Repetitorium
HALS-NASEN-OHREN-ERKRANKUNGEN – TEIL 3
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Bekannte Redewendungen wie „einen Frosch im Hals haben” oder „etwas in den falschen Hals bekommen” zeigen schon eine Erkrankung, aber auch Funktionen von Rachen und Kehlkopf an: Ersterer dient dem Nahrungstransport, der Kehlkopf sorgt dafür, dass diese nicht in die Luftröhre gelangt. Während der Rachenraum zu den Atemwegen gehört, zum Teil aber auch schon dem Verdauungstrakt zugeordnet werden kann, gilt für den Kehlkopf: Er ist Atmungsorgan und zugleich wichtigstes Organ der Stimmbildung. Über beiden befindet sich die Mundhöhle, wichtiger Teil des Verdauungstraktes.
Die Mundhöhle gliedert sich in drei Abschnitte:
- Den Mundvorhof , der zwischen Lippen und Zahnreihen liegt,
- die eigentliche Mundhöhle (Cavum oris) zwischen Zähnen und Gaumenbögen sowie
- die „Schlundenge”, „Rachenenge” (Isthmus faucium) hinter beziehungsweise zwischen den Gaumenbögen. Dies ist der Übergang zum Rachen.
Die gesamte Mundhöhle wird von Mundschleimhaut (Mucosa) ausgekleidet und durch den von den Speicheldrüsen produzierten Speichel feucht gehalten. Die Mundschleimhaut enthält Sinnesrezeptoren für das Temperatur- und Tastempfinden. In der Schleimhaut der Zungenoberfläche befinden sich außerdem die Rezeptoren für den Geschmackssinn. In der Mundhöhle wird die Nahrung in die Mechanik des Kau- und Schluckvorganges eingebunden, also von den Lippen und Zähnen ergriffen, zerkleinert, eingespeichelt und durch den Schluckakt weiter in die Speiseröhre befördert.
Rachenraum und Kehlkopf Von der Mundhöhle geht es in den Rachen (Pharynx), dessen Zugang von Nasenseite erfolgt durch die Choanen (Nasen-Rachen-Gang). In den Nasen-Rachen mündet auch die Eustachische Röhre. Der Rachen ist dann ein 12 bis 15 Zentimeter langer muskulöser Schlauch, der von Schleimhaut ausgekleidet ist. In dieser gibt es Ansammlungen von lymphatischem Gewebe, die Mandeln (Tonsillen), die zusammen den Waldeyer-Rachenring bilden. Vor allem im Kindesalter bildet dieses ein relativ eigenständiges Immunsystem. In der Pubertät bilden die Tonsillen sich langsam zurück und haben dann keine Aufgabe mehr.
Nach unten führt der Rachen zum einen in die Speiseröhre (Ösophagus) und zum anderen in den Kehlkopf (Larynx) und von da weiter in die Luftröhre (Trachea). Der Kehlkopf (Larynx) besteht aus drei großen Knorpeln, dem Schildknorpel (Cartilago thyroidea), dem Ringknorpel (Cartilago cricoidea) und dem Kehldeckel (Epiglottis), sowie den zwei kleineren Stellknorpeln (Cartilagines arytaenoideae). Die Knorpel sind durch verschiedene Bänder und Muskeln miteinander verbunden und dadurch beweglich.
»In der Pubertät bilden die Tonsillen sich langsam zurück und haben dann keine Aufgabe mehr.«
Der Schildknorpel bildet die vordere Wand des Kehlkopfes und ist vor allem an seiner Oberkante von außen zu sehen und zu tasten (Adamsapfel). Der Kehlkopf spielt eine wesentliche Rolle bei der Stimmbildung (Phonation). Die Stimmlippen (volkstümliche Bezeichnung „Stimmbänder”, Ligamentum vocale) sind zwischen den Stellknorpeln und der Hinterwand des Schildknorpels gespannt. Sie werden von speziellen Muskeln bewegt. Alle Anteile des Atemtrakts vom Kehlkopf abwärts gehören zu den unteren Luftwegen. Der Larynx schützt die Luftröhre vor Speisestücken, die Stimmlippen regulieren den Strom der Atemluft und erzeugen Töne.
