Hauterkrankungen
ZUERST WINDPOCKEN, DANN GÜRTELROSE
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Fast jeder erwachsene Europäer ist mit dem Varizella-Zoster-Virus (auch humanes Herpes-Virus-3, HHV-3) infiziert, verursacht es doch eine typische Kinderkrankheit – die Windpocken. Von ihnen ist fast jedes Kind einmal betroffen und bleibt danach Träger des Virus, der sich nach der akuten Infektion lebenslang im menschlichen Organismus einnistet. Die Erreger wandern dabei über die Nervenbahnen von der Haut in die Spinalganglien an der Wirbelsäule und in die Hirnganglien, wo sie in einen Ruhemodus verfallen.
Bestimmte Auslöser können sie jedoch wieder aktivieren, sodass es erneut zu einer akuten Infektion kommen kann. Dann jedoch handelt es sich nicht mehr um die Windpocken, sondern um die Gürtelrose, den Herpes Zoster, von dem in Deutschland jährlich fast eine halbe Million Menschen betroffen sind. Die meisten davon sind älter als 50, denn mit zunehmendem Alter steigt das Risiko für diese Erkrankung. Dies lässt sich unter anderem dadurch erklären, dass das Immunsystem mit dem Alter immer schlechter arbeitet und die Viren dann manchmal nicht mehr in Schach halten kann.
Schlafende Viren wecken Aber nicht nur das Altern schwächt das Immunsystem, hierzu können auch andere Faktoren beitragen, wie starke UV-Strahlung, Stress, Verletzungen oder Krankheiten wie Krebs oder eine HIV-Infektion. Gleiches gilt für einige Medikamente wie Immunsuppressiva und Zytostatika oder manche Strahlentherapien. Ist das Immunsystem zu stark beeinträchtigt, erwachen die Viren erneut und wandern über die Nervenbahnen zurück in die durch sie versorgten Hautareale, wo sie die typischen Herpes-Zoster-Symptome auslösen. Zuerst fühlt man sich abgeschlagen, krank und fiebrig, dann beginnt die betroffene Haut stark zu schmerzen und zu brennen, da sich das Gewebe des betroffenen Nervenstranges entzündet. Zwei bis drei Tage später entstehen auf der Haut mit Gewebewasser oder Blut gefüllte Bläschen. Nach ein bis zwei Wochen verkrusten diese und heilen ab. Manchmal bleiben allerdings Hautveränderungen wie Narben oder Pigmentstörungen zurück.
Unterschiedliche Areale Herpes Zoster wird auch Gürtelrose genannt, weil die Bläschen sich häufig gürtelförmig von der Wirbelsäule nach vorne über den Brustbereich ausbreiten. Die Hautveränderungen können aber auch an anderen Körperstellen auftreten, wie bei der Gesichtsrose. Bei der Reaktivierung der Viren wandern sie entlang des Trigeminus-, Gesichts-, Hör- oder Augapfelnervs zurück. Komplikationen können dann Gesichtslähmungen oder eine Schädigung der betroffenen Sinne bis hin zu Taub- oder Blindheit sein. Nur selten ist der Genitalbereich betroffen, dann spricht man von einem Zoster genitalis. Sehr selten generalisiert der Zoster, das heißt die Viren verbreiten sich im ganzen Körper oder befallen das gesamte Nervensystem. Meist sind von diesen starken Komplikationen nur extrem immungeschwächte Menschen betroffen. Diese müssen auch mit lebensgefährlichen Entzündungen der Hirnhaut, des Rückenmarks oder des Gehirns selbst (Enzephalitis) rechnen.
Unerträgliche Schmerzen Gefürchtet beim Herpes Zoster ist die Post-Zoster-Neuralgie, extrem starke Nervenschmerzen, die über Monate oder Jahre bestehen bleiben – manchmal sogar bis zum Lebensende. Woher diese nicht selten unerträglichen Schmerzen kommen, ist noch ungeklärt. Vermutet wird aber eine Nervenschädigung, die, je nach Umfang, auch irreparabel sein kann. Komplikationen kommen beim Herpes Zoster relativ häufig vor, jeder fünfte Fall verläuft nicht problemlos. Die Gefahr einer Post-Zoster-Neuralgie steigt mit dem Erkrankungsalter und ist vor allem bei der Gesichtsrose erhöht.
