Kurz und schmerzlos

ANALGETIKA

Dosierungen und Eigenschaften von NSAR in der Selbstmedikation und der verschreibungspflichtigen Therapie: Was gibt es zu beachten?

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Wenn es um die Empfehlung eines Analgetikums geht, stehen Art und Stärke der Schmerzen im Fokus. Akute Schmerzen werden anders behandelt als chronische. Hohe Dosen und eine Behandlung über einen längeren Zeitraum bergen per se ein höheres Risiko für Nebenwirkungen als die für die Selbstmedikation zugelassenen niedrigeren Dosen. Das klingt zwar logisch, dennoch gilt es, sich die Unterschiede zwischen der Selbstmedikation und der verschreibungspflichtigen Therapie von Schmerzen immer wieder bewusst zu machen.

Akute Schmerzen sind ein Warnsignal des Körpers. Sie zeigen an, dass der Organismus verletzt oder geschädigt wurde und sollen den betroffenen Bereich vor Überlastung schützen. Sie sind im Normalfall auf den Ort der Schädigung begrenzt, verändern weder ihre Lokalisation noch strahlen sie nennenswert aus. Ist die Ursache beseitigt, verschwindet der akute Schmerz in der Regel wieder – er wird nicht mehr als Warnsignal benötigt. Der Schmerz kann allerdings so heftig und beeinträchtigend sein, dass die Zeit bis zum Nachlassen der Schmerzen überbrückt werden muss. Hierzu stehen verschiedene Analgetika in der Selbstmedikation zur Verfügung. Die eingesetzten Wirkstoffe unterscheiden sich von der verschreibungspflichtigen Schmerzmedikation vor allem in der zugelassenen Behandlungsdauer, der maximalen Tagesdosis und der Galenik. Daher ist die Abgrenzung zwischen der Selbstmedikation und der verschreibungspflichtigen Therapie von Schmerzen sehr wichtig.

Schmerzbehandlung Das Stufenschema der WHO unterscheidet je nach Intensität und Lokalisation der Schmerzen drei Stufen der Behandlung. Die erste Stufe betrifft leichte bis mäßige Schmerzen. Sie werden mit Nicht-Opioiden behandelt. Hierzu zählen unter anderem Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) wie Acetylsalicylsäure, Diclofenac und Ibuprofen. Reicht die erforderliche Wirkung nicht aus, wird die nächsthöhere Stufe empfohlen. In der zweiten und dritten Stufe können zusätzlich zu den Substanzen der ersten Stufe Opioide eingesetzt werden. Sie sind in der Selbstmedikation nicht erhältlich, sondern grundsätzlich verschreibungspflichtig.

Analgetika in der Selbstmedikation Kunden, die mit Schmerzen in die Apotheke kommen, leiden meist unter akuten Schmerzen und legen besonderen Wert auf eine schnelle Linderung mit möglichst wenigen Nebenwirkungen. Um ihnen entsprechend dieser Anforderungen das geeignete Analgetikum empfehlen zu können, lohnt sich ein Blick auf die Eliminationshalbwertszeit und die Verteilung verschiedener Substanzen im Körper sowie auf die Formulierung unterschiedlicher Präparate.

Evaluierung der Verträglichkeit am Beispiel von Diclofenac Die im OTC-Bereich eingesetzte Formulierung von Diclofenac beseitigt den Schmerz zügig, ohne den Körper unnötig zu belasten und erfüllt somit gut die Anforderungen von Patienten im akuten Fall. Der rasche Wirkeintritt ist auf die schnelle Anflutung des Wirkstoffs zurückzuführen: Bereits nach 30 Minuten wird der maximale Wirkstoffspiegel erreicht. Für die Verträglichkeit ist zum einen die kurze Eliminationshalbwertszeit von nur ein bis zwei Stunden entscheidend. Zum anderen konnte für Diclofenac in einer tierexperimentellen Studie nachgewiesen werden, dass sich die Substanz gezielt im entzündeten Gewebe anreichert – eine Eigenschaft, die für saure NSAR, wie Diclofenac, Acetylsalicylsäure und Ibuprofen, seit langem diskutiert wird.1

Die gezielte Anreicherung des Wirkstoffs im Entzündungsbereich kombiniert mit der kurzen Halbwertszeit trägt zur Entlastung des übrigen Organismus bei. Niedrig dosierte und in Intervallen eingenommene COX-Inhibitoren (siehe Kasten "Ohne COX kein Schmerz") mit kurzer Halbwertszeit werden schnell aus den zentralen, von Nebenwirkungen besonders bedrohten Kompartimenten (Blut, Wand der Blutgefäße) ausgeschieden, sodass die COX-2-Aktivität dort wiederhergestellt werden kann.

