Grippeerkrankungen
GEFAHR FÜR MENSCH UND TIER
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Keratoconjunctivitis epidemica, so heißt die außergewöhnlich aggressive und hochansteckende Bindehautentzündung, die schon einmal 2004 mehrere Bundeswehr- Stützpunkte lahmlegte und auch im Herbst dieses Jahres für volle Arztpraxen sorgte. Diesmal traf es die Zivilbevölkerung. Die Erkrankung beginnt mit dem Anschwellen und der Rötung von Bindehaut und Lymphknoten. Die Augen jucken so, als sei ein Fremdkörper darin, sie tränen und brennen wie der Teufel. Man sieht nur noch verschwommen, und all diese Symptome kommen von jetzt auf gleich: deswegen auch „Augengrippe“. Verursacher ist ein Adenovirus, der seinen Namen von den Rachenmandeln hat (Adenoiden), denn dort wurden sie erstmals isoliert. 51 verschiedene Typen gibt es mittlerweile.
ÜberlebenskünstlerHauptsächlich treiben Adenoviren innerhalb der Atemwege ihr Unwesen. Doch manchmal gehen sie auch auf den Magen, die Blase oder den Darm. Die Typen Nr. 8, 19 und 37 haben sich die Augen ausgesucht, Spitzenreiter ist im Moment die Nummer 8. Adenoviren sind insofern etwas besonderes als dass sie sich als ausgesprochen hartleibig erweisen; durch ihre äußere Hülle dringt nicht der Alkohol von Desinfektionsmitteln und auch extreme pH-Werte machen ihnen nichts aus. Nur beim Erwärmen über 56 °C sterben sie. Doch da das im menschlichen Körper naturgemäß nicht möglich ist, vermehren sich die humanopathogenen Keime munter weiter.
Da sie eine Inkubationszeit von zwölf Tagen haben – während dieser Zeit merkt ihr Träger nicht, dass er sie beherbergt – und sie so hartnäckig an allem haften, sind sie geradezu gefährlich ansteckend. Türgriffe, Telefone, Handtücher – der Augengrippe-Virus fühlt sich überall wie zuhause. Er kann wochenlang auf einen neuen Wirtskörper warten. Das ist auch der Grund, warum jeder Arzt seinen Patienten 14 Tage krankschreiben wird – er ist sonst in der Lage, komplette Firmen lahmzulegen. Mit jedem Reiben der stark juckenden Augen überträgt er Milliarden von Viren auf die Hände, und was mit diesen Händen in Berührung kommt, ist wiederum infektiös. Selbst in der Familie sollte der Patient separate Handtücher, Waschlappen und Kosmetika benutzen, sich häufig die Hände waschen und mit einem geeigneten Desinfektionsmittel benetzen. Öffentliche Schwimmbäder sind natürlich verboten. Es gibt eigentlich nur eine gute Nachricht: Die Viruserkrankung heilt in nahezu allen Fällen von allein aus.
Geflügelpest wieder da Ganz anders die Vogelgrippe. Die unterscheidet sich von der Augengrippe dadurch, dass sie nur Geflügel heimsucht. Zuerst fand man in Schleswig- Holstein am Plöner See rund 100 verendete Wasservögel, dann entdeckte man zeitgleich – ausgerechnet – am Loeffler-Institut in Mecklenburg-Vorpommern eine tote Ente am Geräteschuppen. Das Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) ist nationales Referenzlabor für die Untersuchung aller Vogelgrippeverdachtsfälle in Deutschland und konnte sofort bestätigen: Die Geflügelpest ist wieder da. Danach fand man auch am Bodensee tote Vögel. Inzwischen hat das H5N8-Virus einen Zuchtbetrieb für Bruteier in Schleswig-Holstein erreicht (Stand Mitte November).
Es hat in Deutschland bisher keine Übertragung auf den Menschen gegeben. Das könnte passieren, indem man innig mit einem Huhn schmust, das erkrankt ist. Dem widersprechen natürlich zwei Tatbestände: Zuchthühner sind in der Regel keine Haustiere. Außerdem sieht man den Tieren ihre Krankheit sehr schnell an: Sie wirken von einer Minute auf die andere apathisch, ringen nach Luft, torkeln mit gesträubtem Gefieder umher und sterben innerhalb weniger Stunden.
