Darreichungsformen
DIE ALLZWECKWAFFE DER PHARMAZIE
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Eine Kundin mit einem Privatrezept über Milchsäurebakterien wundert sich, dass auf der Packung das Wort Kapseln gedruckt ist. Laut ihrem Arzt soll sie etwas zum Einführen bekommen. Die PTA klärt die Dame darüber auf, dass diese spezielle Kapselart für die vaginale Applikation gedacht ist. Erleichtert verlässt Sie die Apotheke. Diese Situation kann in jeder Apotheke vorkommen. Viele Kunden assoziieren die Kapsel nur mit der oralen Einnahme. Doch sie bietet so viel mehr. Den höheren Produktionsaufwand und die dadurch entstehenden Kosten kompensiert die Kapsel mit Leichtigkeit. Einige Vorteile sollen in diesem Artikel beleuchtet werden, damit die Kunden auch weiterhin ihre Therapie mit der Kapsel erfolgreich durchführen.
Für Feststoffe geeignetUnabhängig von der späteren Anwendungsform werden grundsätzlich zwei Kapselarten unterschieden. Der erste Typ ist die Hartkapsel. Diese besteht aus einem Kapselboden und einer Kapselkapppe, die jeweils ohne Weichmacherzusätze hergestellt wurden. Als Inhalt werden feste Arzneiformen bevorzugt. Die Füllung variiert von einfachen Pulvern und Granulaten bis hin zu kleinen Tabletten und Kapseln. So können sowohl schnell freisetzende als auch retardierte Therapien produziert werden. Sogar Pasten können in Hartkapseln gefüllt werden und sind somit oral verfügbar. Auch der Einsatz in Pulverinhalatoren hat sich erfolgreich durchgesetzt.
Die richtige Dosierung, beispielsweise von bronchialerweiternden Arzneistoffen wie Tiotropiumbromid, wird durch Kapseln gewährleistet, die als Einmalanwendung im entsprechenden Inhalator geöffnet werden. Der Patient kann das Pulver einzeln inhalieren und eine Überdosierung wird verhindert. Auch das selbstständige Öffnen von Hartkapseln durch den Patienten kann sich als hilfreich erweisen. Eine Lösung bietet dieses Vorgehen bei Patienten mit Schluckbeschwerden oder bei der Therapie von Säuglingen und Kleinkindern, die beispielsweise aufgrund einer Herzerkrankung in der Apotheke hergestellte Kapseln mit herzwirksamen Arzneistoffen in sehr geringer Dosierung erhalten. Nichtmodifizierte Hartkapseln können geöffnet werden und die Einzeldosis zum Beispiel in Joghurt oder ins morgendliche Müsli eingerührt beziehungsweise ins Milchfläschchen gegeben werden.
Ein Kunde sollte immer in seiner Apotheke des Vertrauens sicherstellen, dass diese Möglichkeit für seine Medikation geeignet ist. Wirkstoffe könnten inaktiviert werden, falls sie mit Nahrungsbestandteilen ausfallen oder der Kunde könnte eine Modifizierung der Kapsel nicht erkannt haben. Überdosierungen könnten die Folge sein, wenn durch das Öffnen die Retardform der Kapsel umgangen wird. Ein allgemeiner Nachteil von Kapseln ist die fehlende Teilbarkeit. In Zeiten von Lieferengpässen kann so nicht auf eine höhere, teilbare Wirkstoffdosis ausgewichen werden, wie es bei Tabletten der Fall ist.
Beratungshinweise
Die Anwendung einer Kapsel sollte immer kurz erwähnt werden. Hart- und Weichkapseln unterscheiden sich nur durch den Einsatz von Weichmachern. Modifizierte Kapseln dürfen nicht geöffnet werden. Nicht-modifizierte Hartkapseln dürfen geöffnet werden, jedoch nicht immer unter beliebiges Essen gemischt werden. Wirkstoffe könnten mit Nahrungsbestandteilen ihre Wirkung verlieren. Gelatine-Kapseln sind nicht vegetarisch, Alternativen stehen zur Verfügung.