Halserkrankungen betreffen primär die Mundhöhle, den Rachen und den Kehlkopf. Entzündungen sind die häufigste Krankheitsursache. Gutartige oder bösartige Tumoren sind deutlich seltener. Ferner gibt es angeborene Halserkrankungen. Dazu zählen die in der Mitte oder an der Halsseite vorhandenen Halszysten. Beachtenswert ist, dass neben einer gründlichen Anamnese das Schmerzvorkommen schon ein guter Indikator ist, der auf die Erkrankungsart hindeutet.
Einseitige Halsschmerzen mit Ausstrahlung in das Ohr, eventuell mit Fieber und einer Kieferklemme einhergehend, sind typisch für einen Abszess im Rachen. An ein Rachenkarzinom muss bei einseitiger, über längere Zeit bestehender Schmerzsymptomatik gedacht werden. Verlangt ein Apothekenkunde nach einem Halsschmerzmittel, klagt dabei aber über einseitige Schmerzen, sollte sofort zur Abklärung an einen HNO-Arzt verwiesen werden.
Akut beginnende Halsschmerzen besonders beim Schlucken, die womöglich in die Ohren ausstrahlen, sprechen eher für eine entzündliche Ursache, etwa eine Tonsillitis (Gaumenmandelentzündung), Pharyngitis (Rachenentzündung) oder, wenn es stärker den Kehlkopf betrifft, Laryngitis (Kehlkopfentzündung). In über der Hälfte der Fälle sind Viren Auslöser, allen voran die zahlreichen Erkältungsviren. Auch Umweltreizstoffe, also Tabakrauch, Chemikalien, Stäube, zu trockene Luft können Verursacher sein. Bakterienbefall, etwa durch Streptokokken, löst die gerade bei Kindern häufiger vorkommende Streptokokken-Angina (Scharlach) aus. Bakterielle Geschlechtskrankheiten wie Gonorrhö oder Syphilis sind hingegen zu weniger als ein Prozent verantwortlich für Halsbeschwerden.
Fließen bei einer chronischen Rhinosinusitis (Nasennebenhöhlenentzündung) die entzündlichen Sekrete in den Rachen ab, kann dies ebenfalls Heiserkeit und Halsschmerzen provozieren. Umgekehrt kann aber auch auf eine eitrige Halsentzündung bei Verschleppung oder mangelnder Antibiotikagabe eine Nebenhöhlenentzündung als Komplikation folgen.
Selbst unzureichende Mundhygiene oder schlecht sitzende Prothesen können Zahnfleisch-, Mundschleimhaut und Rachenentzündungen begünstigen. Auch bei einer Chemo- oder Strahlentherapie ist eine vorübergehende Schleimhautentzündung mit Halsschmerzen möglich. Und auch Allergien oder die Refluxkrankheit können Halsbeschwerden verursachen.
Pharyngitis, Tonsillitis, Laryngitis Diese Entzündungen von Rachen, Gaumenmandeln oder Kehlkopf treten häufig in Zusammenhang mit anderen Infekten des oberen Respirationstraktes auf. Auslöser der akuten Pharyngitis ist meist ein viraler Rachenkatarrh durch Influenza-, Parainfluenza-, Myxo-, Adeno- oder Rhinoviren. Oft kommt es aufgrund der Vireninfektion und der damit verbundenen Immunschwäche zu einer bakteriellen Sekundärinfektion, am häufigsten durch beta-hämolysierende Streptokokken der Gruppe A. Der plötzliche Beginn mit starken Halsschmerzen, Schluckstörungen, Trockenheits- und Wundgefühl sowie „Räusperzwang”, teils Kloßgefühl, aber auch eine gerötete, geschwollene Rachenschleimhaut sind typisch.
Bei einer bakteriellen Superinfektion kommen meist schmierige Beläge, Fieber, Lymphknotenschwellung und ein allgemeines Krankheitsgefühl hinzu. Bei einer Chronifizierung, also chronischen Pharyngitis, klagen Betroffene manchmal jahrelang über sie quälende Beschwerden. Allerdings sind diese häufig nicht mit dem klinisch eher geringen Schleimhautbild vereinbar.
