Medizingeschichten
WARUM DIE MUTTERSPRACHE SO WICHTIG IST
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In Deutschland fallen Nordfriesisch, Saterfriesisch, Dänisch, Sorbisch sowie Romani offiziell unter die Minderheitensprachen. Und als ich zur Schule ging, gab es auf unserem Gymnasium in Kiel bereits einen Wahl-Pflicht-Kurs, in dem man „Niederdeutsch“ lernen konnte.
Was die alten Bauern auf dem flachen Land mühelos sprachen, konnten ihre Enkel längst nicht mehr.
Die Bengalische Sprachbewegung
1952 war es, dass die Regierung des damaligen Pakistans beschloss, Urdu zur alleinigen Amtssprache zu machen. Urdu gehört zum Zweig der indogermanischen Sprachfamilien (wie etwa auch das Griechische) und wurde damals lediglich von drei Prozent der Bevölkerung gesprochen. Proteste blieben nicht aus, denn die Mehrheit – die in Ostpakistan wohnte - sprach Bengalisch. Als die Polizei bei Demonstrationen der „Bengalischen Sprachbewegung“ auf die Protestierenden schoss, gab es Tote. 1971 spaltete sich Ostpakistan ab und wurde zu Bangladesch. Das neu gegründete Land stellte einen Antrag bei der UNESCO: Am 21. Februar, dem Tag der gewalttätigen Demonstrationen, sollte künftig der Tag der Muttersprache begangen werden, gegründet zur „Förderung sprachlicher und kultureller Vielfalt und Mehrsprachigkeit“.
Doch wie ist das eigentlich mit der Sprache? Warum lernen wir sie so leicht und mühelos in einem Alter, in dem wir keine Ahnung von grammatikalischen Regeln haben? Die Wissenschaftler streiten sich immer noch über die Art und Weise, die viel mit der Plastizität des Gehirns zu tun hat. Eins gilt aber für alle: Was Mama ihnen vorspricht, lernen Babys als „Muttersprache“, auch wenn diese Sprache ausschließlich zwischen den beiden gesprochen wird (wie das oben erwähnte Niederdeutsch). Spricht die Mutter nur Hochdeutsch, wird es wohl nie was mit dem lokalen Dialekt. Später dann lernen Kinder die Sprache, die „draußen“ gesprochen wird (also beispielsweise aus dem Kindergarten), die allgemeine Hochsprache, und das ist dann wie eine Zweitsprache. Sie lernen dabei allein durch Hören. Das übrigens ein Phänomen ist: Es funktioniert schon im Mutterleib. Hier nimmt der Fötus erste Sprachmelodien der Mutter wahr und kann seine Mama sofort nach der Geburt von allen anderen Müttern unterscheiden. Und wenn sie ihm bereits im Bauch jeden Tag „Hänschen klein“ vorgesungen hat, erkennt es auch das – und beruhigt sich messbar.
Kleine Kinder sind Sprachgenies
Ist das Kind acht Monate alt, beginnt die so genannte „Reifeperiode der Sprachentwicklung“. Bis es dreieinhalb Jahre alt ist, schaufelt es Klanginformationen in sein Gehirn, die es sein Leben lang nicht vergessen wird. Es kann in dieser Zeit auch mehrere Sprachen gleichzeitig lernen (Muttersprache plus Hochsprache plus finnisch zum Beispiel) – kein Problem für ein Kind.
Doch welche Sprachen werden eigentlich von der Mehrheit der Weltbevölkerung gesprochen? Gleich vorweg: Deutsch rangiert nur unter ferner liefen. Auf Platz eins kommt Englisch, dann folgt Chinesisch (Mandarin), dahinter Hindi (Indien). Das SIL, eine Organisation, die die größte Datenbank zu allen Sprachen der Welt führt, hat herausgefunden, dass Mandarin-Chinesisch dabei mit weitem Abstand die meisten Muttersprachler aufweist: 935 Millionen Menschen nämlich. Da sehen die Deutschen mit ihren 92 Millionen echt alt aus und rangieren nur auf Platz zehn.
Latein – eine „tote Sprache“?
Wie dem auch sei, heute ist der Welttag der Muttersprache, und das ist eine gute Gelegenheit, sie wieder einmal zu sprechen, zum Beispiel durch einen Anruf bei der Mutter. Wenn die Muttersprache nämlich nicht gesprochen wird, kann sie den „Sprachtod“ erleiden: Der tritt nämlich ein, wenn eine Sprache immer weniger Sprecher hat. Dann verschwindet sie irgendwann sang- und klanglos und mit ihr alle kulturellen Traditionen ihrer Sprechergruppe. So wie beim Lateinischen, das heute nur durch Schulunterricht und die Gruppe der Romanischen Sprachen, ihrer Abkömmlinge, nicht in der Versenkung verschwunden ist. Doch als Muttersprache spricht es keiner mehr.
Quellen:
David Crystal: Language Death
Gisela Klann-Delius: Spracherwerb: Eine Einführung
https://www.unesco.de/presse/internationale-tage-und-jahre
https://www.sil.org
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