Und bei Flüssigkeiten? Bei öligen Substanzen kommt der Einsatz von Hartkapseln an seine Grenzen. Um ätherische Öle oder auch lipophile, flüssige Arzneistoffe gut verarbeiten zu können, werden Weichkapseln verwendet. Der große Unterschied zu Hartkapseln besteht im Einsatz von Weichmachern, die benötigt werden, um die dickere Hülle der Weichkapseln verarbeiten zu können. Sorbitol, Glycerol oder Polyethylenglykol sind Beispiele für Weichmacher, deren Art und Menge die Elastizität und die Geschmeidigkeit der endgültigen Kapsel bestimmen. Weichkapseln können nicht geöffnet werden, wodurch der Wirkstoff besser geschützt wird. Auch das Herstellungsverfahren unterscheidet sich von Hartkapseln. Ein Beispiel ist das Scherer-Verfahren, auch Rotary-Die genannt.
Hierbei werden Gelatinebänder durch Walzen mit Stanzblättchen in Form gebracht, das Füllgut in die gestanzten Formen eingefüllt und die Kapsel direkt im Anschluss durch Wärme verschlossen. Diese drei Schritte passieren in einem Arbeitsgang. Das Verfahren gilt mit einer Genauigkeit von einem Prozent bei einer Leistung von 100 000 Kapseln pro Stunde als verlässliche Produktionsmöglichkeit. Die Kapseln aus diesem Herstellungsverfahren sind sehr markant durch eine zentrale Schweiß-Naht in Längsrichtung zu erkennen. Die endgültige Form und Farbe variieren je nach Stanzblättchen und der Farbe der Gelatinebänder. Es können beliebige Formen zwischen einem Volumen von 0,8 und 30 Millilitern produziert werden.
Sogar mehrfarbige Weichkapseln sind auf diese Weise möglich. Allerdings können Weichkapseln nicht in der Apotheke befüllt werden. Wie die Hartkapsel zeichnet sich auch die Weichkapsel durch gleich mehrere Anwendungsmöglichkeiten aus. Glyceroltrinitratkapseln sind Weichkapseln, die bei Angina-pectoris-Anfällen zerbissen werden sollen. Die bei Raumtemperatur ölige Flüssigkeit Glyceroltrinitrat wird durch das Zerstören der Weichkapselhülle freigesetzt, sublingual über die Mundschleimhaut aufgenommen und wirkt innerhalb von Sekunden bis Minuten. Auch rektal und vaginal können Weichkapseln eingesetzt werden. Gängige Vertreter in der Offizin sind Rektalkapseln mit Prednisolon bei Pseudokrupp und Vaginalkapseln mit Progesteron oder Milchsäurebakterien. Möglich ist diese Anwendung, da meist nur lipophile Stoffe in Weichkapseln verwendet werden, die die Hülle nicht zerstören. Durch passive Diffusion werden die lipophilen Stoffe über die jeweiligen Schleimhäute aufgenommen.
Kapselbestandteile Traditionell bestehen viele Kapseln aus Gelatine. Dieses robuste und flexible Eiweiß wird aus Tierknochen, Kalbs- und Schweinehäuten gewonnen. Die Verwendung tierischer Ausgangsprodukte stellt in der Offizin immer häufiger Beratungsbedarf dar. Die genaue Herkunft wird in der ABDA-Datenbank oft nicht angezeigt. Aus kulturellen, religiösen oder ethischen Gründen muss die genaue Herkunft bekannt sein oder Gelatinekapseln werden im Ganzen durch den Kunden abgelehnt. Alternativen gewinnen immer mehr an Bedeutung und die Industrie hat diesen Markt mittlerweile für sich erkannt.
Ersatzmöglichkeiten für Gelatine-Kapseln bilden nicht mehr die Ausnahme, sondern teilweise sogar die einzige Möglichkeit, wie bestimmte Arzneimittel verpackt sind. Hydroxypropylmethylcellulose ist ein gängiges Beispiel. Die modifizierte Variation der Cellulose ist wasserlöslich und somit gut geeignet für den Einsatz als Kapselbasis. Die Kunden sollten auf genug Wasser bei der Einnahme achten, da diese Hülle gerne an der feuchten Mundschleimhaut anhaftet. Einen weiteren Vertreter bilden Gluco- und Galactomannane. Diese Stärke-ähnlichen Substanzen werden unter anderem aus Schimmelpilz-Arten des Aspergillus gewonnen.
Den Artikel finden Sie auch in DIE PTA IN DER APOTHEKE 08/2020 ab Seite 26.
Manuel Lüke, Apotheker und PTA-Lehrer