Presslufthammer an Wand © Bogdanhoda / iStock / Getty Images
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Kopfschmerz und Migräne

PRESSLUFTHAMMER IM KOPF

Fast die Hälfte der Erwachsenen in Deutschland leidet unter episodischem oder chronischem Kopfschmerz. Frühe Diagnosestellung der Kopfschmerzart, zielgerichtete Therapie und Prophylaxe sind wichtig.

Seite 1/1 18 Minuten

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Die Frage nach Kopfschmerztabletten wird in deutschen Apotheken täglich mehrfach gestellt. Die Beratung rund um Kopfschmerz und Migräne gehört zum Standard-​Repertoire. Sehr häufig winken Patienten eine Beratung mit dem Satz „Ich weiß Bescheid“ ab. Umso wichtiger ist es, dass Apotheker und PTA dieses Thema nicht bagatellisieren oder gar in ihrer Beratungsqualität nachlassen – weil sich der Patient vermeidlich „auskennt“. Kopfschmerzen beeinträchtigen die Betroffenen in ihrem Alltag, am Arbeitsplatz und in ihrer allgemeinen Leistungsfähigkeit. So haben Kopfschmerzen nicht nur Bedeutung für den Einzelnen, sondern auch für die Gesamtgesellschaft.

Die direkten Krankheitskosten – also die Kosten der ambulanten, stationären Behandlung, die Kosten der verordneten Arzneimittel und das Krankengeld der Krankenkassen – werden alleine schon bei Migräne-Patienten auf mehr als 450 Millionen Euro pro Jahr geschätzt. Die indirekten Krankheitskosten, die aus Arbeitsunfähigkeit und reduzierter Produktivität entstehen, übersteigen die direkten Krankheitskosten um ein Vielfaches. Schon alleine im Kontext der Sozioökonomie lässt sich also nicht von einer Bagatellerkrankung sprechen. Diejenigen, die ab und zu unter Spannungskopfschmerz leiden, zählen, oberflächlich betrachtet, erst einmal nicht zu einer Risikogruppe. Doch entwickelt ein großer Teil der Patienten im Laufe ihres Lebens einen chronischen Kopfschmerz. Diese Patienten haben einen enormen Leidensdruck, der ihre Lebensqualität massiv beeinträchtigt.

Nicht selten geraten sie in einen Teufelskreis von Schmerzen, übermäßiger Einnahme von Schmerzmitteln und medikamenteninduzierten Schmerzen. Problematisch ist, dass der größte Teil der Therapie zunächst in der Selbstmedikation und nicht unter Aufsicht des Arztes stattfindet. So wird meistens erst der Arzt aufgesucht und zu Rate gezogen, wenn die Beschwerden bereits chronisch sind und übliche Arzneimittel der Selbstmedikation nicht mehr ausreichend helfen. Apotheker und PTA können frühzeitig im Beratungsgespräch erkennen, ob die Grenzen der Selbstmedikation überschritten sind und den Patienten zum Arzt schicken. Diese wichtige Lotsenrolle kann im persönlichen Kontakt in der Apotheke im Übrigen ganz anders erfüllt werden als dies bei der anonymen Bestellung von Schmerzmitteln im Internet möglich ist.

Gegenüberstellung Kopfschmerz und Migräne in Anlehnung an die Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft
KriterienSpannungskopfschmerz (episodisch)Migräne
Lebenszeitprävalenzepisodisch (66 Prozent) chronisch (3 Prozent) ohne Aura (9 Prozent) mit Aura (6 Prozent)
Kopfschmerzdauer 30 Minuten bis 7 Tage4 bis 72 Stunden (unbehandelt)
Lokalisationbeidseitigeinseitig
Schmerzqualität dumpf, drückend, nicht pulsierendpulsierend
Schmerzintensitätleicht bis mittelmittel bis stark
Verstärkung durch Aktivitätenneinja
Vegetative Symptomekeine ÜbelkeitÜbelkeit und Erbrechen
Licht- und/oder Geräusch- empfindlichkeitkann auftreten, eher selten, nicht gleichzeitighäufig, auch beides gleichzeitig

Kopfschmerzarten Mediziner unterscheiden eine Vielzahl verschiedener Kopfschmerzarten. Verbindliche Kriterien zur Diagnosestellung bei Kopfschmerz sind in den internationalen Klassifikationen von Kopfschmerzerkrankungen (ICHD-II) beschrieben. Für die Diagnostik ist ein intensives Anamnesegespräch die wichtigste Grundlage. Der Arzt muss eine saubere Differentialdiagnose durchführen, um sekundäre Kopfschmerzen beispielsweise aufgrund einer Gefäßstörung, Infektion, Herz-Kreislauferkrankung, Beschwerden im Wirbelsäulenbereich, einer Tumorerkrankung oder als Begleitsymptom bei psychischen Erkrankungen abzugrenzen.

