Evita Perón © neftali77 / 123rf.com
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Krankheiten berühmter Persönlichkeiten

ENGEL DER ARMEN

Als Eva Perón 1952 im Alter von 33 Jahren an Krebs starb, trauerte ganz Argentinien. Schon zu Lebzeiten war sie ein Mythos, ihr Sterben wurde absichtlich hinausgezögert.

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Nicht erst seit Andrew Lloyds Webbers Musical „Evita“, seiner Verfilmung mit dem Popstar Madonna und dem herzzerreißenden Lied „Don‘t cry for me, Argentina” ist Evita Perón auch in Europa selbst den an Politik und Geschichte desinteressierten Menschen bekannt, denn ihre Lebensgeschichte bewegt.

Außergewöhnlicher Personenkult Volksheldin, Märtyrerin, ein Massenidol, vergöttert von den Peronisten in Argentinien als Heilige, als Engel der „descamisados“, der Hemdlosen, der Armen – das war Evita schon zu Lebzeiten. Geboren wurde Evita Perón am 7. Mai 1919 in Los Toldos, einem Ort in der tiefsten argentinischen Provinz, etwa 250 Kilometer westlich von Buenos Aires, als Eva Maria Ibarguren Duarte, fünftes uneheliches Kind des Landwirts Juan Duarte und seiner Geliebten Juana Ibarguren. Mit 15 Jahren zog sie mit dem Tangosänger Magaldi in die argentinische Hauptstadt Buenos Aires, arbeitete dort als Animiermädchen, später Fotomodel und Schauspielerin.

Schon bald wurde sie Geliebte eines millionenschweren Seifenfabrikanten, der ihr Kontakt zum Chef eines Radiosenders verschaffte und den Seifenfabrikanten als Geliebter ablöste. Sie wurde Radiomoderatorin, machte dabei auf die schreiende Armut Argentiniens aufmerksam, zelebrierte ihre Sendung als Spektakel, weinte und klagte mit ihrer glockenhellen Stimme – und wurde damit in ganz Argentinien bekannt.

Einer ihrer nächsten Liebhaber, ein Oberst des Militärs, das in Argentinien den Schlüssel zur Macht besaß, stellte der 24-Jährigen auf einer Wohltätigkeitsveranstaltung den damals doppelt so alten verwitweten Oberst Juan Domingo Perón vor, der kurz darauf ihr neuer Liebhaber, aber auch Vizepräsident, Kriegs- und Arbeitsminister wurde. Unter Peróns Einfluss erhielt Eva auch immer größere Spielfilmrollen. Anfang 1945 musste sie sich für den Streifen „La Cabalgata del Circo“ (Der Zirkusritt) ihre dunklen Haare blondieren. Diese Verwandlung war so gelungen, dass sie für den Rest ihres Lebens blond gefärbte Haare trug.

Am 12. Oktober 1945 wurde Eva Duarte dann jäh in die Politik gerissen. Nach einem Staatsstreich des Militärs, bei dem Perón verhaftet wurde, mobilisierte Eva die Massen und erreichte so, dass Perón freigelassen wurde. Am 22. Oktober 1945 heirateten Juan Perón und Eva, wenige Monate später am 24. Februar 1946 wurde Juan Perón – auch dank Evitas populistischer Hilfe und ihres starken sozialen Engagements – zum Präsidenten Argentiniens gewählt.

VORSCHAU
In unserer neuen Serie „Krankheiten berühmter Persönlichkeiten“ stellen wir Ihnen demnächst folgende Menschen vor:
+ Sigmund Freud (Gaumenkrebs)
+ Ludwig II (Hirnhautentzündung und Folgen)
+ Friedrich Nietzsche (paranoide Schizophrenie)

Fleiß, Intellekt und Schönheit hat Eva Perón immer wieder bewusst eingesetzt, um sich von einem Mann zum nächsten „hochzuarbeiten“. Dieser Lebens- und Karrierestil wurde ihr später auch immer wieder zum Vorwurf gemacht, manchmal sogar als Erklärung für ihre spätere tödliche Krankheit herangezogen. Tatsächlich war Sex für Evita reines Mittel zum Zweck: „Mir ist es egal, mit wie vielen Frauen du schläfst“, soll sie zu Perón noch kurz vor ihrem Tod gesagt haben. „Aber sorge dafür, dass ich unsterblich werde.“ Das ist bis heute gelungen.

