© bowie15 / 123rf.com

Ernährung als Medizin

ABNEHMEN OHNE KALORIENZÄHLEN

Crash-Diäten & Co. helfen eher kurzfristig. Nur mit einer individuellen Ernährungsumstellung plus Bewegung schaffen es Übergewichtige, das Gewicht dauerhaft zu halten.

Seite 1/1 4 Minuten

Seite 1/1 4 Minuten

Die WHO spricht bei Adipositas mittlerweile von einer globalen Epidemie. Die damit assoziierten Erkrankungen wie Bluthochdruck, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes mellitus Typ 2, Krebs sowie Gelenkbeschwerden schränken nicht nur die Lebensqualität der Betroffenen ein, sondern haben auch dramatische Konsequenzen für das Gesundheitssystem in Deutschland: Starkes Übergewicht und seine gesundheitlichen Folgen kosteten im Jahr 2010 schätzungsweise 17 Milliarden Euro – so eine Presseinformation der DGE.

Finger weg von Wunderkuren Einseitige Extremdiäten wie die Kohlsuppen- oder 7-Tage-Körnerdiät inklusive permanentes Kalorienzählen bescheren nur ungebremsten Heißhunger, schlechte Laune und den gefürchteten Jo-Jo-Effekt. Der Körper betrachtet solche Wunderkuren als „Hungersnot“ und sorgt anschließender normaler Nahrungszufuhr direkt vor, lagert also noch mehr ein als vorher.

Bei Personen mit einer wahren Diätkarriere kann dann das Auslassen nur einer Hauptmahlzeit dazu führen, dass der Körper neue Depots anlegt. Schon Schulkinder, die lediglich zwei Mahlzeiten bestreiten, sind Studie zur Folge übergewichtiger als diejenigen, die regelmäßig drei Mal am Tag eine Hauptmahlzeit zu sich nehmen. Somit ist das Einhalten aller drei Hauptmahlzeiten ein wichtiger Therapiebestandteil.

Achtsames Essen als Basis Wer wieder lernt, achtsamer und langsamer das Essen zu genießen und dabei auf sein inneres Sättigungsgefühl hört, der isst insgesamt weniger, denn: Das Gefühl der Sättigung setzt nach etwa 20 Minuten ein. In dieser Zeit hängt es von der Essgeschwindigkeit ab, wie viel Energie dem Körper zugeführt wird. Es hilft, beispielsweise ab und zu das Besteck an die Seite zu legen und sich auf das Essen zu konzentrieren. Unbewusstes Schlingen vor dem Fernseher führt hingegen zu Trägheit, Völlegefühl und Heißhungerattacken.

Ohne Bewegung geht’s nicht
Auch Bewegung ist ein wichtiger Therapiebaustein, aber diese sollte praktikabel in den Alltag integriert werden – bevor der adipöse Patient mit dem Wörtchen „Sport“ direkt eingeschüchtert wird: Kleine Kraftübungen mit Wasserflaschen zwischendurch, häufiges Treppensteigen und zügige Spaziergänge entspannen und lassen sich wirklich von Jedem umsetzen. Neueren Studien zur Folge ist ein „unausgeschlafenes Gehirn“ anfälliger für Heißhungerattacken, sodass ausreichender Schlaf von mindestens sechs, bestenfalls acht Stunden ebenfalls beim Abnehmen hilft.

Kein Trinken – keine Fettverbrennung Eine ausgewogene Flüssigkeitsbilanz im Körper ist eine wichtig Voraussetzung. Viele Menschen interpretieren das Durstgefühl aufgrund eines Wassermangels als Appetit. So sollte der erste Griff zum Wasserglas und nicht zum Kühlschrank gehen. Das über den Tag verteilte Trinken von mindestens zwei Litern Wasser und anderen kalorienfreien oder niedrigkalorischen Getränken wie Tee, Kaffee und Fruchtschorle hilft beim Abnehmen und unterstützt darüber hinaus die Stimmung und Konzentration.