Harmlos sind Kopfschmerzen, die im Rahmen einer Erkältung oder eines Infektes, häufig gemeinsam mit Gliederschmerzen auftreten. Das Immunsystem sorgt dafür, dass inflammatorische Zytokine ausgeschüttet werden, die die Kopfschmerzen verursachen. Aber auch Medikamente können Kopfschmerzen auslösen. So sollten Kopfschmerzen, die im zeitlichen Zusammenhang mit der Einnahme bestimmter Medikamente auftreten, auf ihren Auslöser überprüft werden. Die Klassifikation der internationalen Kopfschmerzgesellschaft zählt mehr als 240 verschiedene Kopfschmerzarten. Zu den primären Kopfschmerzarten, die nicht aufgrund einer Vorerkrankung entstehen, zählen unter anderem die Migräne, der Kopfschmerz vom Spannungstyp und der Clusterkopfschmerz.

Wichtige Unterscheidungskriterien sind die Art des Schmerzes, die Lokalisation, die Dauer, die Häufigkeit, die Intensität und die Begleitsymptome. Schnell gehandelt werden sollte, wenn sehr intensive und akute Kopfschmerzen in der Stirn oder dem Hinterkopf auftreten, die sich unter Bewegung verstärken, die immer wiederkehren und von Sehstörungen oder Schwindel begleitet werden. Dann gilt es, zügig mit bildgebenden Verfahren wie dem MRT oder CT schwerwiegende Erkrankungen auszuschließen.

Wie ein glühendes MesserDie Erkrankungshäufigkeit des Clusterkopfschmerzes bezogen auf die Gesamtbevölkerung beträgt weniger als ein Prozent. Überwiegend Männer sind davon betroffen. Er ist klinisch definiert als ein attackenartig auftretender, streng einseitiger extremer Kopfschmerz. Er hat seine höchste Schmerzintensität hinter dem Auge. Patienten vergleichen diesen kaum auszuhaltenden Schmerz mit einem glühenden Messer, das sich hinter Auge und Schläfenbereich hineinbohrt. Zusätzlich wird dieses Auge sichtbar kleiner, typisch ist ein vermehrtes Tränen des Auges und eine laufende oder verstopfte Nase – einseitig auf der Seite des Schmerzes. Die Symptomatik ist kurzfristig aber mehrmals täglich wiederkehrend. Die Dauer einer Attacke liegt zwischen 15 und 180 Minuten.

Auch nächtliche Attacken sind typisch. Sie treten oft zur gleichen Stunde im Tagesverlauf auf, gehäuft ein bis zwei Stunden nach dem Einschlafen oder in den frühen Morgenstunden. Clusterkopfschmerzen müssen von einem Arzt therapiert werden und gehören nicht in die Selbstmedikation. Üblicherweise kommen zur Bekämpfung einer Attacke Triptane (subkutan oder nasal), Sauerstoff über eine Gesichtsmaske und Lidocain intranasal zum Einsatz. Nichtsteroidale Antirheumatika und orale Triptane haben einen zu langsamen Wirkungseintritt und sind bei dieser Art von Kopfschmerz nicht ausreichend wirksam. Ärzte raten den Betroffenen außerdem zur Prophylaxe mit Verapamil, Topiramat, Glucocorticoiden, Lithium oder Methysergid.

Wie ein zu enger Hut Im Gegensatz zum Clusterkopfschmerz trifft der Spannungskopfschmerz etwa ein Drittel der Deutschen mindestens einmal im Monat. Bei etwa drei Prozent sind diese Kopfschmerzen chronisch. Frauen leiden öfter als Männer unter Migräne und Spannungskopfschmerz. Charakteristisch sind die Symptome eines dumpfen und drückenden Schmerzes, wie „einen beengenden Reif um den Kopf zu tragen“. Der Schmerz erstreckt sich auf den gesamten Kopf, die Symptomatik ist immer beidseitig. Auslöser des Spannungskopfschmerzes sind Stresssituationen zum Beispiel unter physischer oder psychischer Belastung, sowie Infekte, Schlafmangel, Verspannung der Muskulatur oder eine Sehschwäche.