Zur Grafik: Niedrig dosierte, saure COX-Hemmer mit kurzer Halbwertszeit, wie Diclofenac, reichern sich im entzündeten Gewebe an. Im Plasma sinkt die Konzentration der Substanzen dagegen zwischen den Einnahmeintervallen ab, sodass eine Erholung der zentralen, gut durchbluteten Organe möglich wird.

Das ist unter anderem von Bedeutung, weil die Produktion von gefäßschützenden (vasoprotektiven) Prostaglandinen COX-2-abhängig ist. Die schmerzlindernde Wirkung im entzündeten Gewebe hält dagegen an (vgl. Grafik oben). Korrelationsanalysen zufolge scheint ferner zur Schmerzbekämpfung bereits eine 90-prozentige Hemmung der COX ausreichend. Eine zu hohe Dosierung oder die Kombination verschiedener COX-Hemmer erhöht das Risiko für Nebenwirkungen, ohne dass eine verbesserte Schmerzhemmung zu erwarten wäre.2

Vergleich der Wirkpotenz Diclofenac hat im Vergleich zu anderen NSAR eine sehr hohe Wirkpotenz, dass heißt, die Cyclooxygenasen werden bereits mit kleinen Wirkstoffmengen ausreichend gehemmt. Das spiegelt sich in den äquipotenten Tagesdosen verschiedener NSAR wieder: Eine gleichwertige Hemmung mittlerer Schmerzzustände in der Selbstmedikation ist bei 75 Milligramm (mg) Diclofenac, 1200 mg Ibuprofen und 3000 mg Acetylsalicylsäure zu erwarten. Um die Verträglichkeit verschiedener NSAR zu bewerten ist daher wichtig, dass äquipotente Dosierungen zugrunde gelegt werden. Studien mit äquipotenten Tagesdosen verschiedener NSAR haben zum Beispiel ergeben, dass die gastrointestinale Verträglichkeit von Diclofenac und Ibuprofen im OTCBereich vergleichbar ist.3

OHNE COX KEIN SCHMERZ
Cyclooxygenasen, kurz COX genannt, sind Enzyme der Arachidonsäurekaskade, die unter anderem die Bildung von Prostaglandinen katalysieren. Im menschlichen Organismus existieren mindestens zwei verschiedene COX-Isoenzyme, die COX-1 und die COX-2. Beide steuern die Synthese von Prostaglandinen, die – je nach Prostaglandintyp und Organ – unterschiedliche erwünschte oder
unerwünschte Effekte ausüben. Die COX-1 bewirkt als dauerhaft gebildetes Enzym die physiologische Synthese von Prostaglandinen, zum Beispiel im Magen, in Thrombozyten oder in der Niere. So schützen Prostaglandine zum Beispiel die Magenschleimhaut, indem sie die Produktion von Magensäure hemmen und die Sekretion des Magenschleims fördern.
Das Enzym COX-2 wird dagegen vor allem bei Entzündungen, Schmerzreaktionen und Gewebeschädigungen vermehrt gebildet. Es wird daher auch als induzierbare COX bezeichnet. Die schmerzlindernde, entzündungshemmende und fiebersenkende Wirkung der NSAR beruht im Wesentlichen auf der Hemmung des Isoenzyms COX-2, während die Nebenwirkungen, wie gastrointestinale Beschwerden, vor allem auf die Hemmung der COX-1 zurückzuführen sind. Sowohl Diclofenac als auch Ibuprofen, Acetylsalicylsäure oder Naproxen hemmen sowohl die COX-1 als auch die COX-2, allerdings mit unterschiedlicher Präferenz. Prinzipiell gilt, je stärker die Affinität eines NSAR zur COX-2 ist, desto stärker ist seine Wirksamkeit; je niedriger die Affinität zur COX-1, desto besser seine Verträglichkeit. Diclofenac hat in niedrigen Dosen eine deutlich höhere Affinität zur COX-2 als zur COX-1. Das erklärt, warum die Substanz in der Selbstmedikation stark wirksam und gut magenverträglich ist.

