Repetitorium
HAUTKRANKHEITEN – TEIL 2
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Zur Therapie dient vielfach die lokale medikamentöse Behandlung durch Applikation von Externa, wie Cremes, Salben oder Schüttelmixturen, auf der erkrankten Haut. Dazu stehen sowohl Fertigpräparate als auch individuelle Rezepturen zur Verfügung. Letztere umfassen einen großen traditionellen Erfahrungsschatz und sind in wesentlichen Zügen im Deutschen Arzneibuch, in den Europäischen Arzneibüchern, im Deutschen Arzneimittel-Codex und in den Neuen Rezepturformeln (NRF) zusammengefasst.
Entscheidend: der richtige Träger Alle äußerlich anzuwendenden Arzneimittel umfassen einen Träger, also eine Grundlage, in den entsprechende Wirkstoffe eingearbeitet werden. Als Arzneimittelträger kommen feste Stoffe (Puder), Flüssigkeiten (Lösungen, Spülungen) sowie streichfähige Zubereitungen (Salben, Cremes, Gele, Pasten) infrage. Daneben finden sich noch eine Reihe spezieller Anwendungsformen wie Stifte, Sprays (Schäume), Pflaster und therapeutische Systeme. Auch dieser Träger entfaltet einen therapeutischen Effekt, natürlich in kleinerem Maße als die Wirkstoffe.
Voraussetzung ist, dass der Wirkstoff nach Aufbringung auf die Haut aus der Grundlage freigegeben wird (Liberation), dann von der Haut aufgenommen wird, die Hornschichtbarriere passiert (Absorption) und schließlich die Zielstruktur (gewünschte Hautschichten, Haarwurzeln) in ausreichender Menge erreicht (Bioverfügbarkeit). Die Absorption kann durch die Epidermis, aber auch durch Haarfollikel und Schweißdrüsen erfolgen.
Vorteil der Lokaltherapie ist, dass die erkrankten Hautstellen mit hoher lokaler Wirkstoffkonzentration erreicht werden, bei vergleichsweise geringem Risiko eines systemischen Effekts. Erreichen Wirkstoffe allerdings die dermalen Blutbahnen – was bei einer gestörten Hornschicht der Haut und stärkerer Durchblutung durchaus leicht sein kann – werden sie schnell in den Körper abtransportiert und können dann gegebenenfalls zu systemischen Nebenwirkungen führen.
Eine gestörte Barrierefunktion führt immer zu beschleunigter Absorption. Außerdem ist die Aufnahme des Wirkstoffs nicht nur von seiner Konzentration, sondern auch von der Hautregion abhängig. Bei Kinderhaut, Gesichtshaut, der Unterseite der Brüste sowie im Genital- und Analbereich ist sie generell höher. An Kopfhaut, Handflächen und Fußsohlen – letzteres leicht zu erklären aufgrund der dickeren Hornschicht – ist die Wirkstoffabsorption reduzierter. Auch eine zusätzliche Hydratation der Hornschicht bewirkt eine Erhöhung der Wirkstoffpenetration um das 10 bis 100fache.
Die Wahl der Grundlage richtet sich deshalb nach der Körperregion und dem aktuellen Hautzustand, das heißt, ob dieser trocken, entzündet oder beispielsweise nässend ist. Als Faustregel gilt: Bei intakter Hornschicht und Lipidbarriere sind lipophile (fettliebende) Träger zur Vermittlung von lipophilen Wirkstoffen am effektivsten und vermitteln die beste Tiefenwirkung. Demgegenüber sind hydrophile (wasserliebende) Träger und hydrophile Wirkstoffe bei nässenden Hauterkrankungen vorzuziehen.
