Repetitorium
AUGENERKRANKUNGEN – TEIL 1
Seite 1/1 7 Minuten
Das Auge als wichtigstes Sinnesorgan vermittelt den größten Teil der Information über unsere Umwelt. Wird das Sehvermögen durch eine Augenerkrankung gemindert oder zerstört, ist die Lebensqualität erheblich beeinträchtigt. In der Apotheke können Patienten mit roten Augen, allergischen oder gereizten Augen, trockenen Augen, Gerstenkorn oder Lidrand- beziehungsweise Bindehautentzündung (Konjunktivitis) Hilfe bekommen. Verletzungen der Augen machen hingegen immer einen Arztbesuch notwendig. Auch bei einem Katarakt (Grauer Star), altersbedingter Makuladegeneration oder Glaukom (Grüner Star) kann die Apotheke wenig ausrichten.
Anatomisch-physiologische Grundlagen Eine gute Analogie, wenn auch nicht optisch völlig korrekt, ist der Vergleich des Auges mit einer Kamera. Im Auge werden mithilfe des optischen Systems (dioptrischer Apparat) Objekte der Umwelt auf der Netzhaut (Retina) abgebildet. Zu den bildentwerfenden Abschnitten des Auges gehören die Hornhaut und die Linse als lichtbrechende Medien. Statt des Glases der Kamera existiert also eine gekrümmte Hornhaut, die auch den höchsten Brechungsgrad des optischen Apparates aufweist.
Die Kamera entwirft scharfe Bilder sowohl von nahegelegenen als auch entfernten Objekten, indem der Fokus der Linse verändert wird. Die Augenlinse, die hinter der Regenbogenhaut (Iris) liegt, verändert ihre Form, wenn sich der Ziliarmuskel im Ziliarkörper kontrahiert, was eben die Änderung des Fokus zur Folge hat. Das fokussierte Licht bildet dann ein umgekehrtes Bild auf dem lichtsensitiven Film, der Netzhaut, ab.
Diese ist eine dünne Schicht, welche die Innenseite der Augapfelrückfläche auskleidet. Sie enthält Millionen lichtsensitiver Zellen (Fotorezeptoren), nämlich Stäbchen und Zäpfchen und zusätzlich ein komplexes Netzwerk anderer Nervenzellen. Der empfindlichste zentrale Netzhautteil ist auch der Teil, der für das Lesen und Farbensehen essenziell ist – die Makula. Nur mit ihrer Hilfe kann überhaupt ein scharfes Bild erzeugt werden.
Bei der Kamera bestimmt eine veränderbare Blende die Menge an Licht, die in die Kamera einfällt. Beim Auge ist die Öffnung ein schwarzes Loch, die Pupille in der veränderbaren Blende, der farbigen Iris. Umgeben sind die empfindlichen Bestandteile von einer „stabilen Kamerahülle” aus weißer Lederhaut (Sklera), die den Augapfel bis auf die Austrittsstelle des Sehnervs und den Sitz der klaren Hornhaut auf der Vorderseite vollständig umgibt.
Zu ihr gehört im vorderen Bereich noch eine zarte, durchsichtige, gut durchblutete Bindehautschicht (Konjunktiva), mit sackartigen Ausstülpungen unter den Lidern. Zwischen der lichtempfindlichen Netzhaut und der äußeren Sklera liegt noch eine Schicht aus Blutgefäßen und Pigmenten, die Aderhaut (Chorioidea). Bei der Kamera ist dies einfach eine schwarze, Licht absorbierende Unterlage. Beim Auge hat die Aderhaut aber – zusätzlich zur Absorption von Streulicht durch die dunklen Pigmente – die Aufgabe, die empfindliche Netzhaut mit Nährstoffen zu versorgen.
Anders als eine meist eckig-kastenförmig gebaute Kamera liegt der Augapfel selbst in der knöchernen Augenhöhle des Schädels und besitzt – von der stärkeren Krümmung der Hornhaut einmal abgesehen – eine nahezu kugelförmige Gestalt. Ebenso anders als eine Kamera ist das Auge mit Flüssigkeit gefüllt. Der große Raum zwischen der Linse direkt hinter der Iris und der Netzhaut ist mit einer gallertartigen Substanz gefüllt, genannt Glaskörper.
WICHTIG ZU WISSEN!
+ Jeder Patient, der über ein unklares Fremdkörpergefühl im Auge klagt, benötigt eine augenärztliche Abklärung.
