Haut
PFLEGE BEI CHEMO- UND STRAHLENTHERAPIE
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Statistisch gesehen erkrankt jede achte Frau im Lauf ihres Lebens am Mammakarzinom. Je früher erkannt, desto besser sind die Behandlungs- und auch Heilungschancen. Derzeit sind rund 80 Prozent der Fälle heilbar. Sogar wenn die Prognose eher negativ ist, kann die Medizin inzwischen gute Dienste leisten.
Regelmäßig Abtasten Die eigene Brust einmal monatlich sorgfältig abtasten, das machen die wenigsten Frauen, obwohl es sehr wichtig ist. Denn häufig wird ein Tumor selbst ertastet. Statistisch gesehen hat er dann meist eine Größe von mindestens anderthalb bis zwei Zentimetern. Doch auch kleinere Veränderungen lassen sich erfühlen. Mittlerweile arbeiten in manchen gynäkologischen Praxen dazu blinde Frauen.
Sie ertasten Tumore bereits bei Größenordnungen von unter einem Zentimeter. Damit das Thema Abtasten zum normalen Ritual wird, empfehlen Sie Ihren Kundinnen ihre Brust und das Dekolletee alle zwei bis drei Tage vor dem Schlafen gehen einzucremen. So bekommt Frau ein gutes Empfinden, wie sich die Brust in verschiedenen Zeiten des Zyklus, vor oder nach den Wechseljahren und generell anfühlt.
Sobald es eine Veränderung gibt, sollte der Frauenarzt zu Rate gezogen werden. Motivieren Sie im Zweifel zum Arztbesuch, denn manch eine Frau neigt dazu, die Veränderung aus Angst vor einer möglichen Diagnose zu ignorieren.
Wenn die Therapie beginntAuf die meisten Frauen kommt nach der Diagnose eine Vielzahl an Behandlungen zu: Operation, je nach Tumortyp Chemo- und oder Strahlentherapie (Primärtherapie), sowie im Anschluss häufig eine mehrjährige, medikamentöse Behandlung. Vielen Betroffenen hilft es, wenn sie während ihrer Primärtherapie Gespräche mit dafür ausgebildeten Psychoonkologen in Anspruch nehmen können.
Infos dazu gibt es in Brustkrebszentren und bei der Deutschen Krebshilfe (krebshilfe.de) oder auch beim Gynäkologen. Wer in dieser Zeit seelische Hilfe zulässt, kommt meist auch besser durch die Therapie. Neben der Arbeit der Brustkrebsspezialisten und Psychoonkologen können Sie in der Apotheke mit zahlreichen Tipps zur Hautpflege dazu beitragen, dass Frauen besser durch diese für sie oft sehr schwere Phase kommen.
Wenn die Haut reagiert Chemotherapien sind eine extreme Belastung für den gesamten Körper. Auch wenn sie heute weitaus verträglicher sind als noch vor zehn Jahren. So kommt es nicht selten vor, dass Allergien oder die verstärkte Neigung zu allergischen Hautreaktionen auftreten. Typisch sind zudem Akne-ähnliche Pusteln sowie trockene, schuppende und juckende Haut, oft gepaart mit Rötungen oder Pigmentflecken.
Fragen Sie im Beratungsgespräch ob und wie sich die Haut verändert hat. Die meisten Beschwerden verschwinden in der Regel nach Therapieende. Empfehlen Sie währenddessen Pflegeprodukte für sensible Haut, ohne Parfum und Duftstoffe. Viele Frauen mögen während der Chemozeit bestimmte sonst individuell beliebte Düfte und Gerüche nicht. Je weniger Parfum und Duftstoffe in der Kosmetik, desto angenehmer werden sie oft empfunden.
Naturkosmetik muss jetzt nicht unbedingt die erste Wahl sein. Denn natürliche Duftakkorde, ätherische Öle und Pflanzenextrakte können, je nach Hautzustand, mehr reizen als nutzen. Empfehlen Sie die Haut möglichst wenig zu stressen, sie also nicht der prallen Sonne sowie starken thermischen Reizen auszusetzen. Zum Waschen und Duschen weder zu kaltes noch zu heißes Wasser verwenden. Zum Abtrocknen sanft mit einem weichen Handtuch die Haut trockentupfen und nicht rubbeln.
