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Heilpflanzen

ROSSKASTANIE – DIE VENEN SCHÜTZEN

Extrakte aus den Samen der Rosskastanie werden aufgrund ihrer gefäßabdichtenden und venenstärkenden Eigenschaften bei Venenbeschwerden geschätzt.

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Nachdem die Eiszeit die Rosskastanie aus Europa auf die Balkanhalbinsel verdrängt hatte, wurde sie im 16. Jahrhundert vom Menschen wieder von Konstantinopel über Wien und Frankreich nach Mittelund Westeuropa zurückgebracht und ist mittlerweile bis nach Skandinavien verbreitet. Der Baum ist nicht mit der Esskastanie (Castanea sativa) verwandt, die zu den Buchengewächsen zählt, sondern steht den Ahorngewächsen nahe.

Imposanter Baum Die Rosskastanie kann rund 200 Jahre alt werden. Im Mai und Juni bildet der Baum einen Blütenstand, der aus über 100 weißen Einzelblüten zusammengesetzt ist. Sie formen eine bis zu 30 Zentimeter hohe, aufrecht stehende, pyramidenförmige Rispe, die im Volksmund Kerze genannt wird. Die auffallend großen, fingerförmig geteilten Blätter des bis zu 30 Meter hohen Baumes befinden sich an langen Stielen. Im Herbst bilden sich kugelige, hellgrüne mit weichen Stacheln besetzte Kapselfrüchte, aus denen beim Herunterfallen ein bis zwei glänzende Samen zum Vorschein kommen.

Ungenießbare, aber geschätzte Samen Aufgrund der üppigen Blütenpracht wird die Rosskastanie seit jeher als Park- und Alleebaum kultiviert. Er wurde früher auch gerne auf Bierkellern angepflanzt, da seine dichte Krone als Schattenspender das Bier gut kühlt. Heute kennt den Baum jedes Kind, da seine Samen, die uns unter dem Begriff Kastanien vertrauter sind, gerne gesammelt und zum Basteln verwendet werden. Wegen des hohen Stärkegehaltes eignen sich die Kastanien als Winterfutter für Wild.

VORSICHT
Bei Einnahme von Rosskastaniensamen kann es aufgrund der enthaltenen Saponine gelegentlich zu Magenbeschwerden, Übelkeit und Juckreiz kommen.

Für Menschen sind sie nicht genießbar. Die Kastanien dienten allerdings in Notzeiten als Kaffeeersatz und wurden zu Mehl weiterverarbeitet. Die Türken des Osmanischen Reiches haben ihren Pferden die Samen als Futter und Heilmittel gegen Husten und Atemnot gegeben. Darauf soll der deutsche Name Rosskastanie wie auch der Artname hippocastanum zurückzuführen sein, der sich aus den griechischen Wörtern hippos = Pferd/Ross und kastanon = Kastanie zusammensetzt.

Einer anderen Deutung zufolge soll die Rosskastanie mit dieser Bezeichnung gegenüber den Maronen der Esskastanie als minderwertiger charakterisiert werden. Den Gattungsnahmen Aesculus übernahm Carl von Linné von antiken Schriftstellern Roms, die damit Früchte einer Eichenart bezeichnet hatten.

Seit langem vielseitig verwendet Verbreitet ist der Aberglaube, sich mit Kastanien gegen verschiedene Krankheiten, vor allem Rheuma, zu schützen. Demnach soll es ausreichen, drei Kastanien in der Hosentasche mit sich zu führen. Bereits alte Kräuterbücher und die Volksmedizin preisten die Rosskastanie gegen Rheuma.

Früher fanden nicht nur die heute im Arzneibuch monografierten Samen Verwendung. Daneben wurden die Rinde, Blätter und Blüten bei verschiedensten Beschwerden eingesetzt. Die Rinde diente beispielsweise als Ersatz für die Chinarinde als Fiebermittel und wurde als Schnupftabak zur Stärkung der Augen sowie gegen Lidzucken geschätzt. Rosskastanienblättertee galt als bewährtes Hustenmittel. Darüber hinaus wurden Rosskastanienzubereitungen unter anderem bei Krampfadern, Venenentzündungen, Hämorriden, Knochenschmerzen oder Durchfall empfohlen.

Wirkung bei chronischer Veneninsuffizienz belegt Heute werden die Samen in Form von standardisierten Fertigarzneimitteln bei Venenschwäche eingenommen. In Untersuchungen mit Rosskastanienextrakten wurden gefäßabdichtende, antiexsudative, venentonisierende und entzündungshemmende Wirkungen nachgewiesen. Die Kommission E nennt als Indikation eine chronisch venöse Insuffizienz (Schmerzen und Schweregefühl in den Beinen, Wadenkrämpfe, Juckreiz, Beinschwellungen). Die ESCOP führt zusätzlich noch Krampfadern auf.

Die Wirkung der Samen beruht auf einem komplex zusammengesetzten Triterpensaponingemisch, das als Aescin bezeichnet wird und aus mehr als 30 Saponinglykosiden besteht. Daneben finden sich unter anderem noch Flavonoide, Cumarine, Gerbstoffe, Stärke und fettes Öl. Qualitativ hochwertige Präparate enthalten einen Trockenextrakt aus Rosskastaniensamen, der durch das Drogen-Extrakt-Verhältnis und das Extraktionsmittel sowie eine Standardisierung auf vorhandenes Aescin definiert ist.

Als wirksame Tagesdosis gelten nach der ESCOP-Monografie 50 bis 150 Milligramm Aescin. Traditionell werden auch Salben und Gele mit Rosskastaniensamen äußerlich zur Linderung von Venenproblemen und zur Behandlung von lokalen Schwellungen und Blutergüssen aufgetragen. Für die topische Applikation liegen aber keine Wirksamkeitsnachweise vor.

Effektiv bei der chronisch-venösen Insuffizienz Die Ergebnisse zahlreicher randomisierter, placebokontrollierter Studien belegen, dass die Einnahme von Rosskasatanienextrakt bei der chronischvenösen Insuffizienz (CVI) ebenso wirksam ist wie eine Behandlung mit Kompressionsstrümpfen der Klasse II. Es kommt zu einer signifikanten Abnahme der Beschwerden und der fortschreitende Verlauf der CVI wird verzögert.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 03/13 ab Seite 32.

Gode Meyer-Chlond, Apothekerin

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