+ Wenn kein vollständiger Lidschluss möglich ist, kann die Hornhaut in Gefahr sein. Augenarztbesuch anraten!
+ Bei Wahrnehmung von Blitzen und/oder Schwebeteilen an einem Auge, kann es sich um eine Netzhautablösung handeln. Eine sofortige augenärztliche Vorstellung ist notwendig.
+ Plötzliches Verzerrtsehen kann auf eine akute Makula-Erkrankung hindeuten. Eine baldige augenärztliche Abklärung ist notwendig.
+ Rote Augen unbekannter Ursache, womöglich noch mit herabgesetzter Sehschärfe, Schmerzen, Lichtempfindlichkeit sind kein Thema für die Selbstmedikation. Sofortigen Augenarztbesuch empfehlen!
+ Ein Säugling mit einem tränenden Auge hat möglicherweise nur eine harmlose Obstruktion des Tränennasengangs. Dennoch kann vom pharmazeutischen Personal eine Photophobie, trübe Hornhaut oder Hornhautvergrößerung, die auf ein kongenitales Glaukom zurückgehen, nicht ausgeschlossen werden. Eine Vorstellung beim Augenarzt ist deshalb notwendig.
+ Säure- oder Laugenverletzungen der Augen bedürfen einer sofortigen Spülung mit Wasser oder speziellen Augenspüllösungen mit hoher Pufferkapazität für 30 Minuten und anschließender sofortiger Vorstellung bei einem Augenarzt.
+ Bei Patienten mit Diabetes mellitus sollte eine sorgfältige Netzhautuntersuchung bei Diagnosestellung und dann jährlich eine Nachuntersuchung für den Rest des Lebens erfolgen.
Machen Sie Ihre Diabetiker hierauf aufmerksam!
Daneben existiert zwischen Hornhaut, Iris und dem vorderen Teil der Linse eine vordere Augenkammer, zwischen Iris und Glaskörper noch eine wesentlich kleinere hintere Augenkammer, beide gefüllt mit einer klaren, wässrigen Flüssigkeit, dem Kammerwasser. Es wird permanent vom Ziliarkörper produziert. An der Grenze der Sklera zur Hornhaut verläuft ein ringförmig erweitertes Blutgefäß, der Schlemmkanal. Dieses Blutgefäß steht mit dem Venensystem des Augapfels in Verbindung und ermöglicht auch wieder den Abfluss dieses Kammerwassers. Eine Blockade dieser Flüssigkeitsdrainage kann einen hohen Augeninnendruck bewirken (Glaukom).
Wichtige Hilfs- und Schutzeinrichtungen Im Einzelnen sind dies die Augenlider, die Bindehaut und der Tränenapparat. Erstere, die den Augapfel bedecken, sind durch eine schalenförmige Bindegewebsplatte (Tarsus) versteift. In diese Platte eingelagert sind Talgdrüsen (Meibomdrüsen), die den Lidrand einfetten. Außen sind die Augenlider durch ein mehrschichtiges, verhorntes Plattenepithel der Haut bedeckt.
Von der vorderen Lidkante gehen in mehreren Reihen die Wimpern (Cilia) ab. Die Innenwand der Lider wird von der schon bei der Sklera erwähnten Augenbindehaut (Konjunktiva) ausgekleidet. Dies ermöglicht unter anderem eine reibungsarme Bewegung des Augapfels bei Änderung der Blickrichtung. Der Tränenapparat widerum besteht aus Tränendrüsen und ableitenden Tränenwegen.
Die Tränenflüssigkeit wird von der Tränendrüse gebildet, die im äußeren Augenwinkel in die obere Umschlagfalte einmündet. Bei jedem Lidschluss wird sie gleichmäßig über die Hornhaut verteilt, was für deren Befeuchtung, Reinigung und Ernähung sehr wichtig ist. Außerdem schwemmt die Tränenflüssigkeit kleine Fremdkörper aus dem Auge und wehrt aufgrund ihrer Zusammensetzung in gewissem Umfang Bakterien und Viren ab. Der Tränenabfluss erfolgt am inneren Lidwinkel über zwei Tränenkanälchen in den Tränensack. Der Tränennasengang leitet anschließend die Tränenflüssigkeit in die Nasenhöhle.