Raten Sie während der Chemozeit von Peelings und Fruchtsäureanwendungen ab. Auch Rasieren und Epilieren sollte auf die Zeit danach verschoben werden. Meistens ist das jetzt ohnehin nicht nötig, da sämtliche Körperhaare der Chemo zum Opfer fallen. Um eine mögliche Keimbelastung jetzt so gering wie möglich zu halten, können zur täglichen Reinigung Einmalwaschlappen gute Dienste leisten. Eine wohltuende Erfrischung zwischendurch bieten Thermalwassersprays. Sie lassen sich auch während der Chemotherapie anwenden.
Die nagelbildenden Zellen in der Nagelmatrix zählen zu den sich schnell teilenden Zellen. Sie werden von einer Chemotherapie ebenso angegriffen wie Haarzellen.
Nagellack hilft gegen Nagelausfall Während der Chemotherapie verändert sich bei vielen Frauen die Struktur der Finger- und Fußnägel. Ferner kann es zu Empfindungsstörungen (Polyneuropathien) an Händen und Füßen kommen. Je nach medizinischer Abklärung können Anwendungen mit Kälte wie Kältehandschuhe helfen das Ausmaß überschaubar zu halten.
Besteht eine Polyneuropathie, empfehlen Sie im Anschluss an die Primärtherapie mit einem gezielten Training zur Stärkung der Nerven an Händen und Füßen zu beginnen. Infos dazu gibt es beispielsweise bei Physiotherapeuten, in onkologischen Selbsthilfegruppen, beim Rehasport und in Rehabilitationseinrichtungen. Damit es wieder leicht fällt filigrane Dinge wie einen Geldschein oder eine Stecknadel zu fassen, bieten sich beispielsweise Greifübungen in trockenen Bohnen, Murmeln oder kleinen Bällen an.
Fragen Sie Ihre Kundin, ob auch Taxane Bestandteil der Chemotherapie sind. Um das Ausfallen von Nägeln an Händen und Füßen dabei zu vermeiden, hat sich das Lackieren mit dunklem (wichtig) Nagellack bewährt. Er kann dazu beitragen, dass die Nägel weder an den Händen noch an Füßen verloren gehen. Empfehlen Sie zusätzlich die Nagelhaut zu pflegen, damit sie nicht zu trocken und rissig wird. So lassen sich unnötige Nagelbettentzündungen vermeiden. Bieten Sie dazu Produkte wie Öle oder Cremes an.
Natürliche Inhaltsstoffe Auch nach der Chemotherapie lohnt es die in dieser Zeit gut verträgliche Haut-und Körperpflege mit passenden Produkten beizubehalten. Waren es in den vergangenen Jahren Silikone, die aus vielen Produkten verschwanden, sind es heute die Konservierungsstoffe aus der Gruppe der Parabene, die kritisch diskutiert werden und zunehmend unerwünscht sind. In der INCI-Deklaration werden sie meist sehr weit hinten gelistet, da ihre Menge im Gesamtprodukt sehr gering ist.
Dennoch könnten, einer neuen Studie zufolge, schon weitaus niedrigere Mengen als bisher vermutet, der Gesundheit schaden. Brustkrebs kann estrogenabhängig sein. Parabene werden als estrogenähnlich eingestuft, da sie den gleichen Estrogenrezeptor aktivieren wie das natürliche Hormon Estradiol. Viele Frauen wünschen sich deshalb parabenfreie Kosmetik. Produkte aus der Apotheke kommen oft ohne diese Konservierungsstoffe aus. Teils ist es direkt auf der Verpackung deklariert, andernfalls lohnt der Blick in die INCI-Deklaration.