Zur Abgrenzung von Migräne ist es wichtig nach der Veränderung des Schmerzes unter Belastung zu fragen. So verstärken sich die Spannungskopfschmerzen im Gegensatz zur Migräne unter normaler körperlicher Belastung, wie Treppensteigen oder Spazierengehen nicht. Es gibt in der Regel keine begleitende Übelkeitssymptomatik, Lärm- und Lichtempfindlichkeit sind möglich, treten aber nicht gleichzeitig auf. Die Intensität wird als leicht bis mittelstark eingestuft. Die Dauer des Schmerzerlebnisses ist nicht begrenzt, sie kann zwischen 30 Minuten und mehreren Tagen liegen. Die episodische Verlaufsform, bei der die Beschwerden weniger als zwölf Tage im Jahr auftreten, ist die häufigste. Menschen, die immer wieder vom Spannungskopfschmerz betroffen sind, haben ein erhöhtes Risiko für eine Chronifizierung der Schmerzen. Wenn ein Mensch an mindestens 15 Tagen pro Monat über mindestens drei Monate unter Spannungskopfschmerz leidet, handelt es sich um einen chronischen Spannungskopfschmerz.

Analgetika bei Migräne laut S1-Leitlinie

+ ASS 500 – 1500 mg
+ Ibuprofen 200 – 600 mg
+ Naproxen 500 – 1000 mg
+ Diclofenac 50 – 100 mg
+ Metamizol 1000 mg
+ Paracetamol 1000 – 1500 mg
+ Kombinationen: 2 Tabl. ASS 250/265 mg + Paracetamol 200/265 mg + Coffein 50/65 mg

Gegen den Schmerz In der Apotheke werden überwiegend nichtopioide Analgetika (NSAR und Paracetamol) gegen den episodischen Kopfschmerz abgegeben. Die nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) wie Acetylsalicylsäure, Ibuprofen, Naproxen und Diclofenac wirken über Hemmung der Cyclooxygenase(COX)-1 und -2, die an der Prostaglandinsynthese beteiligt sind, analgetisch, antipyretisch und antiinflammatorisch. Dabei unterscheiden sich die einzelnen Analgetika in ihrer Affinität zu den Bindungsstellen der COX-1 und der COX-2. Die schmerzstillende Wirksamkeit nimmt mit Steigerung der Affinität zur COX-1 hin zu.

Die Leitlinie zur Therapie des episodischen und chronischen Kopfschmerzes vom Spannungstyp empfiehlt 500 bis 1000 Milligramm ASS, 500 bis 1000 Milligramm Paracetamol, 200 bis 400 Milligramm Ibuprofen, 500 bis 1000 Milligramm Naproxen oder 500 bis 1000 Milligramm Metamizol. Gleichwertig wird die fixe Kombination von 250 Milligramm ASS, 250 Milligramm Paracetamol und 65 Milligramm Coffein als Firstline-Therapie aufgeführt. Bei Kindern kann auf Verordnung eines Arztes Flupirtin mit 100 Milligramm eingesetzt werden. Außerdem führt die Leitlinie auch die lokale und großflächige Applikation von Pfefferminzöl – jedoch mit geringerer Wirksamkeit als die synthetischen Arzneistoffe – als mögliche Option in der medikamentösen Akuttherapie auf. Zu den begleitenden Maßnahmen im Rahmen der Prophylaxe zählen Physiotherapie, manuelle Therapie, Entspannungsübungen und Biofeedback.

Eine Kombination mehrerer Strategien ist effektiver als einzelne Behandlungsverfahren. PTA und Apotheker sollten im Gespräch auf sportliche Betätigung an der frischen Luft hinweisen, auch Massage und Entspannungsbäder können helfen. Mittel der ersten Wahl im Rahmen der medikamentösen Prophylaxe sind Antidepressiva wie Amitriptylin. Da die Datenlage zu anderen Antidepressiva geringer ist, zum Beispiel Mirtazapin, Venlafaxin oder Fluoxetin, zählen diese zu den Mitteln der zweiten Wahl. Topiramat ist sowohl zur Prophylaxe der Migräne als auch des Spannungskopfschmerzes eine Therapieoption.