Außerdem existiert das Prinzip der stadiengerechten Behandlung: Je akuter und nässender eine Dermatose ist, desto mehr soll die flüssige Phase einer Rezeptur überwiegen; je trockener und spröder, desto mehr die fette Phase. Ein Beispiel: Ein Ekzem im akuten, nässenden Stadium wird sinnvollerweise mit Lotionen oder Cremes behandelt, im subakuten Stadium mit Salben, im chronischen mit Fettsalben. Die Behandlung einer Hauterkrankung in verschiedenen Stadien kann daher die gleiche Wirksubstanz, aber verschiedene Grundlagen erfordern.
Wegen der zunehmenden Sensibilisierung gegen Wollwachsbestandteile, werden wollwachsfreie Grundlagen wie Basiscreme DAC, Kühlsalbe DAB (Unguentum leniens), weißes Vaselin, hydrophile Salben DAB (Unguentum emulsificans), immer wichtiger.
Vielzahl der Wirkstoffe Das Repertoire lokal angewandter Wirkstoffe bei Hauterkrankungen ist groß. Die wichtigsten gewünschten Resultate hierbei sind: Das Immunsystem wird verändert (immunmodulatorische Wirkung), Infektionen werden beseitigt (antiinfektiöse Wirkung), die Stoffe wirken keratolytisch („hornschichtauflösend”, hautglättend) und/oder hemmen ein zu intensives Hautzellwachstum (Proliferation), die Ausdifferenzierung von Hautzellen beziehungsweise beeinflussen die Pigmentbildung.
Lokale Glukokortikoide sind auch heute noch wegen ihres breiten entzündungshemmenden Effekts die wichtigsten und meistverwendeten Wirkstoffe. Sie helfen sehr gut bei akuten Entzündungen, etwa einer akuten Kontaktdermatitis, mittelgut bei subakut-chronischen Entzündungen wie Psoriasis (Schuppenflechte) und nur bescheiden bei granulomatösen Entzündungen (entzündliche „Knötchen”-Gewebeneubildung).
Eingeteilt werden sie in vier Gruppen. Gruppe I (schwach: etwa Hydrokortison, Prednisolon, Dexamethason) wirkt nur antientzündlich, aber nicht proliferationshemmend. Die Gruppen II (mittelstark: etwa Triamcinolonacetonid, Fluorandrenolon, Desoximetason, Prednicarbat), III (stark: etwa Betamethasonvalerat, -dipropionat, Fluocortolon, Mometasonfuroat) bis IV (sehr stark: etwa Fluocinolonacetonid, Diflucortonvalerat, Clobetasolpropionat) sind in der antientzündlichen und antiproliferativen Wirkung gestaffelt.
Prinzipiell gilt, dass besser kurzzeitig stärker potente Glukokortikoide angewendet werden sollten, als langfristig niedrigpotente, da an der Haut relativ schnell ein Gewöhnungseffekt infolge Down-Regulation der Rezeptoren auftritt. Die ursprüngliche Wirkung lässt dadurch nach. Limitierender Faktor bei der Verwendung lokaler Glukokortikoide ist das Auftreten von Nebenwirkungen. Insbesondere wird die Kollagensynthese der Haut gebremst (antiproliferative Wirkung), was deutliche Auswirkungen auf Bindegewebe und Epidermis hat.
Gewebeschwund (Atrophie), Dehnungsstreifen (Striae distensae) und erweiterte Hautkapillargefäße (Teleangiektasien) können die Folge sein. Auch Superinfektionen bakterieller, viraler oder mykotischer Art, eine rosazeaähnliche Steroiddermatitis oder verstärkter Haarwuchs(Hypertrichose) können auftreten. Insbesondere bei Kindern oder bei geschädigter Barrierefunktion der Haut kann es bei großflächiger Anwendung potenter Glukokortikoide auch zu systemischen Nebenwirkungen bis hin zum Cushing-Syndrom kommen. Dennoch gilt: Der schlechte Ruf von topischen Kortikoiden (Kortisonangst) steht in keinem Verhältnis zur geringen Häufigkeit von Nebenwirkungen, die bei sachgemäßer Anwendung auftreten.
