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Seltene Erkrankungen von A bis Z

GALAKTOSÄMIE

Weil Mutationen die Aktivität von Enzymen vermindern, können Betroffene Galaktose nicht oder nur eingeschränkt in Glukose umwandeln. Dies kann zu schweren Folgeschäden führen.

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Prinzipiell gibt es zwei Quellen für Galaktose: Einen kleineren Teil produziert der Körper selbst, den größeren nehmen wir mit der Nahrung auf, vor allem mit Milch, Milchprodukten und dem darin enthaltenen Zweifachzucker Laktose. Der wird im Darm in seine Bestandteile Galaktose und Glukose gespalten. Die Glukose geht direkt ins Blut über und wird als Energielieferant verwendet. Die Galaktose jedoch muss zuerst in der Leber in Glukose umgewandelt werden.

Dies geschieht normalerweise in drei aufeinander folgenden Schritten, für die drei Enzyme notwendig sind: Die Galaktokinase , die Galaktose-1-Phosphat-Uridyl-Transferase (GAL-Transferase) und die UDP-Galaktose-4-Epimerase (GAL-Epimerase).

Ist eines dieser Enzyme durch Mutationen in seiner Aktivität stark eingeschränkt, so kommen teilweise alternative Abbauwege zum Tragen, wodurch größere Mengen von Stoffwechselprodukten entstehen, die bei gesunden Menschen so nicht vorkommen. Weil die Galaktose trotzdem nicht vollständig abgebaut wird, reichert sie sich außerdem an. Beides führt zu Komplikationen und Folgeschäden.

Drei Typen Mutationen in unterschiedlichen Enzymen führen zu verschiedenen Ausprägungen der Erkrankung.

  • Mutationen im Gen für die GA-LKinase führen zur Galaktosämie Typ I. Mit einer Häufigkeit von 1:40 000 bis 1:120 000 ist sie sehr selten.
  • Mutationen im Gen für die GAL-Transferase führen zur sogenannten klassischen Galaktosämie, auch als Typ II bezeichnet. Mit einem Fall auf 40 000 Geburten ist sie immer noch selten, aber die häufigste Form der Galaktosämie.
  • Mutationen im Gen für die GAL-Epimerase verursachen eine Galaktosämie Typ III. Von ihr sind weltweit nur wenige Fälle beschrieben.

Symptome und Manifestationen Allen Typen ist gemeinsam, dass sie dann auftreten und ausbrechen, wenn betroffene Babys mit der Muttermilch oder auch Flaschennahrung Milchzucker und damit großen Mengen Galaktose aufnehmen – also nach der Geburt. Die Galaktosämie Typ I zeichnet sich durch überhöhte Mengen von Galaktose im Blut (Galaktosämie) und im Urin (Galaktosurie) aus. Außerdem ist der Blutzucker erniedrigt (Hypoglykämie). Über einen Nebenweg entsteht zudem Galaktitol, das sich in der Augenlinse sammelt.

In der Folge trübt sich die Linse (Katarakt), was unbehandelt zu einer Einschränkung des Sehens bis hin zur Erblindung führen kann. Babys mit Galaktosämie Typ II erkranken in den Tagen nach der Geburt schwer. Es sammeln sich Galaktose- 1-Phosphat und Galaktose in den Zellen an. Dadurch kommt es zu einer Funktionsstörung der Leber, wodurch Bilirubin nicht mehr weiter verarbeitet werden kann. Die Folge: Gelbsucht. Die Tubulusfunktion der Niere ist ebenfalls gestört, zudem kann sich ein Katarakt bilden. Die Babys werden apathisch, verweigern die Nahrung und müssen erbrechen. Die Symptome der Galaktosämie Typ III können dagegen sehr unterschiedlich ausfallen.

Therapie Die Behandlung besteht darin, die Galaktose-Zufuhr sofort zu beenden und stattdessen auf Säuglingsmilchnahrung auf Sojabasis umzusteigen. Die Symptome bessern sich dann innerhalb von wenigen Tagen. Die Galaktose- arme Diät muss ein Leben lang eingehalten werden. Dies bedeutet in der Hauptsache auf Milch und Milchprodukte zu verzichten. Aber auch bei einigen anderen, vor allem verarbeiteten Nahrungsmitteln ist Vorsicht geboten, weil sie versteckte Laktosequellen enthalten können. Auch in Medikamenten kann Laktose als Füllstoff vorkommen.

Verlauf Durch eine Galaktose-arme Ernährung kann ein normales Gedeihen und Wachstum erreicht werden. Vermutlich aufgrund der aber weiterhin stattfindenden endogenen Produktion von Galaktose (ca. ein Gramm pro Tag) kann im weiteren Verlauf ein Spektrum an Störungen auftreten. Dazu gehören eine verzögerte Entwicklung und neurologische Probleme, wie Gleichgewichtsstörungen, Lernstörungen und Sprachstörungen. In diesen Fällen ist eine Förderung durch Physiotherapie, Ergotherapie und/oder Logopädie möglich.

»Durch eine Galaktose-arme Ernährung kann ein normales Gedeihen und Wachstum erreicht werden.«

Manche Kinder bleiben kleinwüchsig. Bei Mädchen kann die Pubertät verzögert sein oder ausbleiben. Dies ist auf einen Hormonmangel aufgrund der Schädigung der Eierstöcke zurückzuführen. Gegebenenfalls ist hier eine hormonelle Behandlung angezeigt. Aus dem gleichen Grund ist die Fruchtbarkeit bei betroffenen Frauen vermindert.

Früherkennung Die Galaktosämie gehört zu den erblichen Stoffwechselkrankheiten, nach denen beim routinemäßigen Neugeborenenscreening gesucht wird. Weil so die Krankheit erkannt wird, noch bevor die Symptome voll ausgeprägt sind, können durch promptes Beenden der Galaktosezufuhr irreversible Folgeschäden verhindert werden. Der Test erkennt auch die sogenannte Duarte D2-Galaktosämie, bei der nur eines der beiden Allele der GAL-Transferase verändert ist. Weil die Restaktivität des Enzyms ausreicht, erkranken diese Babys nicht.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 09/15 ab Seite 100.

Dr. Anne Benckendorff, Medizinjournalistin

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