Ein Kind hält Teddy im Arm und wartet auf Impfung durch Kinderärztin
Ein kleiner Pieks und dann ab in den Kindergarten - bald verpflichtend? © Choreograph / iStock / Getty Images Plus

Masern | Impfpflicht

OHNE IMPFUNG KEINE KITA

Brandenburg will eine Impfverordnung vorbereiten, die Kitas und Schulen die Möglichkeit gibt, die Aufnahme nicht geimpfter Kinder abzulehnen. Das soll den in letzter Zeit wieder steigenden Fallzahlen von Masern entgegenwirken: Wegen der potenziell tödlichen Viruserkrankung mussten bereits Schulen geschlossen werden.

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In diesem Fall streiten sich nicht mal die Gelehrten: Impfungen gelten als eine der größten Errungenschaften der Menschheit. Die Pocken wurden auf diese Weise ausgerottet; die Polymyelitis (Kinderlähmung) steht kurz davor. Doch weil aus mancherlei Gründen Menschen ihre Kinder nicht gegen Masern impfen lassen oder als Erwachsene über keinen Impfschutz (mehr) verfügen, breitet sich die Krankheit wieder aus.

Und sie kann gefährliche Folgen haben: eine Gehirnentzündung beispielsweise, die tödlich enden kann, eine maserninduzierte Lungenentzündung oder Sterilität bei Jungen – alles Folgeschäden, die vermieden werden könnten, wenn bereits die Kinder geimpft würden. Deshalb diskutiert man im politischen Berlin eine Impfpflicht gegen die Masern.

Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) ist dafür; Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) ebenfalls. Giffey sagt: „Staatliches Handeln ist gefragt, wenn das Risiko, andere Kinder in Kindergärten, Schulen und in anderen Einrichtungen zu gefährden, nicht anders in den Griff zu bekommen ist." Dies sei keine leichtfertige Entscheidung, sondern das Ergebnis einer sorgfältigen Abwägung: Es gehe darum, Kinder vor einer lebensgefährlichen Erkrankung zu schützen.

Auch Jens Spahn und SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach drängen auf eine Lösung des Problems. Eine Impfpflicht ist allerdings rechtlich nicht so ohne weiteres durchzusetzen – aber sie ist auch nicht ausgeschlossen. Nicht länger abzuwarten, bis die große Politik sich für gangbare Wege entschieden hat, beschloss jetzt der brandenburgische Landtag. Der hatte sich am vergangenen Freitag mit großer Mehrheit für eine Impfpflicht für Kindergartenkinder ausgesprochen. Die Landesregierung bereitet nun eine Impfverordnung vor, wünscht sich aber eine bundeseinheitliche Regelung. Da gilt allerdings bisher nur, dass Eltern, die ihre Kinder in öffentliche Kitas schicken wollen, eine Impfberatung nachweisen müssen.

Auch Nordrhein-Westfalen will eine Impfpflicht prüfen. Hier sind seit Jahresanfang fast 100 neue Masernfälle aufgetreten. Die Hamburger SPD fordert nach einem Masernausbruch in Schleswig-Holstein eine Impfung aller städtischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die mit Kindern arbeiten. Die Impfquote liegt derzeit bei 93,5 Prozent: „Das reicht schon heute nicht, um Ansteckungen vollständig zu verhindern, geschweige denn die Masern vollständig auszurotten", sagt die gesundheitspolitische Sprecherin Birgit Stöver. Wie wichtig eine bundeseinheitliche Regelung zum Thema Impfen ist, darauf weist die Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz der Länder, Barbara Klepsch (SPD), hin: Sie verweist auf den Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz, der nicht an Bedingungen geknüpft sei.

Doch es gibt auch Bundesländer, die zurzeit keinen Handlungsbedarf sehen: Niedersachsen, Berlin und Hessen gehören dazu. Über eine Impfpflicht solle man erst nachdenken, wenn es langfristig zu einer Verschlechterung der derzeitigen Situation komme, sagt Niedersachsens Gesundheitsministerin Carola Reimann (SPD). Auch die Berliner Gesundheitssenatorin Dilek Kolat sieht keinen Bedarf für eine Impfpflicht und will lieber den Gesetzentwurf auf Bundesebene abwarten. Der hessische Gesundheitsminister Kai Klose (Grüne) will mit einer besseren Aufklärung für höhere Impfquoten sorgen und nennt eine Impfpflicht für „nicht verhältnismäßig und auch nicht notwendig. Er setzt auf „Sensibilisierung" für das Thema. Die Medizinerorganisation „Ärzte für individuelle Impfentscheidung" moniert, die Verknüpfung von Kinderbetreuung und Impfstatus wie in Brandenburg sei ein Versuch, die Impfpflicht durch die Hintertür einzuführen. Das Recht der Eltern, nach kompetenter und ergebnisoffener Beratung eine individuelle eigenverantwortliche Impfentscheidung zu treffen, müsse von öffentlichen Stellen und Institutionen respektiert werden.

Anders sehen das der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte in Hessen und die Ärztekammer Sachsen: Beide Organisationen fordern eine verpflichtende Impfung vor Aufnahme in eine Gemeinschaftseinrichtung.

Alexandra Regner,
PTA und Journalistin

Quelle: Zeit online

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