Bakterien © urfinguss / iStock / Getty Images
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Repetitorium

BAKTERIEN UND ANTIBIOTIKA – TEIL 1 –

Bakterien sind so klein, dass man sie mit bloßem Auge nicht sehen kann. Dennoch sind sie überall, auch auf und in unserem Organismus. Die meisten sind für uns nützlich, nur wenige wirken pathogen.

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Als nützliche Mitbewohner haben sie unter dem Begriff Mikrobiota oder Mikrobiom in den letzten Jahren zunehmend positives Aufsehen erregt und es ist geradezu ein Hype um Probiotika entstanden. Andere Bakterien sind pathogen, das heißt sie können eine Vielzahl von Infektionskrankheiten auslösen. Zu ihrer Bekämpfung kommen Antibiotika zum Einsatz.

Ständige Begleiter Es existieren Tausende verschiedener Bakterienarten, die die unterschiedlichsten Orte auf der Welt besiedeln. Sie leben nicht nur im Boden, im Meerwasser oder im Inneren der Erdkruste. Sie sind auch auf und in unserem Körper in der Nase und den Nebenhöhlen, in der Mundhöhle, im Verdauungstrakt, in der Vagina und in den Harnwegen zu finden. Viele von ihnen benötigen zum Überleben Sauerstoff. Ist der Sauerstoff für sie unentbehrlich, spricht man von obligaten Aerobiern. Des Weiteren unterscheidet man zwischen Bakterien, die bei der Anwesenheit von Sauerstoff nicht leben können (obligate Anaerobier) und Bakterien, die sowohl mit als auch ohne Sauerstoff zurechtkommen (fakultative Anaerobier).

Kleinste Lebewesen Bakterien zählen aufgrund ihrer geringen Größe von 0,5 bis 5 Mikrometern (μm) zu den Mikroorganismen. Erst eine mikroskopische Vergrößerung lässt die Kleinstlebewesen sichtbar werden. Der erste, der sich die Bakterien unter dem Mikroskop anguckte, war der niederländische Wissenschaftler Antoni van Leeuwenhoek (1632 bis 1723). Er unterteilte sie bereits nach ihrer Form in Bazillen (stäbchenförmig, von lat. bacillus = Stäbchen), Kokken (kugelförmig, von griech. kokkos = Korn) und Spirillen (spiral- oder wendelförmig wie Spiralen). Zudem kennt man heute noch die fadenförmigen Aktinomyzeten (von griech. aktis = Strahl).

Bei den Kokken wird je nach ihrer Anordnung zueinander noch weiter in Streptokokken (in Ketten), Staphylokokken (in Haufen) oder Diplokokken (paarweise) differenziert. Genauere Betrachtungen haben im Laufe der Zeit noch viele weitere Unterscheidungsmerkmale ausfindig gemacht. Beispielhaft sind da keulenförmige Corynebakterien (von griech. coryne = Keule) oder die Vibrionen (von lat. vibrare = zittern, schwingen) zu nennen, wobei bei letzteren nicht ihre Form, sondern ihre Fortbewegungsart zur Typisierung und Namensgebung geführt hat. Salmonellen haben ihren Namen wiederum dem Bakteriologen Daniel Elmer Salomon, dem Entdecker der Schweinecholera, zu verdanken.

Einzeller ohne Zellkern Bakterien sind einzellige Lebewesen, die sich in Abgrenzung zu den Eukaryoten (griech. eu = gut, caryon = Kern), zu denen Menschen, Tiere oder Pilze zählen, durch das Fehlen eines Zellkerns auszeichnen. Darauf beruht auch ihre Bezeichnung als Prokaryoten (griech. pro = vorher, anstatt, caryon = Kern). Prokaryoten sind viel einfacher als Eukaryoten strukturiert. Statt eines Zellkerns mit Kernmembran besitzen sie ein Kernäquivalent (Nukleoid oder Bakterienchromosom), das frei im Zytoplasma schwimmt. Dieses besteht aus einem einzigen zirkulären Doppelstrang aus DNA, der stark gewunden und verknäuelt vorliegt. Die Erbsubstanz ist beim Bakterium also in einem einzigen Chromosom konzentriert, während sie sich beispielsweise beim Menschen in 23 Chromosomenpaare gliedert. Daneben enthalten viele Bakterien ringförmige extrachromosomale DNA-Stücke (Plasmide), die sich unabhängig vervielfältigen. Darüber hinaus verfügt jedes Bakterium in seinem Zytoplasma noch über 70S-Ribosomen mit einer 30s- und 50s-Untereinheit, an denen die Translation zur Proteinsynthese abläuft.