Einseitig – pulsierend – intensiv Migräne ist neben dem Spannungskopfschmerz die zweite häufige chronisch-rezidivierende Kopfschmerzform. Etwa ein Fünftel aller Frauen und acht Prozent der Männer leiden unter Migräne. Bereits Kinder und Jugendliche sind betroffen. Nach der Pubertät haben Frauen bis zu dreimal häufiger als Männer Migräneattacken. Am häufigsten manifestiert sich die Migräne zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr. Betroffene berichten über Schwankungen der Schmerzfrequenz im Laufe des Lebens. Am stärksten sind die Beschwerden zwischen dem 40. und 50. Lebensjahr ausgeprägt. Sicher spielen bei Frauen auch hormonelle Schwankungen als Trigger eine wichtige Rolle.

Typischerweise verläuft die Migräne episodisch mit wiederholten Attacken, die mehrfach im Monat auftreten. Wer eine chronische Verlaufsform hat, leidet mindestens an 15 Tagen im Monat unter Kopfschmerzen, mehrheitlich begleitet von den typischen Migränecharakteristika. Zur Diagnosestellung ist entscheidend, einen Übergebrauch von Analgetika und Triptanen auszuschließen. Migräneattacken kündigen sich mit einer Prodomalphase an. Typische Symptome wenige Stunden vor der eigentlichen Kopfschmerzphase sind Heißhunger, Gähnen, Müdigkeit und Nackenschmerzen. Bei 20 Prozent der Migräne-Patienten wird diese Phase mit einer Aura eingeleitet. Sie tritt unmittelbar vor der Attacke auf und ist charakterisiert durch neurologische Ausfallerscheinungen, häufig Sehstörungen, Blitze, aber auch Sprach- oder Sensibilitätsstörungen.

Die Aura kann zwischen wenigen Minuten und einer Stunde andauern. Erst danach setzen die einseitig lokalisierten und pulsierenden Kopfschmerzen ein. Sie werden häufig von Lärm-, Lichtempfindlichkeit sowie Übelkeit und Erbrechen begleitet. Unter Bewegung verschlimmern sich die Schmerzen, was meistens zu einem Vermeidungsverhalten der Patienten führt. So überstehen viele Migränepatienten intensive Attacken nur durch Bettruhe im abgedunkelten Raum. Die Dauer einer Attacke liegt zwischen 4 und 72 Stunden. Wenige Stunden nach einer Periode fühlen sich Betroffene müde, unkonzentriert und schwindelig. PTA und Apotheker sollten zur Abgrenzung des Spannungskopfschmerzes nach der Intensität, der einseitigen Lokalität und Verschlimmerung unter Bewegung fragen.

Kopfschmerzen als unerwünschte Wirkung

Wer einen Beipackzettel liest, wird fast immer Kopfschmerzen bei den Nebenwirkungen finden. Kopfschmerzen treten besonders dann auf, wenn Arzneimittel eine Wirkung auf die Gefäße haben, zum Beispiel und gerade zu Therapiebeginn Nitrate oder Molsidomin. Phosphodiesterase-Hemmer wie Sildenafil wirken ebenfalls gefäßerweiternd. Auch unter Lithium, Antidepressiva und Estrogenen sind Kopfschmerzen typisch.

Therapie Grundlage des Kopfschmerzes ist bei der Migräne eine Überaktivität der Nervenzellen im Hirnstamm, die eine vermehrte Ausschüttung gefäßerweiternder Botenstoffe, die Calcitonin-Gene-related Peptide, hervorrufen. Die Blutgefäße werden erweitert, und die Gefäßwände werden durchlässiger für Flüssigkeit, sodass Entzündungsprozesse entstehen, die ausstrahlende Schmerzimpulse bewirken. Die aktuelle S1-Leitlinie zur Therapie der Migräneattacke und Prophylaxe der Migräne unterscheidet in die Akuttherapie des Schmerzes, die Begleittherapie von Übelkeit und Erbrechen sowie die Notfalltherapie. Bei Patienten mit einer ausgeprägten Gastroparese hat eine frühzeitige Behandlung der Übelkeit mit Metoclopramid oder Domperidon eine besondere Bedeutung, um die Wirksamkeit der Schmerztherapeutika sicherzustellen.

Gegen die Aura gibt es keine wirksame Therapie, Intensität und Häufigkeit können nur durch prophylaktische Maßnahmen beeinflusst werden. Die Analgetika werden eher etwas höher dosiert als beim Spannungskopfschmerz. Neben den klassischen NSAR, die auch beim Spannungskopfschmerz eingesetzt werden, existieren Triptane zur Therapie der akuten Migräne. Wichtig ist, dass die Vertreter dieser Gruppe hochspezifische Migränemittel sind, die bei den anderen Kopfschmerzarten, bis auf den Clusterkopfschmerz, nicht wirken. Triptane sind 5-HT1B-und 5-HT1D-Rezeptoragonisten. Sie wirken vasokonstriktiv an den Gefäßen des Gehirns, hemmen so den Flüssigkeitsübertritt und wirken der Schmerzentstehung entgegen.

