Apotheken in Deutschland
POSITIVER STRESS IN DER STADTAPOTHEKE
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Und genau das ist es, was die 24-jährige PTA Tamar Adnan gegenüber einer kleinen Landapotheke so schätzt: „Ich kann nur in einer großen Apotheke arbeiten, in der immer etwas los ist.“ Nach ihrer Überzeugung ist das Aktivitätsniveau der quirligen Apotheke City-Galerie deutlich höher als das einer Durchschnittsapotheke. Dabei verweist die gleichermaßen lebhafte wie freundliche, im Irak geborene PTA auf die riesige Selbstmedikation mit bemerkenswert langgestreckten Regalböden etwa zu den Indikationen Erkältung und Allergie. Auffällig ist auch, dass fast eine ganze Wand der großen Offizin mit Kosmetik-Artikeln der führenden apothekenexklusiven Marken bestückt ist. „Und für diese Produkte braucht man auch ein spezielles Beratungswissen“, erläutert Adnan und fügt hinzu, dass sie langfristig noch eine Zusatzausbildung als Fach-Kosmetikerin anstrebt.
Beratung als Herzensangelegenheit Grundsätzlich ist es der jungen PTA sehr wichtig, ihre Kunden kompetent beraten zu können. Schließlich ist das ihrer Meinung nach das entscheidende Instrument zur Kundenbindung. Denn selbst wenn eine Apotheke in einem Einkaufszentrum viele Laufkunden anzieht, gelingt es dem über zwanzigköpfigen Team auch in dieser Lage Stammkunden heranzuziehen. „Wir haben ganz verschiedene Stammkunden in allen Altersschichten. Sie wissen, dass sie hier immer freundlich behandelt werden und mit einer sehr guten und informativen Beratung rechnen können. Außerdem gewährt der Chef den Stammkunden über die Kundenkarte auch Vorteile.“
Zur Beliebtheit der Apotheke tragen jedoch auch noch andere Vorzüge bei. So weist Tamar Adnan stolz darauf hin, dass sie gegenüber den Kunden „sehr großzügig sein kann und den Kunden vor Ort mit Hilfe der Tester die Produkte ausprobieren lassen kann.“ Falls dann noch Fragen offen sind, hat die PTA auch noch die Möglichkeit, Pröbchen zur Mitnahme für zu Hause anzubieten. „Außerdem haben wir einfach ein großes Lager. Die Kunden wissen, dass wir in den wenigsten Fällen etwas bestellen müssen.“ Und wenn das dann doch einmal der Fall ist, werden die entsprechenden Präparate kostenlos mit dem Botendienst ausgeliefert.
Großer Lerneifer Erfreulich findet die hoch motivierte PTA auch, dass immer wieder Kurz-Schulungen in der Offizin stattfinden. Tamar Adnan ist so begeistert von ihrem Beruf, dass sie teilweise sogar an ihren freien Tagen an Fortbildungen teilnimmt. Grundsätzlich sagt sie von sich, dass sie es mag, „wenn ich ein wenig Stress habe.“ Und das klingt aus zweierlei Gründen absolut glaubwürdig. Zum einen unterstreicht ihr offenes Lächeln diese nicht alltägliche Bemerkung, zum anderen spiegelt sich ein ziemliches Quantum Stress in ihrem Lebenslauf. So musste sie zusammen mit ihrer christlichen Familie vor den Kriegswirren im Irak aus ihrem Heimatland fliehen. Nachdem sie ab 2004 in Syrien die siebte bis elfte Klasse des Gymnasiums in Damaskus besucht hatte, verschlug es sie mit 17 Jahren nach Deutschland.
„Meine Familie war also ein Jahr bevor ich Abitur machen konnte von Syrien nach Deutschland gereist. Meine Situation hier war gar nicht so einfach“, fasst Adnan ihren Neustart zusammen. Natürlich bestand die erste Hürde darin, die Sprache zu erlernen. Nachdem sie die ersten Grundkenntnisse erworben hatte, unternahm sie zunächst einen beruflichen Ausflug in das Bankgewerbe. Dies erwies sich allerdings als Sackgasse: „Ich hatte zwar eine Zusage für eine Ausbildung als Bankkauffrau, aber gleichzeitig wurde ich vor den Prüfungen gewarnt: die Rechenaufgaben sollten sehr schwer sein.“ Dann folgte eine Zeit der Neuorientierung. Nachdem sie zunächst dazu verdammt war, untätig zu Hause herumzusitzen, beschloss sie ihre Deutschkenntnisse zu verbessern und belegte entsprechende Volkshochschulkurse. Dort bekam sie von einer Lehrerin den Tipp, es doch mit einer Ausbildung zur PKA zu versuchen. Und so kam es, dass die junge Irakerin zunächst einmal ein neunmonatiges Praktikum in der Apotheke absolvierte.