Das visuelle System Das abbildende System des Auges entwirft auf der Netzhaut ein reelles, umgekehrtes und verkleinertes Bild der betrachteten Gegenstände. Die visuelle Information der Netzhaut muss durch das Gehirn aber interpretiert werden. Dazu wandelt zunächst die Netzhaut das einfallende Licht in Nervenimpulse um. Etwa 120 Millionen Stäbchen, die für das farblose und weniger scharfe Sehen bei Dämmerung und in der Nacht zuständig sind, sowie etwa sechs Millionen Zäpfchen (Rot-, Grün- und Blauzapfen) für das scharfe Farbsehen am Tage, nehmen in jedem Auge die Lichtreize auf.
»Bei roten Augen unbekannter Ursache ist immer zunächst ein Arzt aufzusuchen.«
In der Makula, dem gelben Fleck, der auch Ort des schärfsten Sehens ist, ist die Zapfendichte am höchsten. Das einfallende Licht, also elektromagnetische Wellen des Wellenlängenbereichs von etwa 400 bis 750 Nanometer, wird mithilfe photochemischer Prozesse somit in Erregungen umgewandelt. Diese werden über den Sehnerv, quasi ein Kabel aus mehr als einer Millionen Nervenfasern, beziehungsweise die Sehbahn, das ist die gesamte neuronale Verschaltung des optischen Systems vom Auge bis zum Gehirn, in das primäre Sehzentrum im Okzipitallappen der Großhirnrinde weitergeleitet.
Sechs extraokulare Muskeln, die mit jedem Augapfel verbunden sind, bewegen die Augen gewöhnlich zusammen, um auf das jeweilige Zielobjekt zu blicken. Ein kompliziertes Wechselspiel, an dem das ganze Sehorgan beteiligt ist, sorgt somit dafür, dass die Augäpfel von ihren Muskeln ständig in einer Lage gehalten werden, aus der Bilder von beiden Augen zum Gehirn geleitet werden. Die Fähigkeit des Gehirns, die aus beiden Augen stammenden Bilder zu einem Bild zu verschmelzen, wird als Fusionsvermögen bezeichnet.
Ganz wichtig für die Fotorezeptoren, also die Stäbchen und Zäpfchen, ist Rhodopsin, ein Protein aus Opsin und 11-cis- Retinal. Einfallendes Licht wandelt 11-cis-Retinal in alltrans-Retinal um, wobei die elektrischen Impulse entstehen. Im Dunkeln wird das Rhodopsin wieder regeneriert und so die Lichtempfindlichkeit der Netzhaut wieder gesteigert. Ein Prozess, der etwa 15 bis 30 Minuten dauert, was erklärt, weshalb bei einem plötzlichen Übertritt ins Dunkel, zunächst nichts gesehen wird.
Da Vitamin A ein Bestandteil des Rhodopsins und damit essentiell für das Auge ist, kann ein Vitamin-A-Mangel zu Nachtblindheit führen. Allerdings kann diese auch durch einen vererbten, teilweisen oder völligen Ausfall des Stäbchensehens verursacht werden. Im Alter lässt die Elastizität der durch das Kammerwasser versorgten Augenlinse nach, was schließlich unter anderem zur Altersweitsichtigkeit (Presbyopie) führt.
Unter dem Fachwort Refraktionsanomalien sind krankhafte Veränderungen des brechenden Systems im Auge zu verstehen, die zu einer unscharfen Abbildung auf der Netz - haut führen. Die wesentlichen Formen hierbei sind
- der Astigmatismus (Stabsichtigkeit, Hornhautverkrümmung). Die Hornhaut ist ungleichmäßig gekrümmt, so dass ein Bildpunkt beispielsweise als Stab wahrgenommen wird.
- die Myopie (Kurzsichtigkeit). Hier ist in der Regel der Augapfel zu lang. Die Lichtstrahlen treffen sich bereits vor der Netzhaut und das Bild wird unscharf.
- die Hyperopie (Weitsichtigkeit). Hier ist in der Regel der Augapfel zu kurz. Die Lichtstrahlen treffen sich erst hinter der Netzhaut und das Bild wird hierdurch unscharf.
Die Fehlsichtigkeiten können durch das Tragen von Brillen mit speziell geschliffenen Gläsern, Kontaktlinsen oder eine Augenlaserbehandlung korrigiert werden. Zahlreiche Augenerkrankungen sind harmlos und bleiben ohne Folgen, andere können schwerwiegendere Auswirkungen bis hin zur Blindheit nach sich ziehen. Die häufigsten Krankheiten sind Glaukom (Grüner Star), Katarakt (Grauer Star) und Konjunktivitis (Bindehautentzündung).
Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 10/12 auf Seite 86.
Dr. Eva-Maria Stoya, Apothekerin / Journalistin