Generell lässt sich nicht bestätigen, dass hochpreisige Produkte eher parabenfrei sind. Besonders im Parfümeriesektor wird dies fälschlicherweise angenommen. Um einen schnellen und informativen Überblick beim Kosmetikkauf zu bekommen, bieten kostenlose Apps wie ToxFox und CodeCheck die Möglichkeit per Strichcode-Scan blitzschnell zu erfahren, ob bedenkliche Inhaltsstoffe enthalten sind. Neben Parabenen wird bei Brustkrebs auch der Inhaltsstoff Aluminium kontrovers diskutiert. Empfehlen Sie dazu stets aluminiumfreie Deos und Antitranspiranzien.
Parabene besitzen eine antimikrobielle und fungizide Wirkung. Sie wurden in der Vergangenheit großflächig in Kosmetika eingesetzt, was vielfach zu Allergien geführt hat.
Bestrahlte Haut braucht Feuchtigkeit Operation und Chemotherapie sind geschafft oder es war zum Glück keine Chemotherapie nötig. Oft geht es jetzt nahtlos mit der Bestrahlung des betroffenen Areals weiter. Je nach Therapieplan können es 10 bis 40 Sitzungen sein. Da diese aufeinander folgen, verändert sich die bestrahlte Haut spätestens nach der Hälfte der kurzen, meist zweiminütigen Behandlungen.
Um die Haut jetzt nicht unnötig zu reizen, empfehlen Radiologen in diesem Zeitraum keine Johanniskrautprodukte, weder äußerlich noch innerlich anzuwenden. Damit das Strahlengerät exakt an Ort und Stelle seine Arbeit verrichten kann, wird der Bereich um Brust, Dekolletee und Achsel mit farbigen Filzstiften markiert. Baden ist jetzt tabu, Duschen wird ein etwas kniffliges Unterfangen.
Damit alles trocken und möglichst lange sichtbar bleibt, empfehlen Sie Kundinnen diese Stelle täglich, insbesondere vor dem Schlafen gehen oder vor sportlichen Aktivitäten, mit Babypuder zu behandeln. Raten Sie zu einem ölfreien Produkt, sonst können enthaltene Fette die Markierungen verblassen lassen. Damit sich das Puder einfach an Ort und Stelle bringen lässt, empfehlen Sie dieses auf eine Babybürste zu geben, in die Bürste einzuklopfen und dann sanft über das zu bestrahlende Areal zu streichen.
Ab jetzt täglich Thermalwasserspray Was jetzt nicht an die Haut sollte, sind Fette und Öle. Nur leider spannt und juckt die Haut bei den meisten Frauen mit steigender Bestrahlungszahl. Ein sehr lohnender Tipp für alle Kundinnen ist die Verwendung von reinem, parfumfreien Thermalwasserspray. Bei Produkten aus der Apotheke geht die Kundin auf Nummer sicher, dass nur das reine Thermalwasser in der Flasche steckt.
Denn solche Sprays gibt es mittlerweile in vielen Ausführungen, teils mit Duftstoffen und fetthaltigen Zusätzen. Reine Thermalwassersprays beruhigen gereizte und gerötete Haut und helfen gegen Spannungsjuckreiz. Sie sind fettfrei, trocknen im Nu, sodass Markierungen auf der Haut erhalten bleiben. Wer es besonders erfrischend mag, lagert das Spray im Kühlschrank. Ob unterwegs oder fürs heimische Bad: Die verschiedenen Flaschengrößen machen die Anwendung überall möglich. Dank enthaltener Mineralien wie Calcium, Selen, Zink, Kupfer und Silikaten bieten sie einen hilfreichen Schutz und auch Pflege während der Bestrahlung.
Thermalwasser kann ein Dauerbegleiter, auch nach der Primärtherapie, werden. Denn es kann zusätzlich vor allergischen Reaktionen schützen und die Haut mit Mineralien versorgen. Wenn das bestrahlte Areal trotzdem sehr stark juckt und spannt, empfehlen Sie Aloe Vera-Gel ohne Zusätze. Das lässt sich mit einem Wattestäbchen dünn auftragen, ohne dass Farbmarkierungen beeinträchtigt werden. Wichtig dabei ist, das Gel komplett trocken zu lassen und erst dann Kleidung zu tragen.
Vor allem die Narben müssen im ersten Jahr konsequent vor Sonnenlicht geschützt werden.