In Deutschland sind zurzeit Almotriptan und Naratriptan als rezeptfreie Triptane sowie Eletriptan, Frovatriptan, Rizatriptan, Sumatriptan und Zolmitriptan als rezeptpflichtige Wirkstoffe zugelassen. Triptane sind effektiv und sicher, sowohl in der Schmerzbehandlung als auch zur Behandlung der Begleitsymptome einer Migräneattacke. Sie sollten sofort zu Beginn der Kopfschmerzphase eingenommen werden, während der Aura-Phase haben sie keine Wirksamkeit. Die Tabletten werden unzerkaut geschluckt. Innerhalb von 24 Stunden darf maximal eine zweite Einzeldosis eingenommen werden. Vor der Abgabe von Triptanen ist auch im Rahmen der Selbstmedikation eine Erstdiagnosestellung der Migräne durch einen Arzt notwendig.

Aufgrund ihrer vasokonstriktiven Wirkung bestehen Kontraindikationen wie KHK, Bluthochdruck und Gefäßerkrankungen. In Schwangerschaft und Stillzeit dürfen Triptane nur nach strenger Indika- tionsstellung des Arztes abgegeben werden. Zu Wechselwirkungen kommt es mit Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmern, Mutterkornalkaloiden, Lithium und anderen Triptanen. Die Gefahr eines Serotoninsyndroms scheint allerdings gering zu sein, ein Positionspapier der American Headache Society weist auf die mangelnde Datenlage hin. Das Serotoninsyndrom entsteht durch eine Hyperstimulation von 5-HT1A- und 5-HT2A-Rezeptoren im zentralen und peripheren Nervensystem, Triptane sind jedoch Agonisten von 5-HT1B und 5-HT1D.

Jeder zehnte Erwachsene in Deutschland leidet unter Migräne-Attacken.

Unterschiedliche Profile Generell sind alle Triptane bei Migräne einsetzbar, es gibt aber Unterschiede in Wirkungseintritt, Wirkdauer, den Darreichungsformen und den Nebenwirkungen. Außerdem ist davon auszugehen, dass ein Triptan, das erfolglos in drei aufeinanderfolgenden Migräne-Attacken eingenommen wurde, bei einer Wiederholung ebenfalls unwirksam ist. In diesem Fall sollte auf ein anderes Triptan gewechselt werden. Meistens wirkt ein Vertreter besonders gut. Bei Übelkeit und Erbrechen sind Schmelztabletten, nasale oder subkutane Darreichungsformen von Vorteil. Nasenspray und Schmelztabletten wirken sehr rasch innerhalb von Minuten. Eletriptan und Rizatriptan sind am wirksamsten bei hoher Schmerzintensität, Frovatriptan und Naratriptan sind wegen ihrer langen Halbwertzeiten günstig bei lang andauernden Migräne-Attacken. Außerdem ist die Rate an Wiederholungs-​Attacken bei Triptanen mit längerer Halbwertzeit geringer.

Beratungshinweise Bei der Abgabe von Triptanen sollten PTA und Apotheker einige wichtige Hinweise geben:

  • Die Präparate werden nicht prophylaktisch eingenommen.
  • Triptane haben eine höhere Wirksamkeit je früher sie im Verlauf einer Migräne-Attacke eingesetzt werden.
  • Bei wiederkehrenden Kopfschmerzen und initialer Wirkung kann frühestens zwei Stunden nach der ersten Gabe eine zweite Dosis eingenommen werden.
  • Ist die erste Dosis unwirksam, so ist auch die zweite meistens ohne Wirkung und ein anderes Schmerzmittel oder Triptan sollten versucht werden.
  • Patienten sprechen individuell unterschiedlich auf Triptane an.
  • Auch Triptane sollten nicht öfter als an zehn Tagen pro Monat eingenommen werden.
  • Triptane und Naproxen können bei menstrueller Migräne kombiniert werden und sind wirksamer als die Monotherapie.


