Tiere in der Apotheke
AUCH PFERDE SCHLAFEN MAL SCHLECHT
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Das normale Schlafpensum beträgt für gesunde Pferde in der Nacht etwa drei bis fünf Stunden, davon eine bis drei Stunden liegend. Die Gesamterholungszeit, die Schlafen, Ruhen und Dösen beinhaltet, liegt bei etwa fünf bis neun Stunden täglich. Schlaf ist unerlässlich für die Leistungsfähigkeit und das Wohlbefinden, wird jedoch bei der Beurteilung des Wohlergehens eines Tieres vielfach nur marginal berücksichtigt.
Schlafphasen Für die Untersuchung des equinen Schlafverhaltens eignet sich ein portables Schlaflabor aus der Humanmedizin. Um physiologische Funktionen während des Schlafes zu messen, wird die Polysomnografie (PSG) als diagnostisches Verfahren eingesetzt. Außerdem werden ein Elektroenzephalogramm (EEG), ein Elektrookulogramm (EOG) und ein Elektromyogramm (EMG) aufgezeichnet und so die Schlaftiefe und -qualität bestimmt. Analog zum Menschen werden Leichtschlaf, Tiefschlaf und REM(Rapid Eye Movement)-Schlaf unterschieden. Leicht- und Tiefschlaf können bei Pferden sowohl im Stehen als auch im Liegen stattfinden und sind tagsüber die übliche Art der Erholung. Der sogenannte Traumschlaf ist aufgrund der charakteristischen niedrigen Muskelspannung ausschließlich im Liegen, in Brust- oder Seitenlage, möglich, denn nur dann ist eine totale Entspannung der Muskeln möglich.
Physiologisches Schlafverhalten Untersuchungen von Pferden in Boxenhaltung haben ergeben, dass die Tiere pro Nacht eine Gesamtschlafzeit von durchschnittlich 200 Minuten und eine Gesamtliegezeit von circa 132 Minuten aufweisen. Der Tiefschlaf hat mit 65 Prozent den größten Anteil an der Gesamtschlafzeit, es folgen der Leichtschlaf mit 20 Prozent und der REM-Schlaf mit 15 Prozent. Die Pferde liegen fast die Hälfte der Gesamtschlafzeit und vor allem nach Mitternacht. Grundsätzlich müssen sich Pferde hinlegen, um die kompletten Schlafzyklen mit allen Schlafphasen zu durchlaufen und um ein natürliches Schlafverhalten zu zeigen. Eine entsprechende physiologische Verhaltensweise in diesem Zusammenhang ist auch ein Indikator für das Wohlbefinden eines Pferdes und die Qualität der Haltung.
Was passiert, wenn sich Pferde nicht hinlegen? Es kann vorkommen, dass Stresssituationen, wie beispielsweise ein Stallwechsel oder eine Erkrankung an den Gliedmaßen, dazu führen, dass Pferde sich über eine kurze Zeit nicht ablegen. In Abhängigkeit von der Persönlichkeit des Tieres kann es durchaus Monate dauern, bis sich ein Pferd an eine neue Umgebung gewöhnt hat und erst dann wieder ein normales Schlafverhalten zeigt. Bleibt dieses Verhalten jedoch bestehen, kann dies schwere Schlafstörungen und damit gravierende Gesundheits- und Verhaltensprobleme verursachen.
Fast alle Pferde mit Schlafmangel (im Liegen) leiden mit der Zeit unter mehr oder weniger schweren Verletzungen. So ergab eine Untersuchung, dass 90 Prozent der betroffenen Tiere Verletzungen hatten, die im Zusammenhang mit Kollapsen standen. Dabei handelte es sich um akute Wunden sowie auch Narben an den Fesselköpfen, an Karpal- und Tarsalgelenken sowie auch um Schädel- oder Gliedmaßenfrakturen. Darüber hinaus wurden bei 25 Prozent der Pferde Verhaltensstörungen festgestellt wie Krippenbeißen oder Weben.
REM-Schlafmangel und Kollapse – Unterschied zur Narkolepsie Narkolepsie ist eine chronische, neurologische Schlaf-Wach-Störung, die als unheilbar gilt. Anzeichen sind Anfälle, die in der Regel mit einem Verlust des Muskeltonus einhergehen. Betroffene Pferde schwanken, taumeln, stolpern und sind exzessiv schläfrig. Die Krankheit ist bei Pferden eher selten. Bei Untersuchungen an vermeintlich narkoleptischen Pferden wurde festgestellt, dass diese vielmehr an einem REM-Schlafmangel aufgrund eines Schlafdefizits im Liegen litten und sich in der Mehrheit (94 Prozent) in der Nacht überhaupt nicht zum Schlafen ablegten. Die Pferde zeigten mehrfache Kollapse, die mit einem beginnenden REM-Schlaf im Stehen assoziiert waren und dem damit einhergehenden Abfall des Muskeltonus.
Zudem war das Schlafprofil dieser Pferde sehr unruhig und verändert im Vergleich zu Pferden ohne Kollapse. Die Tiere, die sich zumindest kurze Zeit zum Schlafen ablegten, hatten signifikant weniger Kollapse. Nachweislich gibt es in vielen Fällen einen eindeutigen Zusammenhang zwischen dem Beginn der Kollapse und einem Stallwechsel. So berichten Pferdebesitzer von einem Beginn der Symptome bei bestimmten Ereignissen wie Stallwechsel, Krankheit oder Geburt eines Fohlens. Schließlich wurde auch festgestellt, dass der Stall der betroffenen Pferde oft eine zu kleine Liegefläche aufweist, die nicht den geforderten Mindestmaßen (zweimal Widerristhöhe) entspricht.
Schlafmangel bei Pferden beheben Zunächst müssen Erkrankungen wie orthopädische Probleme oder schmerzhafte Prozesse im Abdomen, die dazu führen können, dass Pferde sich nicht hinlegen, differenzialdiagnostisch ausgeschlossen werden. Wichtig sind auch der Zeitpunkt des Beginns der Kollapse und ein möglicher Zusammenhang mit Ereignissen wie einem Stallwechsel, die zu Stress bei den Tieren führen können. Weitere Ursachen sind auch ein Einstreuwechsel, eine Änderung der Gruppenzusammensetzung, ein neuer Boxennachbar oder der Auszug eines Pferdes. Diese möglichen Auslöser sollten positiv korrigiert oder rückgängig gemacht werden, soweit möglich.
Wichtig ist auch eine ausreichend große Liegefläche mit geeigneter Einstreu, da diese einen großen Einfluss auf das Liegeverhalten haben kann. Es hat sich gezeigt, dass Pferde auf Stroh öfter in Seitenlage liegen als auf Sägespänen oder Gummimatten. Medikamentöse Behandlungsmaßnahmen zum Beispiel mit Antidepressiva oder Beruhigungsmitteln oder mit Futterzusatzmitteln zeigen bislang nur einen geringen oder keinen Erfolg und sind niemals eine Alternative zur Änderung der Haltungsbedingungen beziehungsweise zur Behandlung einer vorliegenden Grunderkrankung.
Erfolgt keine Behandlung oder ist diese nicht erfolgreich, scheinen sich die Kollapse zu verschlimmern oder häufiger aufzutreten. Das liegt vermutlich daran, dass sich das Verhalten des Sich-nicht-Ablegens manifestiert und so zu einer Verhaltensstörung wird, die dann nur noch schwer wieder korrigiert werden kann, auch nicht nach Abstellen des Auslösers.
Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 10/18 ab Seite 116.
Dr. Astrid Heinl, Tierärztin