Schnell erkannt Sind bereits die typischen Bläschen vorhanden, kann der Arzt meist schnell eine Blickdiagnose stellen. Sind die Symptome nicht eindeutig, ist der rasche Nachweis des Virus-Erbguts über die Polymerase-Kettenreaktion (PCR) möglich. Behandelt wird die Gürtelrose mit systemischen Virostatika wie Aciclovir, Famciclovir, Valaciclovir oder Brivudin, die umso wirksamer sind, je früher sie eingesetzt werden. Sie hemmen die Vermehrung der Viren und sorgen so für ein rascheres Abklingen der Erkrankung. Gleichzeitig mindern sie auch das Risiko für eine Post-Zoster-Neuralgie. Gegen die Nervenschmerzen helfen Analgetika.
Bei leichteren Schmerzen können NSAR eingesetzt werden, bei stärkeren werden Opiate wie Tramadol verabreicht. Sprechen die Schmerzen auf keine dieser Behandlungen an, kann der zusätzliche Einsatz von trizyklischen Antidepressiva oder Antiepileptika möglicherweise zum Erfolg führen. Ohne Komplikationen hat Herpes Zoster eine gute Prognose und heilt nach etwa einem Monat aus. Trifft die Erkrankung jüngere, sonst gesunde Menschen, ist meist noch nicht einmal eine antivirale Therapie notwendig. Alle Patienten sollten die betroffenen Hautareale aber gut pflegen, und zwar sowohl mit antiseptischen wie auch mit austrocknenden Salben oder Lösungen, die zum Beispiel Zink enthalten. Und: Sie sollten strikte Bettruhe einhalten und sich schonen.
Impfen pro und contra Seit 2013 gibt es in Deutschland den Impfstoff „Zostavax®“, der auch gegeben werden kann, wenn unklar ist, ob bereits eine Infektion mit den Viren besteht. In einer Studie mit fast 40 000 Probanden zeigte sich, dass Geimpfte ein um 50 Prozent niedrigeres Risiko hatten, an Herpes Zoster zu erkranken. Trat die Gürtelrose doch auf, verlief sie deutlich leichter, und auch die Gefahr der Post-Zoster-Neuralgie war stark reduziert. Bei dem Impfstoff handelt es sich um ein Lebendvakzin, das ebenfalls eine Infektion auslösen kann. Seine Virenkonzentration ist 14-mal höher als die eines Varizellen-Impfstoffes, wie er von der Ständigen Impfkommission für Kinder ab zwei Jahren gegen Windpocken empfohlen wird. Zostavax® besitzt keine Impfempfehlung. Ein großer Nachteil der Impfung besteht darin, dass ihre Wirkung nachlässt, je älter die Geimpften sind.
Risiko für Schwangere Anders als Windpocken ist die Gürtelrose nicht hochansteckend, da sie nicht über eine Tröpfcheninfektion weitergegeben werden kann. Die Flüssigkeit in den Bläschen ist allerdings infektiös, sodass eine Ansteckung über Schmierinfektion möglich ist. Sie träfe aber nur Menschen, die in ihrem Leben noch nicht mit dem Varizella-Zoster-Virus in Verbindung gekommen sind und die dann erst einmal eine Windpockeninfektion durchmachen würden. Bei der großen Durchseuchung der Bevölkerung mit dem Herpes-Zoster-Virus betrifft das aber kaum jemanden, so dass man eigentlich keine besonderen hygienischen Maßnahmen ergreifen muss, wenn man mit einem Erkrankten zusammenlebt. Vorsicht ist allerdings bei werdenden Müttern geboten. Denn erleiden diese während der Schwangerschaft zum ersten Mal eine Windpockeninfektion oder sind nicht geimpft, besteht ein hohes Risiko für Fehlbildungen beim Embryo. Kurz vor der Geburt kann eine Infektion der Mutter für das Ungeborene sogar lebensgefährlich werden.
Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 12/17 ab Seite 90.
Dr. Holger Stumpf, Medizinjournalist