Prophylaxe
Wer ständig wiederkehrende Migräneattacken zu ertragen hat, ist im Alltag eingeschränkt. So können Betroffene an den Migränetagen häufig nicht arbeiten. Ständige Ausfalltage am Arbeitsplatz setzen die Patienten zusätzlich unter psychischen Druck. Wenn der individuelle Leidensdruck sehr groß ist, ist bei chronischen Verlaufsformen eine Migräneprophylaxe angezeigt. Als Kriterien gelten:

  • drei oder mehr Migräneattacken im Monat,
  • Attackendauer regelmäßig länger als 48 Stunden,
  • eine nicht befriedigende Wirkung der Akuttherapie,
  • Gefahr des Medikamentenübergebrauchs,
  • lange und schwere Auren.


Lange Zeit wurden Prophylaktika eingesetzt, die die Frequenz von Migräneattacken reduzierten, die aber keinen zielgerichteten Wirkungsmechanismus hatten. Zu diesen Arzneistoffen gehören die Betablocker Metoprolol, Bisoprolol, Propranolol, der Calciumkanalblocker Flunarizin und die Antiepileptika Topiramat und Valproinsäure. Bei der Entscheidung für oder gegen eines dieser Prophylaktika sollten individuelle Risikofaktoren beachtet werden. Antihypertonika können durch die Blutdrucksenkung Müdigkeit und Schwindel hervorrufen. Bei Patienten mit einem eher niedrigen Blutdruck sind sie deshalb nicht die erste Wahl.

Unter Flunarizin und Amitriptylin sind Gewichtszunahme und Müdigkeit häufige Begleitwirkungen. Topiramat kann kognitive Störungen verursachen und ist nicht geeignet für Patienten mit Depressionen. Alle diese Arzneimittel sollten etwa sechs Wochen lang regelmäßig eingenommen werden, um deren Therapieerfolg zu beurteilen. Üblicherweise wird langsam eindosiert. Valproinsäure – ein Antiepileptikum – sollte bei Frauen im gebärfähigen Alter möglichst nicht gegeben werden. Wenn es dennoch verordnet wird, müssen PTA und Apotheker auf die schädigende Wirkung in der Schwangerschaft und eine sichere Verhütung unter der Therapie hinweisen. Dazu gibt es Blaue-Hand-Beratungskarten mit wichtigen Sicherheitshinweisen.

Seit 2011 wird Onabotulinumtoxin A ebenfalls zur Prophylaxe chronischer Migräneattacken in den Leitlinien empfohlen. Es wird in bestimmte Kopf- und Halsmuskeln injiziert. Nach der Injektion lähmt es die Muskulatur, indem es verhindert, dass Acetylcholin freigesetzt wird. Botulinumtoxin kann nur angewendet werden, wenn zuvor zwei andere Prophylaktika erfolglos ausprobiert worden sind, unter anderem Topiramat. Die Therapie mit dem Neurotoxin sollte möglichst von einem erfahrenen Arzt durchgeführt werden. Bei einem Drittel der Patienten ist Botulinumtoxin sehr gut wirksam, ein Drittel spricht nicht an.

Achtung Kopfschmerz im Alter

Klagen alte Menschen über Kopfschmerzen, sollte das nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Kopfschmerzen können im Alter schwerwiegende Ursachen haben. Dabei ist zum Beispiel an vaskuläre und tumorbedingte Kopfschmerzen zu denken. Dann ist es besonders wichtig, sorgfältig mögliche Begleitsymptome abzufragen. So bewirken Tumoren im Kopf häufig Kopfschmerzen von der Art eines Spannungskopfschmerzes, begleitet von neurologischen Ausfällen. Kopfschmerzen im Bereich der Augenhöhle in Verbindung mit einem geröteten Auge, erweiterter Pupille, Sehstörungen sowie Übelkeit, Licht- und Geräuschempfindlichkeit deuten auf einen Glaukomanfall hin. Auch ein Schlaganfall, Hirnblutungen und Blutdruckschwankungen können für sekundäre Kopfschmerzen im Alter verantwortlich sein.

Migräne-Spritze Ein Problem der üblichen Migräneprophylaktika ist die schlechte Adhärenz der Patienten. Nur weniger als dreißig Prozent der Patienten nimmt nach einem halben Jahr das verordnete Arzneimittel zur Migräne-Prophylaxe noch ein. Die Nebenwirkungen werden häufig nicht akzeptiert, es kommt zum Therapieabbruch. Seit dem letzten Jahr gibt es einen ganz neuartigen Ansatz zur Migräne-Prophylaxe, der an der Schmerzentstehung ansetzt. Zielstruktur ist der Rezeptor des Calcitonin Gene-Related Peptide (CGRP). Dieses Neuropeptid ist an der Gefäßerweiterung, neurogenen Entzündung und Schmerzentstehung beteiligt. Migränepatienten haben während einer Attacke erhöhte CGRP-Spiegel. Auch wurde gezeigt, dass die Injektion dieses Peptids Migräne-Attacken auslösen kann.