Dunkle Haut wie nach einem Sonnenbrand Spätestens nach der Hälfte der Bestrahlungen verändert sich die Hautfarbe im betroffenen Bereich. Es sieht aus wie ein mittlerer bis starker Sonnenbrand, die Haut verdickt sich und kann sich sogar schälen. Auch hier empfiehlt sich der regelmäßige Einsatz von Thermalwasserspray.
Auch wenn es für Ihre Brustkrebs-Kundin schwer aushaltbar ist – erklären Sie ihr, dass die Haut sofort nach der letzten Bestrahlung ausgiebig gepflegt werden kann und sich sämtliche Beschwerden dann in kurzer Zeit bessern. Eine leichte Hautfärbung und Verdickung der Haut kann bis zu zwei Jahre andauern. Neben deutlicher Pigmentierung fühlt sie sich auch heiß an. Besonders in der Anfangszeit nach Bestrahlungsende bieten sich dazu Quarkwickel an.
Wohltuend sind auch Cool Packs, allerdings nur mit einem Tuch zwischen Haut und Kühlpackung, sonst können Erfrierungen entstehen. Regelmäßige Pflege und auch ein nötiges Quantum Geduld sind wichtig, damit die bestrahlte Haut wieder in Balance kommt. Hilfreich sind zusätzlich spezielle, parfumfreie Salben zur Wundheilung mit Thermalwasser. Diese können jetzt täglich mehrfach dünn aufgetragen werden.
Bequemer BH und lockere Kleidung Besonders während der Bestrahlungszeit kann weite, lockere Kleidung, möglichst nicht aus Kunstfaser und ohne kratzende Nähte, zum Wohlbefinden beitragen. Die heiße Haut mag es zudem, wenn der BH weich ist, locker sitzt und keine Bügel hat. Alles was einengt oder einschnürt, sollte jetzt besser weggelassen werden. Weder Deo, alkoholhaltige Tinkturen noch Cremes sind jetzt sinnvoll.
Im Anschluss an die Strahlentherapie wird auf Dauer das Thema Lichtschutz für die Brustkrebs-Kundin sehr wichtig. Denn durch Chemo- und Strahlentherapie reagiert die Haut sehr lichtempfindlich. Empfehlen Sie dazu Sonnenpflegeprodukte mit hohem Lichtschutzfaktor (mindestens 30, besser 50). Sonnenbaden in direkter Sonne ist nach überstandener Brustkrebstherapie nicht zu empfehlen. Ein schattiges Plätzchen tut Haut und Körper deutlich besser.
Immens wichtig: Narbenpflege Nach medizinischer Begutachtung empfiehlt es sich nun mit der Narbenpflege zu starten. Narben können sich bis zu zwei Jahre positiv, aber auch negativ verändern. Damit die Narbe nicht mit dem darunter liegenden Gewebe zusammenwächst, weder zu dunkel noch zu dick wird, raten Sie Ihrer Kundin zu speziellen Cremes, Ölen oder Seren zur Narbenpflege.
Diese sollten frei von Mineralölen und Parabenen sein. Geschlossene Narben können beispielsweise auch mit Arnika- oder Ringelblumensalbe gepflegt werden. Je nach Narbenbeschaffenheit ein- bis zweimal täglich sanft in die Narbe einmassieren. Dabei das Gewebe in verschiedene Richtungen bewegen, damit die Haut elastisch bleibt. Ist die Narbe kosmetisch unschön geworden, wäre eine medizinische Korrektur möglich.
Empfehlen Sie Ihrer Kundin dazu die Rücksprache mit dem behandelnden Arzt. Nach etwa drei bis sechs Monaten sind auch Saunabesuche wieder möglich. Damit die bestrahlte Haut nicht zu heiß wird, empfehlen Sie, in der Sauna ein nasses, kaltes Tuch auf die bestrahlte Stelle zu legen und beim anschließenden Abkühlen erfrischt etwas Eis die bestrahlte Brust.
Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 03/18 ab Seite 70.
Kirsten Metternich von Wolff, Freie Journalistin