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Giftpflanzen

FINGERHUT – HERZSTÄRKEND & GIFTIG

Der Fingerhut ist eine der giftigsten einheimischen Pflanzen. Zu Vergiftungen kommt es weniger durch Verzehr von Pflanzenteilen als durch Fehldosierungen mit Digitalispräparaten.

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Der Rote Fingerhut ist die in Mitteleuropa am meisten verbreitete Fingerhutart. Sie ist wild wachsend auf kalkarmen Böden in sonnigen bis halbschattigen Lagen an Waldrändern, in Waldlichtungen und Abhängen anzutreffen. Als Zierpflanze wächst sie auch in vielen Gärten.

Der Fingerhut ist eine zweijährige Pflanze, die der Familie der Wegerichgewächse (Plantaginaceae) zugerechnet wird. Im ersten Jahr bildet sie eine Blattrosette mit großen, eiförmig lanzettlichen, unterseits filzig behaarten Blättern. Im zweiten Jahr entwickelt sich daraus ein bis zu zwei Meter hoch wachsender behaarter Blütenstängel, an dem sich endständig von Juni bis August zahlreiche glockig-röhrige Blüten zeigen, die traubenförmig angeordnet sind. In der Regel sind sie purpurfarben gefärbt, gelegentlich bilden sich auch weiß blühende Exemplare. Innen sind sie mit weiß umrandeten roten Flecken und aufrechten Haaren versehen.

Giftige Digitalisglykoside Die Blütenform hat der Pflanze ihren Namen gegeben, da die glockenförmigen Blüten an einen Fingerhut des Schneiders erinnern. Erst später wurde der lateinische Gattungsname Digitalis von Leonhart Fuchs eingeführt, der die deutsche Bezeichnung einfach übersetzte (lat. digitus = Finger). Linné übernahm ihn in seiner Pflanzensystematik und fügte noch den Artennamen purpurea = rot hinzu, was sich auf die Färbung der Blüten bezieht.

Volkstümlich verwendete Synonyme wie Gift-, Teufels- oder Totenglocken deuten auf die Toxizität der Pflanze hin, die auf die in allen Pflanzenteilen vorkommenden Digitalisglykoside (vor allem Digitoxin) zurückzuführen ist. Aufgrund ihrer Wirkung auf das Herz werden sie auch als herzwirksame Glykoside oder Cardenolide bezeichnet.

Gefährliches Herzmittel Der Volksmedizin waren die giftigen Eigenschaften der Pflanze nicht zu allen Zeiten bekannt. Zwar endeten bereits im 5. Jahrhundert irische Heilversuche mit dem Fingerhut gegen den „bösen Blick“ oft tödlich. Doch wird weder damals noch in den Arzneibüchern des 13. oder 16. Jahrhunderts vor der Toxizität des Fingerhuts gewarnt. Vielmehr wurden Rezepturen aus den Blättern äußerlich gegen Schwellungen und Geschwüre sowie innerlich gegen Kopfschmerzen empfohlen. Darüber hinaus war es in der Volksmedizin als Brech- und Bittermittel, zur Förderung von Auswurf bei Bronchitis, gegen Schwindsucht und als Wundheilmittel beliebt.

»Erst im 20. Jahrhundert wurde eine exakte Dosierung möglich.«

Im 18. Jahrhundert erkannte man schließlich aufgrund zahlreicher Digitalisexperimente die Giftigkeit der Pflanze und setzte sie daraufhin zurückhaltender ein. Gleichzeitig gelang es dem englischen Arzt William Withering, mit Fingerhut Ödeme von Patienten mit einer Herzschwäche erfolgreich zu therapieren, womit er der Digitalisanwendung zu erneutem Aufschwung verhalf. Mit genauen Angaben zur Herstellung der Zubereitungen versuchte er, eine nebenwirkungsarme Behandlung sicherzustellen.

Enge therapeutische Breite Aber erst mit den im 20. Jahrhundert eingeführten standardisierten Präparaten aus isolierten Digitalisglykosiden (z. B. Digitoxin, Digoxin, Digoxin-Derivate) wurde eine exakte Dosierung möglich. Aufgrund seines hohen Wirkstoffgehaltes dient neben Digitalis purpurea vor allem Digitalis lantana der Glykosidgewinnung. Die Droge und daraus hergestellte Zubereitungen sind inzwischen obsolet. Doch bleibt die Therapie schwierig, da Digitalisglykoside eine enge therapeutische Breite besitzen. Eine individuelle Empfindlichkeit der Herzkranken auf die Herzglykoside erschwert zudem die Dosisfindung.

Mit toxischen Erscheinungen ist bereits beim Überschreiten der für den vollen therapeutischen Effekt erforderlichen Dosis um das 1,5 bis 3-fache zu rechnen. Nebenwirkungen wie Übelkeit, Brechreiz, Sehstörungen oder Arrhythmien treten dann in verstärkter Form auf und können bei fortgesetzter Medikation in ein toxisches Stadium übergehen. Dies wird mit einem plötzlich einsetzenden schnellen Puls eingeleitet und löst den Tod durch Kammerflimmern aus.

Vergiftungsfälle Intoxikationen im Rahmen einer Digitalistherapie sind häufiger als Vergiftungen, die durch den versehentlichen Verzehr von Pflanzenteilen ausgehen. Zwar gehört der Rote Fingerhut zu den besonders giftigen heimischen Pflanzen. Bereits der Verzehr von zwei bis drei Blättern kann für einen Menschen tödlich sein. Relativ selten wird jedoch von Verwechslungen mit den ähnlich aussehenden Blättern von Borago officinalis berichtet. Zudem verhindern der bittere Geschmack der Fingerhutblätter und ein spontanes Erbrechen die Aufnahme größerer Mengen. Ein Probieren der Blütenknopsen von neugierigen Kindern kommt häufiger vor, ist aber aufgrund der niedrigen Mengen an Herzglykosiden weniger toxisch.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 04/13 ab Seite 98.

Gode Meyer-Chlond, Apothekerin

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