Selbstmedikation vs. verschreibungspflichtige Analgetikatherapie Diclofenac gibt es für die Selbstmedikation in Dosierungen von 12,5 (Voltaren ® Dolo und Voltaren® Dolo Liquid) und 25 mg (Voltaren® Dolo Extra). Die maximale Tagesdosis ist mit 75 mg nur halb so hoch wie die maximale Tagesdosis im verschreibungspflichtigen Bereich (150 mg). Eine länger als vier Tage erforderliche Behandlung muss vom Arzt verordnet werden. Chronische Schmerzen gehören in ärztliche Behandlung.

Insbesondere Patienten mit entzündlichrheumatischen Beschwerden (z. B. chronische Polyarthritis oder Morbus Bechterew) müssen NSAR wie Diclofenac häufig längere Zeit einnehmen, zumeist in Form von verschreibungspflichtigen magensaftresistenten Diclofenac-Formulierungen oder Retardtabletten. Diese Galeniken sind durch einen verzögerten Wirkungsbeginn gekennzeichnet, das heißt, die Wirkung setzt erst nach zwei und mehr Stunden ein. Das wird bei der Behandlung chronischer Schmerzen in Kauf genommen, weil in diesen Fällen ein konstanter Wirkstoffspiegel über einen längeren Zeitraum angestrebt wird. Bei hohen Dosierungen oder retardierten Formulierungen entfällt jedoch die für die OTC-Medikation beschriebene Entlastung des Organismus.

Fazit Für die Selbstmedikation akuter Schmerzen stehen in der Apotheke verschiedene Analgetika zur Verfügung. Um einen Kunden richtig zu beraten, bedarf es zum einen der Kenntnis der verschiedenen Wirkstoffe, ihres Wirkungsspektrums sowie ihrer möglichen Nebenwirkungen und Interaktionen. Zum anderen ist wichtig sich vor Augen zu führen, dass zwischen der verschreibungspflichtigen Therapie starker und chronischer Schmerzen und der Selbstmedikation akuter, leichter bis mittelschwerer Schmerzen deutliche Unterschiede bestehen, und zwar sowohl was die Dosis, als auch was den Anwendungszeitraum und die Galenik anbelangt.

Grundsätzlich gilt: Das Risiko für unerwünschte Wirkungen lässt sich reduzieren, indem die niedrigste wirksame Dosis über den kürzesten, zur Symptomkontrolle erforderlichen Zeitraum angewandt wird. Beim Vergleich verschiedener Analgetika ist auf äquivalente Dosierungen zu achten. Die gastrointestinale Verträglichkeit ist unter dieser Voraussetzung für Diclofenac und Ibuprofen vergleichbar gut, während Acetylsalicylsäure in der Gegenüberstellung äquipotenter Tagesdosen deutlich schlechter abschneidet3.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 07/11 ab Seite 60.

Quellen:

1 Schweitzer A, Hasler-Nguyen N, Zijlstra J (2009). Preferential uptake of the non steroid anti-inflammatory drug diclofenac into inflamed tissues after a single oral dose in rats. BMC Pharmacol. 16;9:5.

2 Brune K. Persistance of NSAIDs at effect sites and rapid disappearance from side-effect compartments contributes to tolerability. Curr Med Res Opin (2007); 23: 2985-2995.

3 Hawkey, Christopher et al., Endoscopic evaluation of the gastro-duodenal tolerance of shortterm treatment with non-prescription Diclofenac- K, Acetylsalicylic Acid & Ibuprofen, presented at the 18th United European Gastro-enterology Week (UEGW) in Barcelona, 23. - 27.10.2010.

Sabine Bender, Apothekerin, Redaktion

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