Giftpflanzen
PFAFFENHÜTCHEN – DEKORATIV, ABER GIFTIG
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Euonymus europaeus L. ist eine Pflanzenart aus der Familie der Spindelbaumgewächse , die im gesamten mitteleuropäischen Raum vorkommt, wie schon im Artnamen europaeus zu erkennen ist. Natürlicherweise ist sie Bestandteil der Strauchschicht in lichten Laubwäldern und hat sich im Auwald und an Waldrändern aller Art bis in Höhenlagen von 1200 Metern verbreitet.
Das Pfaffenhütchen wird aufgrund seines dicht verzweigten, flach wachsenden Wurzelwerks gerne als Erosionsschutz sowie zur Ufer- und Böschungssanierung gepflanzt. Zudem findet es sich in Hecken zur Landschafts- und Parkgestaltung, da die orange-roten Früchte und das auffallend purpurrot gefärbte Herbstlaub es zu einem attraktiven Ziergehölz machen.
Dezente Blüten Das Pfaffenhütchen ist ein stark verzweigter Strauch, der Wuchshöhen von bis zu drei Metern erreicht. Es ist ein sommergrünes Gehölz mit wintergrünen Zweigen (grüne Rinde), die durch Korkleisten einen charakteristischen vierkantigen Querschnitt aufweisen. An mäßig feuchten Lagen wächst die Pflanze schneller und kann sich sogar zu kleinen, bis zu sechs Meter hohen Bäumen entwickeln. Trockene Standorte bringen dagegen eine reichhaltige Blüte hervor. Die Blütezeit reicht von Mai bis Juni. Dann erscheinen kleine gelblich-grünweiße Blüten mit vier Blütenblättern, die in einer Dolde stehen.
Auffällige Früchte Ebenso unscheinbar wie die Blüten sind die länglich-eiförmigen, am Ende zugespitzten Blätter mit fein gesägtem Blattrand. Sie fallen erst im Herbst durch ihre intensive Rotfärbung auf. Von September bis Oktober stechen zudem die roten vierfächrigen Kapselfrüchte hervor, in denen sich ein bis vier weiße Samen befinden. Nach dem Aufspringen der Kapsel hängen die von einem orange gefärbten Samenmantel (Arillus) umhüllten Samenkörner an einem zähen Schleimfaden heraus, bevor sie zu Boden fallen.
Vielsagende Namen Die Ähnlichkeit der Früchte mit einer Bischofsmütze gaben der Pflanze ihren deutschen Namen Pfaffenhütchen. Die andere gebäuchliche Bezeichnung Spindelstrauch nimmt auf die frühere Verwendung des gelben Holzes Bezug. Da das feine, zähe Holz sich sehr gut zum Drechseln eignete, wurde es gerne zur Herstellung von Orgelpfeifen und Spindeln genutzt. Schuhmacher schätzen daraus gefertigte Schuhstifte, was sich in der schweizerischen Bezeichnung Schuenegeliholz wiederfindet. Für Vögel wie Drosseln, Elstern und Rotkehlchen sind die Früchte eine Delikatesse, weshalb der Strauch auch den Beinamen Rotkelchenbrot trägt.
Obsoletes Heilmittel
Früher macht man sich die giftige Wirkung der Pflanze als Insektenschutzmittel zunutze. Ein Pulver der Samen wurde zur Abwehr von Ungeziefer auf Kleider gestreut oder mit Butter zu einer Salbe gegen Kopfläuse verarbeitet. Darüber hinaus stellte man einen Aufguss aus den getrockneten Früchten zur Behandlung von Läusen, Krätzemilben und Hautgeschwüren her. Im Mittelalter wurde das Pfaffenhütchen sogar als Heilpflanze genutzt. Hildegard von Bingen (1098 bis 1179) empfahl das zu Asche verbrannte Holz gegen Wassersucht und in der Volksheilkunde wurde ein Tee aus Rinden oder Blättern als harntreibendes Mittel verwendet. Zudem galt die Pflanze als wirksame Arznei gegen Herzschwäche und Kopfschmerzen. Heute ist das Pfaffenhütchen als Arzneipflanze obsolet.
Alle Pflanzenteile giftig Für viele andere Tiere sowie für Menschen sind aber sowohl die Früchte als auch die Blätter und Rinde toxisch und somit nicht zum Verzehr geeignet. Die Giftinformationszentralen melden regelmäßig Vergiftungen vor allem bei Kindern, die von den kräftig gefärbten Früchten geradezu magisch angezogen werden.
Verantwortlich für die toxische Wirkung sind die vor allem im Samen befindlichen herzwirksamen Steroidglykoside (Cardenolide, darunter Evonosid) und verschiedene Alkaloide wie beispielsweise Evonin. Ihre orale Aufnahme führt nach längerer Latenzzeit (acht bis zwölf Stunden) zu Koliken, Durchfall, Kreislaufstörungen und Kollapserscheinungen, Schäden an Leber und Niere sowie zu Lähmungen der Kaumuskulatur und Krämpfen. Schon der Genuss von 30 bis 40 Samen ist tödlich, wobei Angaben über die letale Dosis schwanken.
Gefürchtete Giftwirkung Die Toxizität des Pfaffenhütchens war schon im Altertum bekannt. Der griechische Philosoph und Naturforscher Theophrastus (371 bis 287 v. Chr.) soll den Blüten einen „nach Mord riechenden“ Geruch nachgesagt haben. Die alten Griechen ängstigte das toxische Potenzial der Pflanze derart, dass sie ihr zur Ablenkung eine harmlose Bezeichnung, einen Tabunamen, gaben. Mit Eunonymus, das sich von griech. eu = gut und onoma = Name ableitet und „von gutem Ruf“ bedeutet, sollten böse Dämonen, die für die Giftwirkung verantwortlich gemacht wurden, ferngehalten werden.
Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 09/13 ab Seite 106.
Gode Meyer-Chlond, Apothekerin