Doppellagige Plasmamembran Dies alles wird von einer semipermeablen Zellmembran, der Plasmamembran, einer zweilagigen Lipidschicht mit eingelagerten Proteinen, umhüllt. Sie bildet durch Einstülpungen in das Zytoplasma das Mesosom. Darin findet die Zellatmung statt, womit es den Mitochondrien der Eukaryoten ähnelt, in denen die Atmungskette stattfindet. Mitochondrien selber fehlen den Prokaryoten, ebenso sind weder ein Endoplasmatisches Retikulum (ER) noch der Golgi-Apparat vorhanden. In der Plasmamembran sind zudem fadenförmige Fortbewegungsorganellen verankert, die nach außen reichen. Sie werden als Geißeln oder Flagellen bezeichnet und bestehen aus dem Protein Flagellin.

Ähnlich einer Schiffsschraube oder eines Propellers rotieren sie um ihre Achse und ermöglichen damit eine zielgerichtete, aktive Bewegung. Die Zellen besitzen entweder eine (monotrich) oder mehrere Geißeln (polytrich). Diese können sich nur an einem Ende (lophotrich) oder an beiden Enden (amphitrich) bilden sowie über die ganze Zelloberfläche verteilt sein (peritrich). Davon zu unterscheiden sind die Pili oder Fimbrien, die auch der Plasmamembran entspringen. Sie gleichen im Aufbau den Geißeln, sind jedoch viel kleiner. Diese Anhängsel bedecken in großer Zahl ringsherum die Oberfläche einiger Bakterienarten (z. B. E. coli). Sie dienen diesen als Haftungsorganellen (Adhäsine), mit denen sich das Bakterium besser an die Membran einer Wirtszelle oder auch anderer Bakterien anheften kann. Mithilfe größerer Pili können Bakterien auch untereinander Erbgut (z. B. Plasmide) austauschen.

Dünne und dicke Zellwände Auf der Plasmamembran sitzen zellwandsynthetisierende Enzyme, die N-Acetylmuramin und N-Acetylglucosamin produzieren und zum Peptidoglykan (Murein) verknüpfen. Murein stellt den wichtigsten Bestandteil der Zellwand dar. Es besteht aus einer netzartigen Struktur von unverzweigten und geraden Polysaccharidketten (Glykan), die über Aminosäureketten miteinander verbunden sind (Peptidoglykan). Die Zellwand umhüllt die gesamte Zelle. Sie ist relativ starr und bestimmt somit nicht nur die Form der Bakterienzelle, sie schützt zudem gegen äußere Einflüsse und dient der Stabilisierung des Bakteriums. Mit wenigen Ausnahmen (z. B. Mykoplasmen) besitzen die meisten Bakterien eine Zellwand.

Dieser kann bei manchen Bakterien (z.B. Pneumokokken) nach außen eine Kapsel aus Polysacchariden und Polypeptiden aufgelagert sein. Die schleimartige Hülle stellt einen wichtigen Schutz gegen Abwehrmechanismen des Wirtes dar, indem sie die Bakterien beispielsweise vor den Fresszellen des Immunsystems (Phagozytose) bewahrt. Je nach Dicke und Dichte der Bakterienzellwand lassen sich die Bakterien unterschiedlich einfärben. Dieses Färbeverhalten wird nach dem Dänen Christian Gram, dem Entdecker dieses Phänomens, als GRAM-Färbung bezeichnet. Die unterschiedliche Einfärbung erlaubt eine Differenzierung in grampositive und gramnegative Bakterien und ist eines der zentralen Kriterien der Klassifizierung von Bakterien. Der Farbstoff (Gentianaviolett) lässt sich aus den dicken Wänden der grampositiven Bakterien, die aus bis zu 40 Lagen Murein bestehen, im Gegensatz zu den viel dünneren ein- bis zweilagigen gramnegativen nicht mehr auswaschen.