ANTISEPTIKA – DESINFIZIERENDE MASSNAHMEN
Sie sollten – wo immer möglich – einer lokalen Hautantibiotikatherapie vorgezogen werden. Zur flächigen Desinfektion bei bakteriell, durch Viren oder Pilze bedingten Hauterkrankungen bieten sich Halogene (Polyvidon-Jod), Clioquinol, Hexachlorophen, Chlorhexidin, Wasserstoffperoxid, quaternäre Ammoniumverbindungen (Benzalkoniumchlorid, Cetylpyridiniumchlorid), Gerbsäure wie Tannin und halogenierte Salicylanilide wie Triclosan an. Seltener werden heute Farbstoffe wie Eosin, Fuchsin, Gentianaviolett oder Brillantgrün angewandt. Sie besitzen den großen Nachteil, die Haut – und leider häufig auch Kleidung – zu verfärben. Zusätzlich sind sie zum Teil krebserregend, falls eine entsprechende Resorption erfolgt. Auch die Wundheilung verlangsamt sich unter ihnen.
Lokale Immunmodulatoren greifen gezielt in Reaktionen der angeborenen oder erworbenen Immunität ein. Sie können fehlgeleitete Reaktionen des Immunsystems zügeln (Immunsuppressiva) oder auch gegebenenfalls steigern (Immunstimulatoren). Calcineurininhibitoren wie Tacrolimus und Pimecrolimus wirken immunsuppressiv, hemmen T-Lymphozyten, Langerhans- und Mastzellen. Sie zeigen eine gute antientzündliche Wirkung.
Im Gegensatz zu den lokalen Glucocorticoiden besteht jedoch kein Atrophierisiko, weshalb sie gerne als Alternative zu dieser Gruppe eingesetzt werden. Zugelassen ist die Anwendung bei atopischem Ekzem (Neurodermitis), jedoch sprechen auch viele andere entzündliche Hautkrankheiten auf eine Behandlung an. Wegen eines erhöhten lokalen Tumorrisikos ist UV-Schutz während der Behandlung mit Calcineurininhibitoren obligat. Häufiger genannte Nebenwirkungen sind anfängliches Brennen, bakterielle und virale Superinfektionen. Imiquimod wirkt immunstimulierend und ist gleichzeitig ein lokales Virustatikum.
Lokale Virustatika wie Aciclovir, aber auch Idoxuridin, Penciclovir, Foscarnet werden besonders bei Herpes-Erkrankungen (Humanes Herpes-Virus, HHV) eingesetzt. Durch Aciclovir wird die virale Desoxyribonukleinsäure (DNA)-Polymerase und damit die Vermehrung der Viren gehemmt. Bei Hautwarzen durch humane Papillomaviren (HPV)-Infektionen kommen unter anderem Fluorouracil, Podophyllotoxin, Interferon-beta, aber auch Imiquimod zum Einsatz.
ANTIHISTAMINIKA
Sie werden auch gerne im Selbstmedikationsbereich bei lokalen allergischen Hautreaktionen oder Insektenstichen mit Schwellung und Juckreiz beziehungsweise bei Sonnenbrand zur Linderung der Symptome eingesetzt. Histamin ist ein wichtiger Mediator akuter Entzündungen und akuter Sofortreaktionen. Insbesondere H1-Antihistaminika, da die Haut überwiegend H1-Rezeptoren enthält, blockieren diese Histaminrezeptoren.
Imiquimod zerstört Viren und kranke Zellen nicht direkt, sondern aktiviert das Immunsystem der Haut. Es bewirkt durch Immunmodulation Entzündungsreaktionen und sekundär eine Vermehrungshemmung und Zerstörung HPV-befallener Zellen. Ein weiteres Einsatzgebiet sind oberflächliche Basaliome (weißer Hautkrebs).