Auf „gute“ Kohlenhydrate setzen Die in süßen und stärkehaltigen Produkten wie Weißbrot, lange und stark erhitzte Kartoffeln sowie industrielle Fertigprodukte und Fast Food enthaltenen kurzkettigen Zuckermoleküle schießen schnell ins Blut. Das führt dazu, dass der Insulinspiegel rapide ansteigt und kurz danach den Blutzucker wieder abfallen lässt. Müdigkeit setzt ein und das Gehirn funkt schon kurz danach wieder ein Hungersignal.

Die Insulinspitzen blockieren zudem den Fettabbau. Ballaststoffreiche Lebensmittel wie Hülsenfrüchte, Getreideflocken und Nudeln in ihren Vollkornvarianten sowie Naturreis und Pellkartoffeln verzögern hingegen die Resorption von Glukose ins Blut. Dadurch versorgen sie die Körperzellen kontinuierlich mit Energie, verhindern Insulinspitzen und halten länger satt. Sie wirken zudem wie natürliche Cholesterinsenker, indem sie cholesterinhaltige Gallensäure binden.

Proteine erhalten die Muskelmasse Bei Crash-Diäten besteht ein erheblicher Anteil der verlorenen Körpermasse aus Muskelgewebe. Dies ist fatal, denn gerade die Muskelmasse bestimmt den Energieumsatz. Der Körper fährt dann eher auf Sparflamme. So profitieren Übergewichtige auch von der ausreichend hohen Zufuhr qualitativ hochwertige Proteine (etwa 30 Prozent). Dabei bestehen auch keine Bedenken zur Nierensicherheit, wenn dieser Anteil überwiegend durch pflanzliche Proteine bestritten wird. Nach aktuellsten Erkenntnissen scheint eher der exzessive Konsum tierischer Eiweiße langfristig zu einer Schädigung zu führen.

Weniger tierische, mehr pflanzliche Fette Die Fettzufuhr sollte eher unterhalb der 30-Prozent- Marke angesetzt werden. Dies gelingt, indem fettreiche Wurst- und Fleischsorten durch die eher mageren Alternativen (z. B. Geflügel) ausgetauscht werden. Auch die in industriell gefertigten Backwaren, Pommes frites, Chips & Co. enthaltenen Transfettsäuren (gehärtete Fette) sollten eher links liegen gelassen werden, da sie auch wie die gesättigten Fettsäuren der Arteriosklerose Vorschub geben.

Fisch als „tierische Ausnahme“ sollte aufgrund seiner präventiven Eigenschaften zwei bis drei Mal pro Woche im Wechsel zwischen fetteren Sorten wie Lachs, Makrele und Thunfisch und mageren Sorten wie Schellfisch, Zander und Kabeljau auf den Speiseplan. Darüber hinaus bereichern pflanzliche Öle aus Oliven, Raps und Leinsamen die gesunde Küche zur fettarmen Zubereitung.

Nüsse knacken ist trotz des vergleichsweise hohen Fettgehaltes übrigens auch figurfreundlich und aufgrund des Mikronährstoffcocktails sehr empfehlenswert. Eine Handvoll gemischter Nüsse als Nachspeise mittags ist auch für Übergewichtige ein natürliches Doping, um konzentriert in die zweite Tageshälfte zu starten.

Im Härtefall … Wenn die Ernährungsumstellung in kleinen Schritten und individuell passend erfolgt, sind die Aussichten auf langfristigen Erfolg sehr gut. Gestaltet sich das Abnehmen jedoch besonders schwierig beispielsweise bei besonders schweren Formen der Adipositas, so kann unter ärztlicher Aufsicht auch ein Einstieg mit einer Formuladiät sinnvoll sein, um eine Startmotivation zu schaffen und zügig kritische metabolische Faktoren wie erhöhte Blutzuckerwerte zu verbessern.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 01/14 ab Seite 50.

Andrea Pütz, Dipl. Oecotrophologin

×