Neuropathische Schmerzen müssen schnellstmöglich unterbunden werden. © spukkato / iStock / Getty Images Plus

Neuentwicklung | Neuropathien

DAUERND UND IMMER: WENN SCHMERZ SICH VERSELBSTÄNDIGT

Die Entwicklung von neuropathischen Schmerzen, die nach Unfällen oder Operationen häufig auftreten, muss so früh wie möglich unterbunden werden. Denn sonst verselbstständigen sie sich und werden chronisch. Forscher des Fraunhofer-Institutes haben jetzt einen Weg gefunden, diese gefürchtete Folgeerscheinung zu unterbinden.

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Taubheitsgefühle, ein unangenehmes Kribbeln an Händen und Füßen – solche Symptome können auf eine Neuropathie hinweisen. Dauert diese durch Schädigungen des peripheren oder zentralen Nervensystems verursachte Erkrankung monatelang an, wird sie als chronisch bezeichnet und ist nur noch sehr schwer zu behandeln. Oftmals treten diese Missempfindungen nach Operationen oder Unfällen auf, bei denen das Rückenmark verletzt wurde. Auch Phantomschmerzen zählen zu den neuropathischen, mechanisch induzierten Schmerzen.

Typisch ist auch eine Veränderung der Hautsensibilität. Reize wie Hitze, Kälte oder Berührungen werden entweder stärker oder kaum noch empfunden. Verselbstständigt sich der Schmerz, wird die Lebensqualität der Betroffenen erheblich beeinträchtigt. Häufig können sie ihren Beruf nicht mehr ausüben; sie vernachlässigen Freizeitbeschäftigungen und Freundschaften. Die Folgen: Isolation, Resignation, möglichweise Depressionen.

Die Entwicklung von neuropathischen, Trauma-induzierten Schmerzen nach Operationen oder Unfällen muss so früh wie möglich unterbunden werden. Denn sind neuropathische, chronische Schmerzen erst einmal entstanden, wirken Therapien nur noch eingeschränkt. Entsprechende Medikamente haben zudem starke Nebenwirkungen.

Doch wie entsteht überhaupt diese spezielle Art von Schmerz? Forscher und Forscherinnen des Fraunhofer-Institutes für Molekularbiologie und angewandte Oekologie IME haben sich dieses Themas angenommen. Sie fanden heraus, dass bestimmte Lipide als Signalmoleküle fungieren, die die Entzündungsreaktionen an den beschädigten Nerven steuern. „Die Nerven schlagen Alarm und setzen Lipide frei, um dem Immunsystem zu signalisieren, dass eine Verletzung vorliegt und die Ursache beseitigt werden muss“, sagt Professor Dr. Klaus Scholich, Gruppenleiter Biomedizinische Analytik und Imaging am Fraunhofer IME. „Bei neuropathischen Schmerzen werden die angelockten Immunzellen nach einiger Zeit zum Feind. Sie interagieren derart mit den Nerven, dass die betroffenen Areale permanent entzündet sind. Die Nervenschmerzen können nicht mehr abflauen, sie werden chronisch. Indem wir Signalwege unterbrechen, die Immunzellen anlocken, können wir die Schmerzen deutlich verringern.“ Gut möglich ist das durch die beiden Schmerzmittel Ibuprofen und Diclofenac – früh genug eingenommen, können die beiden die Herstellung des entscheidenden Lipids verhindern.

Ein weiterer Schalter bei chronischem Schmerz ist das Signalmolekül CCL2. Es lockt immer neue Immunzellen zu den verletzten Nerven und verstärkt die entstehenden Reize noch. Die Forscher sehen eine Lösung darin, dass sie den vorgeschalteten Rezeptor ausschalten – und zudem das CCL2 mit spezifischen Antikörpern abfangen. Diese könnten bei denjenigen chronischen Schmerzen zum Einsatz kommen, bei denen Ibuprofen und Diclofenac nicht mehr wirken. Da das Spritzen der Antikörper von vielen Patienten als unangenehm empfunden wird, kümmern sich die Forscher nun auch darum, eine orale Darreichungsform zu entwickeln.

Alexandra Regner,
PTA und Journalistin

Quelle: Informationsdienst Wissenschaft

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