Während die Mureinlagen bei dünnen Wänden durch kurze Peptidbrücken zusammengehalten werden, wird die Verknüpfung bei dickeren Wänden zusätzlich durch längere Pentaglycinbrücken hergestellt. Dabei spielt die Transpeptidase eine Rolle, ein Enzym, das die Quervernetzung der Peptidoglykanketten der Bakterienzellwand katalysiert. Bei grampositiven Bakterien (z. B. Streptokokken, Staphylokokken) durchziehen zusätzlich Lipoteichonsäuren die Zellwand, die in der Außenseite der Plasmamembran verankert sind. Zudem ragen sie durch die Mureinschicht aus der Zellwand heraus. Gramnegative Bakterien (z. B. E. coli) verfügen über ihrer relativ dünnen Mureinschicht zusätzlich noch über eine äußere Membran. Diese Doppelmembran besteht zur Innenseite hin aus Phopholipiden, auf ihrer Außenseite trägt sie Lipopolysaccharide. Diese werden auch als Endotoxine bezeichnet, da sie beim Absterben und Zerfallen der Bakterienzelle toxische Reaktionen beim Wirt auslösen.

Physiologische Mikrobiota Bakterien sind aber nicht nur pathogen. Es gibt eine Vielzahl nützlicher Bakterien, die sich in und auf unserem Organismus befinden und wichtige physiologische Aufgaben erfüllen. Am besten untersucht ist die bakterielle Besiedlung im Darm. Früher sprach man von der Darmflora. Da die Darmbewohner aber nicht dem Pflanzenreich zuzuordnen sind, werden sie heute korrekterweise als Mikrobiota bezeichnet. Häufig wird synonym auch der Begriff Mikrobiom verwendet. Das ist aber eigentlich nicht ganz richtig, da darunter die Gesamtheit der Gene aller Mikroorganismen verstanden wird. Allein im menschlichen Darm leben mehr als 1014 Bakterien: Das sind 100 Billionen Lebewesen, die etwa 1000 verschiedenen Bakterienarten mit über 7000 unterschiedlichen Stämmen angehören. Die Anzahl an Darmbakterien nimmt dabei von oben in Richtung Dickdarm zu. Im aggressiven Gallensäure-haltigen Milieu des Dünndarms siedeln sich nur wenige, vor allem aerobe Bakterien (z. B. Laktobazillen), an.

Im Dickdarm leben deutlich mehr Einzeller, wobei sich darunter vor allem ballaststoffverdauende Anaerobier (z. B. Bifidobakterien) finden, da in den unteren Darmabschnitten kaum noch Sauerstoff vorhanden ist. In einer gesunden Mikrobiota liegt eine Balance zwischen den verschiedenen Bewohnern vor. Die meisten Keime sind apathogen, also ohne Krankheitswert. Es existieren in der Normalflora aber teilweise auch fakultativ krankmachende Kleinstlebewesen, die aber in der Regel von den „guten“ Keimen in Schach gehalten werden. Sie lösen nur unter bestimmten Bedingungen (z. B. geschwächtes Immunsystem) eine Infektion aus, da ihre Zahl dann Überhand nimmt (z. B. Clostridum difficile). Bakterien können auch pathogen werden, wenn sie in großer Zahl in ein Körpersegment gelangen, in das sie eigentlich nicht gehören (z. B. E. coli im Harntrakt).

Rolle der Mikroorganismen Die Darmbakterien sind an einer Reihe gesundheitsfördernder Prozesse beteiligt. Sie erfüllen wichtige Aufgaben bei der Verdauung und bei Stoffwechselfunktionen und unterstützen das Immunsystem. Beispielsweise regen sie die Darmmotilität an und helfen mit ihren Verdauungsenzymen, für den menschlichen Organismus schwer verdauliche Nahrungsbestandteile aufzuschließen und anschließend zu verstoffwechseln. Darüber hinaus synthetisieren sie verschiedene Vitamine (z. B. Vitamin K, Biotin, Folsäure) und bilden kurzkettige Fettsäuren wie Essigsäure oder Buttersäure beziehungsweise deren Salze Acetat und Butyrat.

Letztere spielen bei der körpereigenen Abwehr pathogener Bakterien eine wichtige Rolle. Die Mikrobiota ist darüber hinaus noch über viele weitere Mechanismen am Immungeschehen beteiligt. So verhindern einige Bakterien, dass Giftstoffe (Endotoxine) pathogener Keime in den Organismus eindringen. Andere halten durch Produktion antimikrobieller Stoffe (z. B. Defensine) oder durch Beeinflussung des pH-Milieus fremde Eindringlinge fern. Schließlich verhindern unsere Darmbewohner das Ansiedeln von Krankheitserregern, indem sie um lebensnotwendige Nährstoffe und um Bindungsstellen an der Darmwand konkurrieren (Kolonisationsresistenz).

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 10/2020 ab Seite 86.

Gode Chlond, Apothekerin

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