Zulassung | Impfstoff
SPUTNIK V: WIRKSAM, SICHER, BALD BEI UNS ZUGELASSEN?
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Sputnik ist nach Angaben aus Moskau bereits in 59 Ländern registriert. Auch Deutschland führt Gespräche über mögliche Lieferungen des Vakzins. Denn trotz aller Unklarheiten gibt es einige Bundesländer beziehungsweise deutsche Politiker wie Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU), die nun den russischen Impfstoff im Alleingang bestellen wollen. Auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) wolle mit Russland verhandeln, heißt es. Wo gibt es noch Klärungsbedarf?
Wie wirksam ist der russische Impfstoff?
Im September 2020 wurden Ablauf und Ergebnisse der Phase-I/II-Studien für den Sputnik-V-Impfstoff im britischen Fachmagazin „The Lancet“ veröffentlicht. An den zwei Studien zur Sicherheit, Verträglichkeit und Immunogenität nahmen jeweils 38 Probanden teil. Kein Teilnehmer zeigte schwere Nebenwirkungen. Im November vergangenen Jahres meldeten russische Wissenschaftler positive Ergebnisse aus einer Zwischenanalyse der laufenden Phase-III-Studie. Bis dahin wurden über 18 000 Probanden zweimal im Abstand von drei Wochen geimpft. Vier Wochen nach der ersten Dosis lag die Wirksamkeit bei 91,4 Prozent. The Lancet korrigierte daraufhin das Ergebnis leicht auf 91,6 Prozent Wirksamkeit.
Von 19 866 für die Auswertung eingeschlossenen Probanden war in der Placebogruppe bei 62 von 4902 Teilnehmern (1,3 Prozent) eine SARS-CoV-2-Infektion ab Tag 21 nach der ersten Impfstoffdosis diagnostiziert worden. In der Gruppe, die den Impfstoff erhielten, infizierten sich 16 von 14 964 (0,1 Prozent).
Außerdem gab es in der Impfstoffgruppe drei Todesfälle. Allerdings soll kein Zusammenhang mit der Impfung bestehen. Es wurden auch sonst keine schwerwiegenden unerwünschten Ereignisse im Zusammenhang mit der Impfung registriert. Laut den Wissenschaftlern kam es nur zu schwerwiegenden unerwünschten Ereignissen, die nicht auf die Impfung zurückgeführt werden konnten: Bei 45 Probanden aus der Impfstoffgruppe und 23 Probanden aus der Placebogruppe sind solche Ereignisse aufgetreten. Das sind auf den ersten Blick insgesamt zufriedenstellende Ergebnisse, doch sie werden mit Argwohn betrachtet.
Wie sicher ist Sputnik V?
Einigen Wissenschaftlern waren Merkwürdigkeiten in der Publikation aufgefallen. Unter anderem machte Professor Dr. Enrico Bucci, Systembiologe und Bioethiker an der Temple University in Philadelphia, im September 2020 auf mögliche Datenmanipulationen der Phase-I/II-Studie aufmerksam. Ihm, aber auch den anderen Unterzeichnern eines offenen Briefs, der in The Lancet veröffentlicht wurde, waren beispielsweise Datenmuster aufgefallen, die in der Publikation wiederholt auftraten. Um diese Koinzidenzen überzeugend bewerten zu können, müssten auch Daten jenseits von 28 Tagen für jeden einzelnen Probanden zugänglich sein, so die Kritiker. Außerdem seien die Charakteristika der rekonvaleszenten Patienten, die als Kontrolle für die Auswertung der humoralen Antwort verwendet wurden, nicht ausreichend spezifiziert. Auch die Phase-III-Studie wurde kritisiert.
Vor kurzem machten auch noch Meldungen Schlagzeilen, man könne den Daten – besonders denen zur Qualität – nicht trauen: Die slowakische Arzneimittelagentur SUKL meldete, dass eine Lieferung an Impfdosen nicht dem Inhalt entspreche, der von der EMA analysiert worden sei.
Das sind schwere Vorwürfe, die verunsichern. Genau um derartige Unklarheiten muss sich nun die EMA kümmern. Die EMA hatte Anfang März ein Prüfverfahren für Sputnik V im Zuge eines sogenannten Rolling Review begonnen. Dabei werden Testergebnisse bereits geprüft, auch wenn noch nicht alle Daten vorliegen und noch kein Zulassungsantrag gestellt wurde. Doch für eine Zulassungsempfehlung braucht es einen vollständigen transparenten Datensatz. Die EMA habe derzeit noch Bedenken, ob die bisher bekannten und aus Russland bereitgestellten Informationen über den Impfstoff und seine Wirksamkeit seriös sind.
Im Zuge der Prüfung für eine EU-Zulassung des russischen Corona-Impfstoffs haben Experten der EMA Moskau besucht. Moskau begegnete dem Wunsch der EMA, sich in Russland selbst Informationen zu beschaffen, zögerlich. Mittlerweile hätten die Experten in der russischen Hauptstadt bereits zwei Kliniken besichtigt, in denen Patienten während der wichtigen Phase III der klinischen Studien betreut worden seien. Das meldete die Nachrichtenagentur Interfax unter Berufung auf nicht näher genannte Quellen. Dem Bericht zufolge sprachen die EMA-Experten mit medizinischem Personal. Geplant seien zudem Besuche von Produktionsstandorten.
Erst wenn die EMA erste Ergebnisse wissenschaftlicher und klinischer Tests ausgewertet hat, kann das eigentliche Zulassungsverfahren für Europa beginnen.
Noch steht eine endgültige Bewertung aus. Die Meinungen gegenüber Sputnik V gehen jedenfalls auseinander. So äußerte sich Professor Dr. Christine Falk, Präsidentin der deutschen Gesellschaft für Immunologie, gegenüber „Die Welt“:
Das Konzept hinter dem Sputnik V-Impfstoff ist eigentlich eine geniale Idee. Aber es sind noch viele Fragen offen. Die Studiendaten sind nicht optimal präsentiert.
Professor Dr. Fred Zepp, ehemaliger Direktor des Zentrums für Kinder- und Jugendmedizin an der Universität Mainz und Mitglied der Ständigen Impfkommission (STIKO) sagt:
Grundsätzlich sehe ich den russischen Impfstoff derzeit noch kritisch. Bislang kennen wir nur Zwischenergebnisse und noch keinen Bericht über die abgeschlossene Studie.
STIKO-Vorsitzender Professor Dr. Thomas Mertens bewertet den russischen Impfstoff als prinzipiell vielversprechend. Zugleich mahnte er zur Geduld, da sehr viele Detaildaten noch durch die Zulassungsbehörde geprüft werden müssen.
Sabrina Peeters,
freie Journalistin
Quellen: dpa
www.pharmazeutische-zeitung.de/wie-sicher-ist-der-russische-covid-19-impfstoff-124920/