Glücksfall PTA-Ausbildung Während dieses Praktikums bewarb sie sich dann jedoch für eine PTA-Ausbildung. Da ihre Sprach- und Apothekenkenntnisse dank ihres unermüdlichen Engagements schon erkennbar gut waren, bekam sie hierfür sofort eine Zusage. „Die PTA-Schule war aber sehr hart für mich“, stöhnt Adnan noch heute in ihrer Erinnerung. „Zwei Jahre habe ich auch wegen der Sprache – ich konnte ja immer noch nicht perfekt deutsch – nur gelernt.“ Die Mühsal wurde jedoch belohnt: So bestand sie die Prüfung mit sehr guten Noten. Als sie dann in der Apotheke City-Galerie anfing, wurde sie regelrecht ins kalte Wasser geworfen. „Schon am zweiten Tag habe ich Kunden bedient, aber“ – und dabei strahlt Tamar Adnan über das ganze Gesicht – „der Sohn des Chefs und alle meine Kolleginnen haben mich total unterstützt.“ Und dann schwärmt sie vom großen Teamgeist in der Apotheke und sagt über ihre Kolleginnen, dass diese für sie, die nur mit Brüdern aufgewachsen ist, „wie Schwestern“ sind. „Wenn ich etwas nicht weiß oder unsicher bin, kann ich hier jeden fragen. Alle sind hilfsbereit. Ich fühle mich hier wie zu Hause.“
Rx-Versandhandelsverbot wird diskutiert Trotz der spürbaren Harmonie macht sich die PTA, wie viele Kolleginnen, Sorgen über die Zukunft. „Alle im Team befürchten, dass es zu Umsatzeinbrüchen kommen kann, wenn die Politik nicht für das Rx-Versandhandelsverbot sorgt. Das könnte dann zum Abbau von Arbeitsplätzen führen. Wir glauben, dass nicht nur die kleinen Landapotheken von diesem Thema betroffen sind, sondern alle Apotheken.“ Unabhängig von der Rx-Versandthematik muss sich Adnan schon heute immer wieder mit dem Thema Internet auseinandersetzen. „Einige Kunden kommen und erkundigen sich nach dem Preis. Oft weisen sie mich anschließend empört darauf hin, dass es im Internet billiger sei. Ich erkläre ihnen dann, dass es auch bei uns viele Angebote gibt.
Darüber hinaus bieten wir Beratung und die Sicherheit, dass sie als Kunden sicher sein können, keine gefälschten Arzneimittel zu erhalten.“ Schon allein die zentrale Frage, die sie grundsätzlich an alle Kunden richtet, entfällt bei der Online-Bestellung: „Die Grundlage für jede Beratung ist die Frage, für wen das Medikament besorgt wird. Das ist das A und O“, weiß Tamar Adnan. Dabei beteuert sie, dass sie auch den muffeligsten Kunden diese Frage nicht erspart. Gleichzeitig betont sie, dass sie mit „allen Kundentypen – auch den unfreundlichen – zurechtkommt. Ich habe gelernt, geduldig zu sein.“ Und auch wenn sie die Arbeit am HV-Tisch liebt, gefällt ihr die Abwechslung, wenn sie beispielsweise zur Vorbereitung einer Rezeptur oder Defektur im Labor tätig ist. Denn auch in diesem Bereich bietet die Apotheke City-Galerie Vorteile: So werden etwa bestimmte Rezepturen, die gerne von umliegenden Ärzten verordnet werden, schon vorbereitet. „Dann müssen wir nur noch nach hinten gehen und die gewünschte Menge umfüllen und mit dem Preis auszeichnen. Der Kunde muss dann nicht unnötig warten.“ Und wieder huscht ein Lächeln über das Gesicht der jungen Frau, die ganz offensichtlich ihre berufliche Erfüllung gefunden hat.
Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 07/17 ab Seite 114.
Claus Ritzi, Pharmajournalist (wdv)