vorläufer unseres Kulturroggens, Secale cereale L. ssp. ancestrale, von dem man annimmt, dass er sich als Unkraut in Weizenfeldern verbreitet hat. Durch natürliche Auslese entstand dann der heutige Kulturroggen, der erstmals für 4400 v. Chr. in Polen und im ersten vorchristlichen Jahrhundert für Deutschland belegt ist.

Roggenanbau Aufgrund seiner hohen Erträge unter schlechten Standortbedingungen und der Möglichkeit, mit Roggen einen Winteranbau zu betreiben, entwickelte sich der Roggen während des 12. und 13. Jahrhunderts in vielen Gebieten Deutschlands zur wichtigsten Getreideart und damit zum Grundnahrungsmittel der deutschen Bevölkerung. Er war noch bis ins 19. Jahrhundert bei uns das Hauptbrotgetreide und wurde erst seit den 1930er Jahren allmählich vom Weizen abgelöst. Heute hat der Weizenanbau den Roggenanbau überflügelt, wobei Deutschland aber noch immer zu den größten Roggenproduzenten weltweit zählt. In der Welterzeugung belegt er jedoch nur den siebten Platz.

Neue Hybridsorten Als winterhärteste Getreideart, die Temperaturen bis minus 25 Grad Celsius aushält, wird Roggen bei uns vor allem als Wintergetreide angebaut. Im Gegensatz zum Selbstbefruchter Weizen ist Roggen ein Fremdbefruchter. Er zeichnet sich daher durch eine hohe genetische Vielfalt aus, die ihn befähigt, sich an ändernde Umweltbedingungen gut anpassen zu können. Diese Eigenschaft machen sich auch die Züchter zunutze, die seit den 1980er Jahren durch gezielte Kreuzung Hybridsorten produzieren, die stetige Ertragssteigerungen mit sich bringen.

Gehörnter Roggen Als Fremdbefruchter wird Roggen jedoch bevorzugt vom Pilz Claviceps purpurea angegriffen, der als Parasit auf verschiedenen Gräsern und Getreidesorten wächst. Er bildet in der Ähre ein Dauermycel (Sklerotium), das als schwarzer, harter Bestandteil dem Roggen wie ein Horn aufsitzt, was auch im botanischen Namen Secale cornutum zum Ausdruck kommt (lat. cornus = Horn). Im Deutschen werden die violett-braunen, hornartig gebogenen ein bis vier Zentimeter langen Gebilde aufgrund ihrer in geringen Dosen wehenauslösenden Eigenschaften als Mutterkorn bezeichnet.

Obwohl sie deutlich vom Getreide zu unterscheiden sind, wurden sie früher häufig mit dem Korn geerntet und zu Mehl verarbeitet. Lange Zeit wusste man nicht, dass der Pilz aufgrund seines Alkaloid-Gehaltes (Mutterkorn-Alkaloide) sehr giftig und damit verantwortlich für schwere Massenvergiftungen mit epidemischem Charakter war. Besonders in regenreichen und warmen Sommern wurden die Ähren stark mit Mutterkorn infiziert und sorgten bis ins späte 19. Jahrhundert hinein für grausame Intoxikationen mit zentralnervösen Störungen sowie schmerzhaften Muskelkrämpfen und Gefäßkontraktionen (Ergotismus), die zum Absterben von Gliedmaßen führten und oftmals auch tödlich endeten. Heute wird der Roggen auf Mutterkornbefall geprüft und es existieren Grenzwerte, wie viel Sklerotien im Getreide vorkommen dürfen.

Multitalent Roggen zeichnet sich durch kleberarme (geringer Glutengehalt), aber ballaststoffreiche (hoher Pentosangehalt) Körner aus, die ein relativ dunkles und mineralstoffhaltiges Mehl liefern. Aufgrund der Pentosane können Backwaren aus Roggen gut die Feuchtigkeit speichern und trocknen nicht so leicht aus, sodass sie mit Sauerteig versetzt zur Vorratshaltung gebacken werden. Eine Fermentierung mit Sauerteig macht die durch den geringen Glutengehalt eher kompakten Roggenbrote zudem bekömmlicher. Aber das Getreide eignet sich nicht nur zum Brotbacken, es wird auch als Futtergetreide, nachwachsender Rohstoff für die Bioethanol- und Biogaserzeugung, für die Stärkeindustrie und zur Branntweinherstellung (Wodka und Korn) angebaut.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 02/18 auf Seite 72.

Gode Chlond, Apothekerin

×