Eine akute Tonsillitis (Gaumenmandelentzündung) wird ebenfalls meist durch Viren ausgelöst. Es sattelt sich häufig allerdings eine bakterielle Superinfektion drauf, meist mit beta-hämolysierende Streptokokken, seltener Pneumokokken, Staphylokokken oder Influenza. Betroffen davon sind meistens Kinder. Wegen des subjektiven Engegefühls im Hals wird gerne von einer „Angina” (Angina tonsillaris) gesprochen. Geklagt wird über starke, oft in die Ohren ausstrahlende Schluckschmerzen, allgemeines Krankheitsgefühl, Fieber, kloßige Sprache, vermehrten Speichelfluss und Schwellung der Halslymphknoten.
Die ärztliche Diagnostik unterscheidet unterschiedliche klinische Bilder, die oft auch stadienhaft ineinander übergehen, beispielsweise also Angina follikularis mit gelblich-weißen Eiterflecken (Stippchen), Angina lacunaris, mit deutlichen, flächigen Belägen, Angina lingualis (Zungengrundangina), Angina lateralis (Seitenstrangangina).
MUND-/RACHEN-SCHMERZEN
Mundhöhle
+ Verletzungen/Fremdkörper
+ Infektionen (viral/bakteriell/Mykose)
+ Zungenbrennen
+ Mundtrockenheit (= Xerostomie; etwa nach Bestrahlung)
+ Erkrankungen des Kauorgans (Zähne und Kiefer)
+ Nervenschmerzen (= Neuralgien)
+ Neoplasmen (Karzinome)
Rachenraum
+ Verletzungen (Verbrennungen, Verbrühungen)/Fremdkörper
+ Infektionen
--> Tonsillitis
--> Pharyngitis
--> Abszesse
+ Nervenschmerzen (= Neuralgien)
+ Neoplasmen (Karzinome)
+ Seltene Ursachen (etwa Eagle-Syndrom)
Die bekannte Scharlachangina wird durch beta-hämolysierende Streptokokken Typ A, die das Scharlachexotoxin bilden und besonders virulent sind, verursacht. Da es fünf Subtypen gibt, sind mehrfach Scharlacherkrankungen möglich. Dunkelrot geschwollene Tonsillen, flächige Belege, Himbeerzunge und ein vom Oberkörper sich ausbreitendes Exanthem mit einer Aussparung eines dreieckigen Bereichs um den Mund herum (periorale Blässe, auch „Milchbart” genannt) sind typisch.
Eine Laryngitis, also Entzündung des Kehlkopfes, ist ebenfalls meist viral und selten superinfiziert bakteriell bedingt. Allerdings gibt es auch allergische, inhalationstoxische oder mechanische Auslöser. Häufig besteht ein ursächlicher Zusammenhang mit anderen Infektionen der oberen Luftwege, vor allem der Nasennebenhöhlen. In Ermangelung einer Schleimhautbarriere kann faktisch jede Rhinosinusitis eine Laryngitis nach sich ziehen.
Virale Kehlkopfentzündungen treten aber auch in Zusammenhang mit Mumps-, Masern- und Windpockenerkrankungen auf. Während bei Erwachsenen Heiserkeit Leitsymptom ist, daneben aber auch lokale Schmerzen und ein trockener, unproduktiver, fast bellender Husten typisch sind, kommt es besonders bei kleinen Kindern aufgrund des noch geringen Kehlkopfquerschnitts rasch zur Entwicklung einer Atemnot.
Eine Heiserkeit von mehr als drei Wochen ist aber auch bei Erwachsenen in der Regel nicht Folge einer banalen Entzündung, weshalb spätestens dann ein sofortiger HNO-Arztbesuch anzuraten ist. Da Infekte der Atemwege nicht nur die häufigste Erkrankungs-, sondern auch die häufigste Todesursache bei Kleinkindern sind, ist Selbstmedikation hier nur selten angezeigt.
