To-do-Listen
JETZT MAL SCHÖN DER REIHE NACH
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Meine Familie hält nichts davon, einander übermäßig zu schonen. Wir ziehen uns gern mal mit unseren Macken und Marotten auf. Zu meinen gehört, dass ich eine Leidenschaft für To-do-Listen pflege. Während andere mit dem Kopf durch die Wand gehen, setze ich mich erst mal hin und schreibe eine Liste: 1.) Termin fürs Durch-die-Wand-Gehen finden. 2.) Wandauswahl. 3.) Beste Frisur nach Kopfverletzung?
Auch andere schreiben Listen Über meine analogen und digitalen Listen spotten Familie und Freunde – meistens. Einkaufsliste, Packliste für den Urlaub, Geburtstagsliste, To do für den Tag, die Woche und den Monat – herrjeh, wer braucht das alles? Aber so, wie Chamäleons die Farbe wechseln, wechseln die Lieben situationsbedingt ihre Einschätzung. Zum Beispiel wenn ins Ferienhaus die Parmesanreibe mitgereist ist, weil die Packliste um dieses Must-Have ergänzt wurde. Viele berühmte Menschen haben Listen angelegt, damit verteidige ich mich manchmal. Seit ich öfters in Shaun Ushers „Lists of Note. Aufzeichnungen, die die Welt bedeuten“ gelesen habe.
Darin findet man Scheußliches wie Schönes: Eine Liste mit Georg Washingtons Sklaven – Usher zufolge erbte der spätere erste amerikanische Präsident bereits im Alter von elf Jahren zehn Menschen. Eine Liste von Charles Darwins Vater mit Einwänden gegen die Forschungsreise seines Sohnes auf der HMS Beagle, die er dennoch antrat. Nach seiner Rückkehr verfasste er „Vom Ursprung der Arten“, sein bahnbrechendes Werk über die Evolution. Einer meiner Lieblingslisten stammt von Countrylegende Johnny Cash. Er hat auf einer Tagesliste eine wichtige Erledigung mit seiner Ehefrau notiert: „Kiss June.“
Was kommt auf die Liste? Ich liebe Listen, weil sie mein Gedächtnis entlasten. Und je älter ich werde, desto weniger peinlich ist mir die staatliche Anzahl dieser Alltagshelfer. Die Pandemie hat aus meiner Marotte zudem fast eine Charakterstärke gemacht. Seit mehr als einem Jahr vergeht kaum ein Tag, an dem nicht jemand zu einer klaren Alltagsstruktur rät, zu konzentrierter Beschäftigung, zum Listen- statt zum Lustprinzip.
Die Medizinische Hochschule Brandenburg hat extra eine „Liste angenehmer Aktivitäten in der Pandemie“ im Netz veröffentlicht, mit Vorschlägen von „Ein Parfum benutzen“ bis „Jemanden zu Recht kritisieren“. Der Münchner Autor Björn Bicker hat in Coronazeiten sogar ein Theaterstück übers Listenschreiben verfasst. Und in einem Essay angeregt, mal die großen Listen im Leben anzulegen: „Eine Liste aller Wörter, die man gerade nur mit Vorsicht benutzen sollte. Eine Liste mit Ungerechtigkeiten, die es anzuprangern gilt. Eine Liste von Momenten, die von der Schönheit des Vertrauens zeugen könnten.“
Gut, vielleicht nichts für jeden Tag. Auch mit Bucket-Listen habe ich mich nie anfreunden können. Der Name kommt vom Englischen „Kick the Bucket“, auf Deutsch: Den Löffel abgeben. Eine Bucket-Liste soll helfen, kleine und große Lebensträume zu verwirklichen, bevor es zu spät ist.