Evita darf nicht sterben Ihre Krankengeschichte begann im Jahr 1950, mit 30 Jahren. Bei einer öffentlichen Veranstaltung am 9. Januar 1950 wurde sie ohnmächtig, ein paar Tage später wurde ihr der Blinddarm entfernt. Womöglich fiel den Medizinern bei diesem Eingriff schon ihr Gebärmutterhalskrebs auf. Evita erholte sich nur langsam, blieb schwach, anämisch, erlitt abermals einen Ohnmachtsanfall, litt an immer heftiger werdenden Unterleibsschmerzen. Vom Hausarzt wurde diese mit Morphiuminjektionen behandelt.

»Evita wurde eine Betäubungsspritze verabreicht und – ohne ihr Wissen – von Dr. Ricardo Finochietto untersucht.«

Um ihrem Mann die Wiederwahl zum Präsidenten zu ermöglichen und zunächst vom Wunsch beseelt, selbst Vizepräsidentin im partriarchalischen Argentinien zu werden, arbeitete sie weiter – bis zu 18 Stunden am Tag. Mit der bis dahin glamourösen Präsidentengattin ging es körperlich jedoch stetig bergab, sie erhielt immer größere Mengen Morphin. Doch sie musste funktionsfähig bleiben – mindestens bis zum Wahltermin am 11. November 1951, denn ohne sie hatte Juan Perón keine Chance auf Wiederwahl.

Um herauszufinden, unter welcher Erkrankung sie tatsächlich litt, wurde von Seiten des mächtigen Gewerkschaftsbosses José Espejo und ihres Mannes Juan Perón eine Geheimaktion gestartet, die jedem Agententhriller zur Ehre gereichen würde: Evita wurde statt einer Morphium eine Betäubungsspritze verabreicht und – ohne ihr Wissen – im „Presidente Perón“-Klinikum vom dortigen Chefarzt Dr. Ricardo Finochietto untersucht. Ergebnis: Gebärmutterkrebs und Leukämie.

Zu ihrer Operation am 3. November 1951 wurde der renommierte Krebsspezialist Dr. George Pack vom Memorial Hospital in New York heimlich eingeflogen. Auch dies ohne Wissen von Evita Perón, die über die Schwere ihrer Erkrankung weitgehend im Unklaren gelassen wurde. Für den erfahrenen Operateur stand nach einer faktischen Totaloperation fest, dass Evita weiter todkrank war und trotz seiner Eingriffe keine Chance mehr hatte.

Dennoch wurde alle nur erdenklichen lebensverlängernden Maßnahmen inklusive Strahlentherapie bei der Todkranken mit mittlerweile künstlichem Darmausgang ergriffen. Und tatsächlich gewannen die Peronisten die Wahl – mit überwältigender Mehrheit. Acht Wochen nach der Operation meisterte Evita tatsächlich noch einmal einen öffentlichen Auftritt – quasi ein Sieg des Geistes über den maroden Körper. Vollgepumpt mit Medikamenten hielt sie weiter Ansprachen, empfing sie Diplomaten, besuchte sie sogar Kinderheime. Doch der nächste Zusammenbruch folgte. Auch extra aus Deutschland hinzugezogene Gynäkologiespezialisten konnten nichts am Zustand ändern. Evita Perón starb am 26. Juli 1952.

Auch als Tote keine Ruhe Ihr Leichnam wurde einbalsamiert und in einem Sarg mit Glasdeckel im Kongressgebäude zur Schau gestellt. Über zwei Millionen Menschen nahmen am Trauerzug teil, die Staatstrauer dauerte 30 Tage. Die Geschichte verzeichnet keine andere Frau, die unter so ausufernden Trauerbezeigungen zu Grabe getragen wurde. Selbst Wachskopien ihres Leichnams wurden angefertigt, ein gewaltiges Mausoleum geplant. Ihren Leichnam selbst schaffte das Militär beim Putsch gegen Perón 1955 jedoch außer Landes.

Jahrelang war Evita Peróns balsamierter Leichnam unter falschem Namen in Mailand begraben. Heute ruht er hinter drei Stahlplatten in einer mehrere Meter tiefen Gruft auf dem Friedhof La Recoleta in Buenos Aires. Evita Perón war 33 Jahre – das Alter, in dem Jesus gekreuzigt wurde, wie ihre Anhänger bis heute sagen. Dies zeigt: Idole dürfen nicht alt werden.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 09/14 ab Seite 106.

Dr. Eva-Maria Stoya, Apothekerin / Journalistin

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