Mutationen gefürchtet Was ist nun so gefährlich an einem Virus, das nur Vögel in sich tragen? Und noch dazu in so vielfältiger Form, denn die meisten Subtypen treten nicht in Erscheinung? Der Übertragungsweg findet normalerweise von Wild- auf Hausgeflügel statt. Und hier kann es zu Mutationen kommen. Aus einem normalen „Grippe“-Virus entsteht ein hochaggressives Geflügelpest-Virus, so geschehen 2003 in Asien. Über die Türkei und Afrika gelangte es bis nach Europa.
DIE AUGENGRIPPE
Das die Augengrippe verursachende Adenovirus- Typ-8 ist meldepflichtig. Bei Fragen zur Vogelgrippe empfiehlt es sich, die Homepage des Bundeslandwirtschaftsministeriums aufzurufen (www.bmel.de); dort finden sich stets die neusten Entwicklungen und Maßnahmen.
Würde nun ein H5N8-Virus auf einen Menschen treffen, der ebenfalls an der Grippe erkrankt ist, könnte es zu einem DNA-Austausch kommen. Wenn sich das Erbgut des tierischen mit dem des menschlichen Erregers vermischt, kann ein Pandemie- Virus entstehen, das eine weltweite, extrem gefährliche Grippeepidemie auslösen könnte. 1918/19 hat es das schon einmal gegeben: die „Spanische Grippe“ tötete mehr Menschen als der gerade vorangegangene Erste Weltkrieg. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist auch deshalb besonders auf der Hut, da es in Asien und der Türkei bereits eine solche Übertragung gegeben hat: Kinder scheinen hier die bevorzugten Wirte zu sein. Man fürchtet bei dieser Mutation besonders, dass sich die Aggressivität des H5N8-Virus mit der leichten Übertragbarkeit des menschlichen Virus kombiniert. Doch es bleibt festzuhalten: Eine Übertragung von Mensch zu Mensch hat bisher nicht stattgefunden. Damit das so bleibt, geht das Tierseuchengesetz zum Schutz des Menschen rigoros vor: Der gesamte Zuchtbestand, in dem auch nur einzelne Tiere erkrankt sind, muss sofort getötet werden.
Impfung gesucht Und wie ist das mit den gängigen Grippe-Impfungen? Sie schützen zwar nicht vor der Vogelgrippe, doch eine Infektion mit menschlichen Influenzaviren wird unwahrscheinlich. Dadurch wird die Gefahr einer Doppelinfektion mit anschließender Mutation verhindert. Die Ständige Impfkommission (STIKO) am Robert-Koch-Institut empfiehlt nicht nur, wie jedes Jahr, „die Impfung gegen Grippe insbesondere allen Menschen, die ein erhöhtes Risiko für schwere Verläufe haben“, sondern ausdrücklich auch „Personen mit direktem Kontakt zu Geflügel und Wildvögeln. Dadurch soll verhindert werden, dass sich die Erreger der „Vogelgrippe“ mit im Menschen zirkulierenden Viren mischen. Alle Fragen und Antworten zur Grippeimpfung sind auf der Website der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung nachzulesen.
Und was ist mit Haustieren – mit dem Hund, der Katze oder dem Wellensittich? Volieren sollten mit einem Netz zusätzlich vor Wildvögeln geschützt werden. Eine Ansteckung von Hunden ist bisher nicht bekannt. Doch: „Eine Katze kann sich anstecken, wenn sie infizierten Vogelkot frisst“, berichtet Jochen Hentschke, Leiter des Zentrums für Infektionsdiagnostik am Institut für Lebensmittel, Arzneimittel und Tierseuchen in Berlin. Das Friedrich-Loeffler-Institut rät daher Katzenbesitzern, ihre Tiere nicht im Bereich des Zentrums nachgewiesener Infektionen frei laufen zu lassen.
Der Landkreis Leipzig verbietet das Freilaufen von Hunden und Katzen sogar behördlich. Dies sei aber eine reine Vorsichtsmaßnahme; bisher gebe es weltweit keinen bekannten Fall, in dem das Virus auf Hunde oder Katzen übertragen wurde.
Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 12/16 ab Seite 106.
Alexandra Regner, PTA, Journalistin und Redaktion