Einzelne Muskelgruppen anzusteuern und isoliert und intensiv zu trainieren, ist möglich und bringt schnelle Erfolge. Aber ist es auch sinnvoll und gesundheitsfördernd? © interstid / iStock / Getty Images Plus

Fitness | Muskulatur

EINZELTRAINING FÜR DIE MUSKELN: SINNVOLL ODER KONTRAPRODUKTIV?

Bauch, Beine, Po: Beim Workout nur einzelne Muskelgruppen anzusteuern ist möglich. Doch es gibt Grenzen. Und manchmal ist das Einzeltraining auch kontraproduktiv - oder sogar schädlich.

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Fünf Übungen für das Sixpack, ein neues Workout für straffe Unterschenkel. Wer einzelne Muskeln isoliert und intensiv trainiert, sieht schnell große Erfolge. Zumindest wird ein solches Bild durch Fitness-Werbung erzeugt. Aber stimmt das überhaupt? E

inzelne Muskelgruppen durch Übungen selektiv anzusteuern, ist auf jeden Fall gut möglich. Unter anderem bei Bauch, Brust und Extremitäten funktioniert das sogar sehr gut. «Je kleiner der Muskel und je komplexer die Bewegung, desto schwieriger lassen sich die Muskeln aber isoliert trainieren», erklärt Lars Donath, Professor für Trainingswissenschaftliche Interventionsforschung an der Deutschen Sporthochschule Köln.

Ob es auch sinnvoll ist, einzelne Muskelgruppen zu trainieren, hängt aber von den individuellen Zielen und Motiven jedes Sportlers ab. Und genau die sollte man zu Beginn eines Workouts oder eines Trainingsplans zunächst hinterfragen. Denn während ein Langläufer für seinen Sport große Muskeln in ganz verschiedenen Körperbereichen stärken muss, kann zum Beispiel für einen Dartspieler das Training einzelner Muskeln im Arm durchaus interessant sein, sagt Donath.

Doch es gibt Grenzen: Denn Sportler sollten versuchen, starke Dysbalancen beim Training zu vermeiden. Dafür ist es wichtig, den Gegenspieler-Muskel im gleichen Maß mitzutrainieren. «Zum Beispiel sollte zum Bauch auch immer der untere Rücken trainiert werden und bei der Brust immer auch genauso der obere Rücken», erklärt Personal Trainerin Nina Kersting aus Dortmund.

Den Zusammenhang zwischen dem sogenannten Protagonist und seinem Antagonist bei den Muskeln kennt man vor allem von den Armmuskeln Bizeps und Trizeps. Die Gefahr: Entstandene Dysbalancen können Verspannungen oder Verkürzungen bestimmter Muskeln auslösen und damit eventuell Gelenke schädigen und langfristig Verletzungen verursachen.

Auch bei zu einseitigem Brusttraining müssen Sportler aufpassen. «Man neigt sonst dazu, die Schultern vorzuziehen. Auch beim Hüftbeuger ist es problematisch, da das Becken nach vorne gekippt wird», sagt Donath. Im Gegenzug kann Training einzelner Muskeln aber durchaus sinnvoll sein, wenn bereits eine Dysbalance vorliegt.

Wenn man Muskeln einzeln trainiert, sollte man die Belastung in jedem Fall sinnvoll steuern. Beim Bauch beispielsweise kann man durch verschiedene Übungen sehr unterschiedliche Schwerpunkte im Training setzen. Ebenfalls wichtig ist die Art der Belastung: Die Übungen sollten bewusst und sauber durchgeführt werden. Das ist wichtiger als viele und schnelle Wiederholungen, insbesondere im Gesundheits- und Breitensportbereich. «Man sollte die Belastung langsam steuern und Ausweichbewegungen beim Training vermeiden, um Knochen, Gelenke oder Sehnen nicht zu überlasten», erklärt Lars Donath.

Das klassische Beispiel dafür ist das Hohlkreuz beim Bankdrücken oder tiefen Kniebeugen. «Man sieht oft eine sehr kontraproduktive Ausführung», sagt Felix Binsker. Auch er ist Personal Trainer in Dortmund.

Deshalb gilt: Wer nicht gerade einzelne Muskeln trainieren muss, sollte lieber Übungen machen, die mehrere Muskeln am Körper aktivieren. «Vor allem, wenn man wenig Zeit hat, kann man mit wenig Übungen viel erreichen», sagt Nina Kersting. Zudem verbrennt man mehr Kalorien, je mehr Muskeln gleichzeitig aktiviert werden. Wenn man also ein Sixpack haben möchte, sollte man trotzdem mehr als nur den Bauch trainieren. Denn um das zu schaffen, muss der Körperfettanteil reduziert werden. Und das geht eben am einfachsten, wenn man möglichst viele Kalorien verbrennt.

Auch deshalb ist aktuell das sogenannte HIT, kurz für Hochintensitäts-Training, sehr beliebt. Dazu gehören kurze, aber sehr intensive Übungen, die den ganzen Körper beanspruchen - unter anderem Planks genannte Unterarmstützen in allen Variationen oder die klassische Kniebeuge.

Egal wie man trainiert - grundsätzlich ist es sinnvoll, die Belastung immer etwas zu verändern. Denn der Körper gewöhnt sich sehr schnell an eine Übung, der gewünschte Effekt wird also schwächer. Wie sehr der Körper auf die Reize reagiert, ist individuell völlig unterschiedlich.

Bis die Muskeln optisch größer werden, kann es in jedem Fall etwas dauern - auch bei konsequentem Einzeltraining für Arm oder Bauch. «In den ersten vier bis sechs Wochen passieren neuronale Anpassungen im Körper. Erst ab sechs Wochen sieht man in der Regel seriöse Erfolge», erklärt Lars Donath. Der Experte empfiehlt deshalb, einen Trainingsplan auf erstmal mindestens 24 Einheiten durchzuziehen und die Belastung und Ergebnisse zu dokumentieren.

Das Training von einzelnen Muskeln ist also möglich, doch es hat Grenzen. Wer keine Fehler machen möchte, sollte grundsätzlich einen Trainer zu Rate ziehen. Zudem rät Felix Binsker zu einem klaren System. Die Ernährung spielt eine große Rolle, allein für ein Sixpack mache sie etwa 50 bis 60 Prozent des Erfolges aus.

Und auch die Psyche ist wichtig. Denn im Gehirn entsteht unter anderem Schmerz und Leistungsbereitschaft. «Einen Motor kann man schließlich nicht starten, wenn der Tank leer ist», sagt Kersting. Egal ob man einzelne Muskeln oder den ganzen Körper trainiert: Sportler sollten ihre Ziele klar feststecken. Dann bleibt der Tank auch länger voll.

Quelle: dpa

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