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DIE BLUT-HIRN-SCHRANKE
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Die Blutgefäße im Gehirn haben insgesamt eine Länge von 600 Kilometern. Auf dieser Strecke könnten theoretisch alle möglichen Substanzen, wie giftige Stoffwechselendprodukte oder auch Krankheitserreger, den Blutkreislauf verlassen und ins Hirn vordringen. Wenn es hier nicht eine sehr effektive Barriere gäbe: Die Blut-Hirn-Schranke. Vorstellen kann man sie sich so: Jedes dieser Blutgefäße ist an seiner Innenwand mit Endothelzellen ausgekleidet. Zwischen ihnen bestehen besonders feste Zellkontakte, die Tight Junctions. Sie schweißen diesen Überzug eng zusammen und riegeln den Zugang für fremde Stoffe weitgehend ab.
Transportwege Im Grunde ist die Blut-Hirn-Schranke eine semipermeable Membran ohne Lücken und Spalten. Lipophile niedermolekulare Stoffe und Gase können die Membran durchaus passieren. So kann zum Beispiel Ethanol wegen seiner geringen Molekülgröße und einer gewissen Lipophilie entlang seines Konzentrationsgradienten durch die lipidhaltige Membran ins Hirn schlüpfen. Die Permeabilität ist vor allem für hydrophile Stoffe stark eingeschränkt. Ein weiterer Faktor ist die Molekülgröße.
Um den Bedarf an lebenswichtigen hydrophilen und großen Molekülen, wie Glucose, Aminosäuren oder Insulin zu decken beziehungsweise um Stoffwechselendprodukte zu eliminieren, befinden sich Transportsysteme in der Membran. Spezielle Kanalproteine, die Aquaporine, erleichtern Wassermolekülen den passiven Transport. Glucose und Aminosäuren werden über aktive, also Energie-verbrauchende, Transporter eingeschleust. Größere Moleküle, wie zum Beispiel Low Density Lipoprotein (LDL) binden an Rezeptoren und werden in Vesikeln auf die andere Seite der Membran transportiert.
Fluch und Segen zugleich Das System hat sich bewährt. Unzählige schädliche Stoffe werden vom Hirn ferngehalten. Doch zugleich ist die Blut-Hirn-Schranke ein Fluch. Denn auch Arzneistoffe, die bei einer Erkrankung dem Gehirn helfen könnten, werden von ihr abgewiesen. Nur besonders kleine und ausreichend lipophile Moleküle, darunter viele Antidepressiva, Antipsychotika und Schlafmittel, können sie passieren. Die meisten Substanzen zur Behandlung von Hirnerkrankungen scheitern, weil man keinen Zugang zum Gehirn hat. Eine Möglichkeit ist die Lipophilisierung eines Moleküls.
Ein Beispiel: Während Morphin zwei und Codein eine Hydroxylgruppe besitzt und die beiden Opioide damit noch relativ schwer gehirngängig sind, kann der Diacetylester Heroin, bei dem beide Hydroxylgruppen verestert und damit lipophilisiert wurden, alle Barrieren überwinden. Seine Aufnahme ins Gehirn ist 25-fach höher als die von Morphin. Die Strategie der Lipophilisierung funktioniert allerdings nur für relativ kleine Moleküle. Bei größeren ist eine Diffusion nicht mehr möglich. An zahlreichen weiteren Ansätzen, die Blut-Hirn-Schranke gezielt zu öffnen, wird derzeit geforscht.
Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 04/18 auf Seite 134.
Sabine Breuer, Apothekerin/Chefredaktion