Ein fiktives Bild, auf dem eine Person aus einem hellen Bereich in ein dunkles Loch fällt.
Auch wenn mit schlechten Träumen schlechte Erfahrungen einhergehen, so helfen sie doch bei der Bewältigung negativer Emotionen im Alltag. © Francescoch / iStock / Getty Images Plus

Schlaf | Psychologie

ALLES NUR EIN SCHLECHTER TRAUM?

Wir träumen vom Fallen, Ertrinken und anderen angstvollen Situationen. Wer aufwacht, ist froh, dass der Albtraum ein Ende hat. Forscher berichten, dass das schlechte Träumen durchaus etwas Gutes mit sich bringt.

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Das Schlafen könnte man auch mit dem Eintauchen in eine fremde Welt oder in ein Paralleluniversum vergleichen. In Träumen ist alles möglich: Es können die bizarrsten Dinge passieren, aber auch erschreckend realistische Situationen vorkommen – erfreuliche sowie angstauslösende. Forscher fasziniert dieses Phänomen seit jeher und sie versuchen Antworten auf Fragen zu finden – wie, welche biologische Funktion sie erfüllen und wie sie entstehen. Eine Theorie besagt, dass Träume dabei helfen, das in der realen Welt Erlebte sowie die Probleme des Alltags zu verarbeiten und sich mit seinen Emotionen auseinanderzusetzen.

Virginie Sterpenich von der Universität Genf und ihre Kollegen haben sich besonders für das Gefühl der Angst interessiert. Sie wollten wissen, was passiert, wenn Menschen im Traum Angsterfahrungen machen und wie sich dies auf den Umgang mit dieser Emotion im wachen Zustand auswirkt.

Dafür blickten die Wissenschaftler 18 Probanden mithilfe der Elektroenzephalografie (EEG) beim Schlafen ins Gehirn. Sie weckten die Testpersonen immer wieder auf und befragten sie zu ihrem Traumerleben. Die Antworten der Teilnehmer lieferten, in Kombination mit der gemessenen Hirnaktivität, Hinweise darauf, welche Bereiche des Denkorgans bei Albträumen aktiv sind: Die Insula und der cinguläre Cortex spielen für die im Traum erlebte Angst eine Rolle, berichtet Lampros Perogamvros, Wissenschaftler der Universität Genf. Dabei sind die Neuronen in der Insula für die Bewertung von Emotionen zuständig und feuern automatisch, sobald jemand Angst verspürt. Der cinguläre Cortex wiederum bereitet uns auf die Reaktion in solchen Situationen vor. Er steuert mit, wie wir uns im Angesicht von Gefahr verhalten. Diese beiden Gehirnbereiche werden auch in realen Angstsituationen aktiviert. Doch welcher Zusammenhang besteht zwischen der Angst in der realen und der Traumwelt?

Träume könnten ein Training für zukünftige Reaktionen sein und uns darauf vorbereiten, echten Gefahren und Bedrohungen zu begegnen.

In einem zweiten Experiment mit 89 Probanden sollten diese eine Woche lang ein Traumtagebuch führen, also jeden Morgen nach dem Aufwachen notieren, ob sie sich an einen Traum erinnern konnten und wenn ja, von welchen Emotionen dieser geprägt gewesen war. Nach der Testwoche untersuchten die Wissenschaftler die Probanden mit einer funktionellen Magnetresonanztomografie (fMRT). Sie zeigten ihnen währenddessen neutrale und potenziell angstauslösende Bilder. Dabei stellte sich heraus, dass diejenigen, die häufiger und länger Angst erlebt hatten, deutlich weniger stark auf die negativen Bilder reagierten. „Sowohl die Insula und der cinguläre Cortex als auch die Amygdala waren in diesem Fall weniger aktiv”, sagt Sterpenich. Außerdem wurde der mittlere präfrontale Cortex stärker aktiviert. Diese Hirnregion kann die Amygdala, den Teil des Gehirns, der an der Entstehung von Angst beteiligt ist, in Angstsituationen hemmen. Das sorgt dafür, dass Menschen durch dieses Gefühl nicht gelähmt oder überwältigt werden.

Zwischen der Angst im Traum und der in der Realität besteht somit eine ausgeprägte Verbindung. Die beim Schlafen erlebte Emotion dient als Übung und kann dabei helfen, in angstvollen Situationen im wachen Zustand besser zu reagieren. Womöglich könnten sich aus dieser Erkenntnis neue Ansätze für die Therapie von Angststörungen ergeben. „Könnte“ – denn die heilende Kraft hat eine Grenze, wenn es sich um besonders starke Albträume handelt: „Wenn im Traum ein bestimmter Grenzwert an Angst überschritten wird, verliert er seine Funktion als emotionaler Regulator”, sagt Perogamvros. Dies wollen die Forscher in künftigen Studien näher untersuchen.

Sabrina Peeters,
Redaktionsvolontärin

Quellen:
https://www.wissenschaft.de/gesellschaft-psychologie/wie-uns-schlechte-traeume-helfen/
Virginie Sterpenich (Universität Genf, Schweiz) et al., Human Brain Mapping, doi: 10.1002/hbm.24843

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