Die Laryngitis subglottica acuta, im Volksmund als Pseudokrupp bekannt, ist viral bedingt und durch bellenden Husten, Heiserkeit, Stridor (krankhafte Atemgeräusche durch Verengung der Luftwege) und in der Regel leichte Dyspnoe (Atemnot) gekennzeichnet. Davon streng zu unterscheiden ist der echte Krupp (Diphterie), ausgelöst durch das Corynebacterium diphteriae. Eine dauerhafte Überbeanspruchung der Stimme kann zu einer chronischen Laryngitis führen.
Therapie im Überblick Aufgrund der Ähnlichkeit der Beschwerden und auslösenden Ursachen spricht bei allen drei Erkrankungsarten (Pharyngitis, Tonsillitis, Laryngitis) auch weitgehend die gleiche Therapie an. Im Regelfall heilen die viral bedingten Infekte von selbst aus.
Rauch- und Alkoholverzicht, körperliche Schonung, feuchtwarme Halswickel, Schleimhautbefeuchtung durch Tee (Salbei), Salzwasserspülungen, Inhalationen, häufiges Trinken, also ausreichende Flüssigkeitszufuhr, Schleimhautanästhesie durch Halsschmerztabletten mit Lokalanästhetika wie Lidocain, Benzocain oder Lutschen von Halspastillen mit Primelwurzel, Isländisch Moos, Analgetika (Schmerzmittel) beziehungsweise gegebenenfalls Antiphlogistika (fiebersenkende Mittel, wie Acetylsylicylsäure, Paracetamol, Ibuprofen) lindern die Beschwerden.
Zur Bekämpfung bakterieller Erreger kann der Arzt Antibiotika verordnen. Vor allem Penicilline (Penicillin V insbesondere auch bei der Scharlachangina), aber auch Tetracycline, Cephalosporine und Makrolide sind wirksam. Im Selbstmedikationssektor stehen als Lokalantibiotika nur Tyrothricin via Halschmerztabletten oder Fusafungin in der Darreichungsform Spray zur antiinflammatorischen und antibakteriellen Therapie bei akuten Entzündungen der oberen Luftwege zur Verfügung.
ZUSATZINFORMATIONEN
Weitere Therapien
Bei einer vom Arzt diagnostizierten chronischen Pharyngitis sollten die Betroffenen von der Harmlosigkeit ihres Leidens überzeugt werden. Stellt ein Arzt die Diagnose chronische Tonsillitis, muss er auch entscheiden, ob die Indikation für eine Tonsillektomie, also der operativen Entfernung der Tonsillen, als einzig möglichen therapeutischen Konsequenz stellt. „Pseudokrupp“-Anfälle verlaufen zwar in der Regel harmlos, aber Hochlagerung, also möglichst aufrechte Haltung des kleinkindlichen Brustkorbes, Unterdrückung des Hustenreizes mit Antitussiva, eventuelle Sedierung, Inhalationen mit L-Epinephrin und Bronchospasmolytika wie Salbutamol sowie als Notfallmedikation auch die einmalige Gabe eines Glucocorticoids oral oder rektal gelten bei ärztlicher Überwachung als therapeutisch sinnvoll.
Bleibt bei einer eitrigen Tonsillitis die eingeleitete Penicillinbehandlung erfolglos, sollten die Betroffenen sofort den Arzt wieder aufsuchen. Dann sind sie nämlich oft an einer durch das Epstein-Barr-Virus ausgelösten Infektiösen Mononukleose (Pfeifersches Drüsenfieber) erkrankt. Diese fieberhafte lymphatische Erkrankung trifft primär Jugendliche und junge Erwachsene. Nach Kopf- und Muskelschmerzen mit starker Abgeschlagenheit kommt es hierbei zu einer hochfieberhaften Angina lacunaris, Halslymphknotenschwellungen sowie Vergrößerung von Milz und Leber. Die Gabe von Antibiotika wie Ampicillin, Amoxicillin wegen einer vermuteten Streptokokken-Angina muss unterbleiben, da hier dann häufig ein starker, juckender Hautausschlag auftritt. Stattdessen helfen nur körperliche Schonung, Vermeiden von Sport, Alkohol, Flüssigkeitssubstitution und bei starken Schmerzen Analgetika.
Teil 1 finden Sie hier, Teil 2 hier und den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 03/13 ab Seite 80.
Dr. Eva-Maria Stoya, Apothekerin / Journalistin