Der Antikörper Erenumab blockiert selektiv am CGRP-Rezeptor und verhindert so die Bindung der Neuropeptide. Weitere Antikörper sind Fremanezumab, Epinezumab (noch nicht auf dem Markt verfügbar) und Galcanezumab, die direkt an CGRP binden und so neutralisieren. Alle Wirkstoffe werden per Pen oder Fertigspritze vom Patienten injiziert. Die Funktionsweise sollte in der Apotheke erklärt werden. Dazu stellen die Firmen Demonstrationspens zur Verfügung. Die Nebenwirkungsrate ist sehr gering. Lokale Hautreizungen kommen vor. Wechselwirkungen sind keine bekannt. Die Applikation erfolgt monatlich. Fremanezumab kann auch vierteljährlich in höherer Dosierung angewendet werden. Der Nachteil aller „neuen“ Prophylaktika ist der hohe Preis. Die monatlichen Kosten liegen zwischen etwa 600 und 700 Euro. Bisherige Ergebnisse deuten auf eine gute Verträglichkeit und Reduktion der Migräneattacken hin.

Medication Overuse Headache (MOH) In Deutschland liegt die Prävalenz für einen Übergebrauch an Schmerz- und Migränemittel bei 0,7 bis 1 Prozent. Risikofaktoren für die Entwicklung dieser Erkrankung sind: Primäre Kopfschmerzen (Migräne oder ein Spannungskopfschmerz), niedriger sozialer Status, weibliches Geschlecht, mehr als zehn Kopf- schmerztage im Monat, chronische Schmerzerkrankungen, Stress, Bewegungsmangel und Übergewicht, Rauchen, Suchterkrankungen, psychiatrische Erkrankungen wie Depressionen oder Angsterkrankungen. Eine zu häufige Einnahme an Kopfschmerzmitteln zur Behandlung akuter Kopfschmerzen kann zu einer Zunahme der Kopfschmerzhäufigkeit und letztlich zur einer Chronifizierung des Kopfschmerzes führen.

So schreibt die neue S1-​Leitlinie „Kopfschmerz bei Übergebrauch von Schmerz- oder Migränemitteln (MOH)“ der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) und der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DGMK) nicht mehr von Analgetika-induziertem Kopfschmerz, da dieser Begriff nach der Zulassung der Triptane nicht mehr korrekt ist. Ein Übergebrauch von Schmerz- und Migränemitteln liegt dann vor, wenn ein Patient an mindestens 15 Tagen pro Monat an Kopfschmerzen leidet und zudem ein Übergebrauch spezifischer Kopfschmerzmittel vorliegt. Zu den betroffenen Arzneimitteln werden kombinierte oder einfache Analgetika, Triptane, aber auch Mutterkornalkaloide, Barbiturate und Opioide gezählt.

Die Leitlinie zielt sowohl auf die Prävention als auch auf die Therapie der MOH ab. Der Grenzwert für einen Übergebrauch an Triptanen, Opioiden und Mutterkornalkaloiden liegt bei mindestens zehn Tagen pro Monat. Die Experten der Leitlinie stellen fest, dass das Risiko für MOH bei Patienten, die Monopräparate als Analgetika einsetzen, eher niedriger ist, als bei Patienten, die Opioide, Triptane oder Kombinationsanalgetika einnehmen. Abschließend ist die Frage, ob Kombinationsanalgetika hier eine höhere Rolle spielen, jedoch noch nicht geklärt.

Sowohl von Spannungskopfschmerzen als auch von Migräne sind Frauen häufiger betroffen als Männer.

Maßnahmen Wer einen Übergebrauch an Triptanen oder einfachen Analgetika betreibt und keine psychiatrischen Begleiterkrankungen hat, ist häufig durch intensive Beratung und Schulung aus der Spirale herauszuholen. Zunächst ist das Ziel, die Einnahmetage zu reduzieren und zu kontrollieren. Bei einem Übergebrauch von Opioiden oder Mischkonsum sollte ein Schmerztherapeut oder Schmerzzentrum aufgesucht werden. Begleitend zu Schulung und psychologischer Beratung werden Prophylaktika wie Topiramat und Botulinumtoxin A eingesetzt. Alternativ wird ein vollständiger stationärer Entzug der Schmerz- und Migränemittel vorgenommen. Opioide und Barbiturate werden unter ärztlicher Aufsicht ausgeschlichen. Alle anderen Analgetika und Triptane können auch abrupt abgesetzt werden.

