Politik
DIE NEUE APOTHEKENBETRIEBSORDNUNG
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Nach 25 Jahren machten Entwicklungen und Erfahrungen aus der Praxis eine Weiterentwicklung der Apothekenbetriebsordnung notwendig. Mitte 2010 gelangte ein nicht autorisierter Arbeitsentwurf in die Öffentlichkeit und sorgte für Diskussionen. Ein gutes Jahr später folgte ein nicht weniger umstrittener Referententwurf. Die nun beschlossene abgespeckte Fassung trägt der Kritik im Vorfeld Rechnung. Große Änderungen durch den Bundesrat sind nicht mehr zu erwarten. Die wichtigsten Neuregelungen im Überblick:
Stärkung der Beratungspflicht Der bereits in einem früheren Eckpunktepapier zur ApBetrO angekündigte Ausbau der Beratungspflicht findet sich als Verpflichtung wieder, den Beratungsbedarf durch Nachfrage festzustellen und eine Beratung insbesondere zur sachgerechten Anwendung des Arzneimittels anzubieten. Die bisherige Apothekenbetriebsordnung sah lediglich eine Beratung „soweit dies aus Gründen der Arzneimittelsicherheit erforderlich ist” vor. Zudem soll die Vertraulichkeit vorrangig durch organisatorische Maßnahmen, etwa durch farbliche Kennzeichnung auf dem Boden oder Umstellung der gewährleistet werden.
Höhere Anforderungen an Arzneimittelherstellung Bisher enthielt die ApBetrO nur allgemeine Anforderungen an die Arzneimittelherstellung. Sie werden nun für Rezeptur- und Defekturarzneimittel konkretisiert und verschärft; die Großherstellung wird nur noch mit einer Herstellungserlaubnis nach dem Arzneimittelgesetz statthaft sein. Grundsätzlich sollen Rezepturanfertigungen nach standardisierten Vorschriften hergestellt, mindestens organoleptisch geprüft und Herstellung und Freigabe dokumentiert werden.
Für Defekturen werden weitgehend die gleichen hohen Standards wie in der industriellen Arzneimittelherstellung gefordert. Patientenindividuelle Blister und Parenteralia müssen in separaten Räumen hergestellt werden; Detailregelungen finden sich in einem neuen Sonderabschnitt.
Konkretisierung der Hygiene Die geltende ApBetrO schrieb bisher nur vor, dass Apothekenbetriebsräume in einem einwandfreien hygienischen Zustand gehalten werden müssen. Die neue Verordnung konkretisiert die Forderungen in einem eigenständigen Paragrafen. Die Maßnahmen sind in einem Hygieneplan schriftlich festzulegen und zu dokumentieren. Das Reinigen und Desinfizieren der Hände und der Arbeitsfläche vor Herstellungsbeginn und das Tragen sauberer Schutzkleidung sollte auch ohne Hygieneplan in der Vergangenheit selbstverständlich gewesen sein.
Deregulierung der Ausstattung Die Streichung der ehemals langen Auflistung vorzuhaltender Laborgeräte und Reagenzien ist sicherlich begrüßenswert. Nun können Apotheken selbst entscheiden, welche modernen und dem Stand von Wissenschaft und Technik entsprechenden Prüfgeräte und Prüfmittel anzuschaffen sind. Auf ein Gerät zur Herstellung von Wasser für Injektionszwecke kann verzichtet werden, wenn entsprechende Fertigarzneimittel vorgehalten werden.
Dereguliert werden zudem die Vorschriften zu den wissenschaftlichen Hilfsmitteln. Namentlich erwähnt findet sich in der Verordnung noch das Arzneibuch, während der Deutsche Arzneimittelcodex oder das Synonymverzeichnis gestrichen sind. Entrümpelt und fortgeschrieben wurden zudem die Regelungen zur Vorratshaltung und zu den Notfallarzneimitteln.
Hilfreiche Begriffsbestimmungen Apothekenübliche Waren werden um Mittel zur Körperpflege wie Kosmetika oder Badezusätze ergänzt. Apothekenübliche Dienstleistungen werden erstmals definiert und umfassen insbesondere die Gesundheits- und Ernährungsberatung, Gesundheitsaufklärung, die Beratung zu Vorsorgemaßnahmen und die Durchführung von Gesundheitstests.
ETABLIERUNG EINES QMS
Viele Apotheken haben schon heute auf freiwilliger Basis ein Qualitätsmanagementsystem (QMS) etabliert. Nun kommt eine QMS-Pflicht für alle Apotheken. Insbesondere sind betriebliche Abläufe festzulegen und ihre Einhaltung zu dokumentieren. Eine Zertifizierung des QM-Systems ist nicht erforderlich.
Liberalisierung des Botendienstes Zudem sieht die nun beschlossene Fassung vor, die derzeitige Einschränkung bei der Botenzustellung „auf den Einzelfall” in Anpassung an die teilweise geübte Praxis aufzuheben. Falls zuvor keine Beratung stattgefunden hat, muss diese bei der Abgabe durch das pharmazeutische Personal erfolgen. Auch die Bestimmungen zur Versandzustellung werden um Beratungsangebote ergänzt.
Flexibilisierung im Filialverbund Nach kontroversen und zum Teil heftigen Diskussionen im Vorfeld der Verordnung gab das Bundesministerium für Gesundheit sein Vorhaben weitestgehend auf, den rechtlichen Rahmen für eine Bündelung von Aufgaben im Filialverbund zu schaffen. Ein Labor muss entgegen den ursprünglichen Plänen weiterhin in jeder Apotheke vorhanden sein und die Arzneimittelherstellung darf nicht zentralisiert werden. Lediglich Notdienste können in engen Grenzen gebündelt werden.
Pick-up-Stellen Ein Verbot von Pick-up-Stellen sucht man im Verordnungsentwurf vergeblich. Das Bundesgesundheitsministerium prüft weiterhin …
Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 03/12 ab Seite 82.
Dr. Michael Binger, Hessisches Sozialministerium