Lokale Antimykotika wirken breit gegen Dermatophyten (Hautpilze), Hefen und Schimmelpilze (DHS-System) auf Haut, Schleimhäuten beziehungsweise Nägeln. Insbesondere verschiedene „Azole“ wie Clotrimazol, Miconazol, Econazol, Bifonazol, Sertaconazol sind hier zu nennen. Aber auch Ciclopiroxolamin, Naftifin, Terbinafin und Amorolfin weisen ein breites Wirkspektrum auf. Bei Hefepilzinfektionen wirksam sind hingegen Nystatin, Natamycin und Amphotericin B. Nur gegen Dermatophyten wirksam ist Tolnaftat.
Lokale Vitamin-D3-Analoga, also Wirkstoffe wie Calcipotriol, Calcitriol, Tacalcitol werden primär zur Therapie der Psoriasis vulgaris (Schuppenflechte) eingesetzt. Sie wirken gegen die Gewebevermehrung und induzieren eine normale Ausreifung der Keratinozyten, also der hornbildenden Zellen, die in der Epidermis zu über 90 Prozent vorkommen. Darüber hinaus haben sie eine immunmodulierende und antientzündliche Wirkung. Die Nebenwirkungen sind minimal. Höchstens bei großflächiger Anwendung besteht das Risiko einer perkutanen Resorption mit der Möglichkeit für eine Hyperkalzämie (erhöhter Kalziumspiegel im Blut).
Lokale Vitamin-A-Säure-Derivate sind primär die Wirkstoffe Tretinoin, Isotretinoin, Tazaroten und Adapalen. Sie wirken immunmodulierend und bremsen ein abnormes Wachstum und eine unnatürliche Differenzierung von Haut-, Schleimhaut- und Talgdrüsenzellen. Vor allem in der Aknetherapie und bei Verhornungsstörungen werden sie verschrieben. Tretinoin hat unter den Retinoiden die stärkste hautschälende Wirkung, die auch nach längerer Behandlungsdauer unvermindert anhält. Die Therapie der Akne mit Tretinoin führt daher auch langfristig zu guten kosmetischen Ergebnissen.
Reizung und Rötung der Haut, eventuell auch Austrocknung durch Hemmung der Talgproduktion sowie eine erhöhte UV-Empfindlichkeit sind mögliche Nebenwirkungen. Trotz nur lokaler Anwendung ist eine embryotoxische und teratogene Wirkung nicht mit Sicherheit auszuschließen, weshalb entsprechende Vorsichtsmaßnahmen bei Frauen im gebärfähigen Alter vorgeschrieben sind.
Lokale Antibiotika sind zur Behandlung oberflächlicher und umschriebener bakterieller Infekte geeignet. Es sollten allerdings nur solche Antibiotika eingesetzt werden, die selten oder gar nicht systemisch angewandt werden, um einer Resistenzentwicklung oder Sensibilisierung vorzubeugen. Fusidinsäure wird primär gegen Staphylokokken, Mupirocin gegen Staphylokokken im Nasenschleimhautsektor, Gentamicin, Neomycin, Framycetin, Polymyxin B meist gegen gram-negative Keime, Bacitracin, Gramicidin, Tyrothricin vorwiegend gegen gram-positive Keime eingesetzt. Tetracyclin, Erythromycin und Clindamycin sind typische Akne-Antibiotika. Metronidazol, das gegen Anaerobier wirkt, kommt gegen Rosazea und periorale Dermatitis (Mundrose) zum Einsatz.
Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 02/12 ab Seite 74.
Im dritten Repetitoriumsteil werden weitere lokale Wirkstoffe zur Behandlung von Hauterkrankungen besprochen sowie erläutert, welche Therapieoptionen existieren, wenn eine lokale Hautbehandlung nicht ausreicht oder nicht möglich ist.
Dr. Eva-Maria Stoya, Apothekerin / Journalistin