Trigger im Fokus Um die Ursachen der Kopfschmerzen zu identifizieren, sollte einige Wochen lang ein Kopfschmerztagebuch geführt werden, bevor der Patient die Therapie mit dem Arzt bespricht. Hier notiert der Patient Schmerzsituationen, mögliche Auslöser und Begleitsymptome, sowie Dauer und Lokalisation. Hilfreich ist auch eine Kopfschmerz- und Migräne-App. Die Migräne-App der Techniker Krankenkasse wurde in Zusammenarbeit mit auf Kopfschmerz spezialisierten Ärzten, Kopfschmerzwissenschaftlern und Selbsthilfegruppen entwickelt. Ziele sind die Verlaufsdokumentation, Verbesserung der Therapietreue und die Vermittlung von Informationen zur Erkrankung einschließlich der digitalen Vernetzung von Betroffenen durch Selbsthilfegruppen.

Apotheker und PTA sollten außerdem auf nicht-medikamentöse Maßnahmen zur Prophylaxe hinweisen. Dazu gehören Stressabbau, gesunde und ausgewogene Ernährung, Bewegung und Entspannungsübungen. Auf Alkohol und Nikotin sollte möglichst verzichtet werden. Weitere Empfehlungen sind die Muskelentspannung nach Jacobson, aber auch das Einhalten eines strukturierten Tagesablaufs bezüglich der Mahlzeiten und Schlafenszeiten. Am erfolgreichsten ist eine multimodale Therapie: Kombination von medikamentösen und nicht-medikamentösen Maßnahmen zur Prophylaxe und Akuttherapie.

Beratungsleitfaden Kopfschmerz Wer in der Apotheke Patienten mit Kopfschmerzen berät, sollte die wichtigsten diagnostischen Fragen im Hinterkopf haben und in sein Gespräch einflechten:

  • Wer hat die Kopfschmerzen?
  • Wie äußert sich der Kopfschmerz – dumpf-drückend, stechend oder pulsierend?
  • Wo ist der Schmerzpunkt lokalisiert – einseitig oder den gesamten Kopf betreffend?
  • Welche Symptome treten begleitend auf? Übelkeit, Erbrechen, Licht- oder Geräuschempfindlichkeit?
  • Seit wann bestehen die Schmerzen?
  • Welche Medikamente wurden bereits mit welchem Erfolg eingenommen?
  • Wie häufig treten Kopfschmerzen auf?


Nur mit diesen umfassenden Fragen lässt sich abgrenzen, ob ein Patient zum Arzt gehört und welche Kopfschmerzart bei ihm vermutlich vorliegt. Prinzipiell können der Kopfschmerz vom Spannungstyp und die Migräne mit oder ohne Aura in der Selbstmedikation behandelt werden. Sekundäre Kopfschmerzarten sowie seltene aber intensive Formen wie der Clusterkopfschmerz müssen ärztlich therapiert werden. Befürchten Apotheker und PTA beim Spannungskopfschmerz oder der Migräne eine Chronifizierung, den Kopfschmerz als Hinweis auf einen Medikamenten-Übergebrauch oder eine unklare Ursache, ist der Arztbesuch anzuraten.

Kopfschmerzen werden als chronisch eingeordnet, wenn sie öfter als 15 Tage im Monat und länger als drei Monate auftreten. Bei besonderen Symptomen wie Fieber, Schwindel, Gedächtnisstörungen oder Bewusstseinseintrübung ist der Arzt aufzusuchen. Kinder sollten nicht in der Selbstmedikation behandelt werden. Bei Schwangeren sollte daran gedacht werden, dass Kopfschmerzen auch im Rahmen einer Schwangerschaftshypertonie auftreten. Außerdem gilt weiterhin Paracetamol als Mittel der Wahl, das in allen Phasen der Schwangerschaft mit sorgfältiger Abwägung gegeben werden darf. Ibuprofen und ASS sollten im dritten Trimenon wegen des möglichen Verschlusses des ductus arteriosus botalli nicht eingenommen werden.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 08/19 ab Seite 34.

Dr. Katja Renner, Apothekerin

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