Apps fürs Listenschreiben
Für den Job:
+ https://karrierebibel.de/todo-listen/#ToDo-Listen-Das-simple-Erfolgsrezept
+ https://karrierebibel.de/alpen-methode/ www.büro-kaizen.de
+ https://projekte-leicht-gemacht.de/blog/pm-in-der-praxis/7-nachteile-todo-listen/
+ https://ivanblatter.com/?s=To-do-Liste
Fürs Leben:
+ https://www.mhb-fontane.de/files/Dateien/Aktuelles/2021/liste-angenehmer-aktivitaeten-in-der-pandemie.pdf
+ https://www.br.de/kultur/autor-bjoern-bicker-essay-listen-corona-pandemie-100.html
+ https://www.lebegeil.de/bucket-list-schreiben/
+ https://flussabwaerts.de/motivation-erkenntnis-tagebuch-66b32bf806b9
Listige Regeln Obwohl, einen kleinen Traum hätte ich: Trotz aller Listen bleibt nämlich einiges ganz schön lange unerledigt. Und ich bin oft spät dran. Tolle Listen, schlechtes Zeitmanagement? „To-Do-Listen sind der absolute Klassiker für mehr Produktivität. Sie sind ungemein einfach und haben doch große Wirkung“, beruhigt Autor Jochen Mai, Gründer von www.karrierebibel.de. Ihr Erfolg liege darin, dass sie dem Zeit- und Selbstmanagement dienten. „Ein richtig oder falsch gibt es nicht.
Letztlich zählt, was einem selbst am besten hilft, anstehende Aufgaben produktiv zu bewältigen.“ Einige Regeln für die erfolgversprechende listenreiche Arbeit findet man immer wieder. So die 1-3-5-Regel: Oben auf der Liste steht nur ein Punkt – das Wichtigste. Dann folgen drei Aufgaben, die ebenfalls erledigt gehören, am Ende fünf kleinere, die man abarbeiten kann, aber nicht muss. Bekannt ist auch die „ALPEN“-Methode, die Berater Lothar Seiwert entwickelt hat. Hier steht A fürs Aufschreiben von Aufgaben, Terminen und geplanten Tätigkeiten, L für Länge schätzen, P für Puffer einplanen, E für Entscheidungen treffen, N für Nachkontrolle. P für Puffer: Das ist der Berg, den viele unterschätzen.
Einige Experten sind seit Jahren mit ihren Tipps unterwegs. Dazu zählt Jürgen Kurz, Bestseller-Autor von „Für immer aufgeräumt – auch digital“. In diesem Ratgeber für den eigenen Arbeitsplatz listet er auf, wie man E-Mail-Flut und Dateienchaos in den Griff bekommt, statt sich immer neue Erledigungs- und Merklisten anzulegen. Zum Beispiel durch Ordnerstrukturen, die einem nicht schon nach kurzer Zeit Rätsel aufgeben. Durch E-Mail-Bearbeitung zu ausgewählten Zeiten wie vor Feierabend, weil man da gern schnell fertigwerden möchte. Durch einen automatisiert angelegten Speicherpfad auf allen Dokumenten, damit man weiß, wo sie liegen.
Nicht überregulieren! Die Liste, das lerne ich auch, hat nicht bei allen Organisationsexperten einen guten Ruf. Ist die Masse an Aufgaben auf einer To-Do-Tagesliste zu groß, hat man schon keine Lust, überhaupt anzufangen. „Die wenigsten Menschen sind gut darin, Zeiten und Aufwände präzise zu schätzen“, betonen Andrea Windolph und Dr. Alexander Blumenau von „Projekte leichtgemacht“. Das führt zu Frust, ebenso wie die verführerische Möglichkeit, kleine oder oder angenehme Aufgaben den großen, schweren To Dos vorzuziehen.
Produktivitätscoach Ivan Blatter warnt: „To-do-Listen können auch stressen. Oder der Pflegeaufwand ist höher als der Nutzen.“ Er empfiehlt unteranderem: Nur auflisten, was man tendenziell vergisst oder was ein Fälligkeitsdatum hat. Nur eine To-Do-Liste führen, damit nichts versteckt liegenbleibt. So viel Anregung! Und trotzdem ist dieser Text wieder ganz schön spät fertig geworden. Es geht im Leben halt nicht zu wie beim lieben Gott.
Darauf weist Marc Baumann in „List und Tücke“ für die „Süddeutsche Zeitung“ hin. Die siebentägige Erschaffung der Welt nach dem Alten Testament basierte auf einer denkbar kurzen To-do-Liste: Einen Tag Himmel und Wolken schaffen, einen Tag Tiere machen usw. „Gott hatte aber auch keinen Vorgesetzten im Nacken, der darum bat, schnell noch am Mond einige Verbesserungsvorschläge umzusetzen“, gibt Baumann zu bedenken. „Und kein Kollege fragte, ob Gott eine Excel-Tabelle mit allen Insektenarten ans Team mailen könne.“
Den Artikel finden Sie auch in DIE PTA IN DER APOTHEKE 07/2021 ab Seite 110.