Erst haben wir sie ausgetrickst, jetzt knocken sie uns aus: Bakterien haben verschiedene Wege der Resistenz gegen Antibiotika entwickelt. © wildpixel / iStock / Getty Images Plus

Studie | Plasmide

SCHLÄFER-BAKTERIEN GEBEN RESISTENZEN WEITER – OHNE ANTIBIOTIKA

Schockierende Entdeckung an der ETH Zürich: Bakterien bilden auch dann Resistenzen, wenn Antibiotika schon längst aus dem Körper verschwunden sind. Sie tun das mit einem Trick.

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Seit Alexander Fleming durch das Vergessen einer Petrischale im Labor aus Versehen das Penicillin entdeckte, gelten Antibiotika als eine der schärfsten Waffen der Medizin. Doch bekannt ist auch, dass immer mehr Bakterien Resistenzen gegen diese Arzneimittelklasse entwickeln. Man schlussfolgerte daraus, dass Bakterien ihre Resistenzen vor allem in einer Umgebung mit Antibiotika weitergeben – denn nur dadurch ergeben sich für sie Vorteile.
Erik Bakkeren von der Eidgenössisch Technischen Hochschule (ETH) Zürich stellte nun diese Frage auf den Kopf. Wie wäre es, wenn sich die gefürchteten Resistenzen auch ohne Antibiotika verbreiten? Man untersuchte dazu die sogenannten Schläfer – wissenschaftlich heißen sie Persister. Das sind Bakterien, die in einen temporären Dämmerzustand verfallen und ihren Stoffwechsel auf ein Minimum herunterfahren können. Sind die Bedingungen für die Bakterien später wieder günstig, erwachen sie und können eine eigentlich überstanden geglaubte Infektion erneut zum Aufflammen bringen. Salmonellen machen das so. Wenn die stäbchenförmigen Bakterien vom Darminneren in das Körpergewebe eingedrungen sind, verfallen sie in eine Art Standby-Zustand.

Dieser Schläfer-Trick wird von manchen Mikroben noch durch einen zweiten Kunstgriff getoppt: Sie tragen nämlich zusätzlich freie Plasmide mit Resistenzgenen in sich. Bakkeren impfte Mäuse mit Salmonellen und stellte fest: Sobald die Krankheitserreger aus ihrem Dämmerzustand erwachten, gaben sie ihre Resistenzgene an andere, für eine Gen-Weitergabe empfängliche Mikroben weiter. Dabei wurde das Genmaterial nicht nur an Individuen der eigenen Art übertragen, sondern auch an andere Spezies wie E.coli-Bakterien. „Die Resistenzplasmide nutzen also ihr persistentes Wirtsbakterium, um für längere Zeit zu überleben und sich anschließend auf andere Bakterien zu übertragen“, erklärte Bakkerens Kollege Wolf-Dietrich Hardt.

Und das Entscheidende dabei ist: Der Austausch passiert völlig unabhängig davon, ob Antibiotika zugegen waren oder nicht. Die Salmonellen gaben ihr „Wissen“ auch in deren Abwesenheit weiter.

Das hat natürlich weitreichende Konsequenzen für die Bekämpfung der Antibiotika-Resistenzen, deren Opferzahlen die Weltgesundheitsorganisation auf rund 700 000 Menschen pro Jahr beziffert, mit steigender Tendenz. „Antibiotika restriktiv einzusetzen ist zwar richtig und wichtig“, konstatiert Mitautor Médéric Diard von der Universität Basel. „Wenn man die Verbreitung von Resistenzgenen aber eindämmen will, muss man auch bei den resistenten Mikroorganismen selbst ansetzen.“ Deren Verbreitung könne zum Beispiel durch bessere Hygienemaßnahmen oder spezielle Impfungen vermieden werden.

Die Wissenschaftler werden also weitere Beobachtungsstudien starten. Diesmal an Schweinen, denn die haben besonders häufig Salmonellen.

Alexandra Regner,
PTA und Journalistin

Quelle: www.wissenschaft.de

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