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Neurodermitis

NICHT ANSTECKEND, NICHT EKLIG

Juckreiz kann quälend sein und Kratzen macht es nicht besser. Doch sagen Sie das einem Neurodermitiker, wird er nur müde lächeln. Trotzdem sind die Ratschläge „Nicht kratzen!“ und „Schmieren, schmieren, schmieren!“ das Kernstück der Beratung.

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Es juckt, schuppt und man möchte den ganzen Tag nur kratzen – mehr als jedes zehnte Kind und drei Prozent der Erwachsenen möchten ihre Haut bestimmt manchmal ablegen wie einen Mantel. Doch eine Chance auf Heilung gibt es zurzeit nicht. Und man weiß immer noch nicht, was genau Neurodermitis oder das atopische Ekzem auslöst. Man geht von einem multifaktoriellen Geschehen aus: Das Hautimmunsystem reagiert überempfindlich und löst immer wieder Entzündungen aus, die epidermale Hornschicht verändert sich und die Haut wird durchlässiger für Reizstoffe und kann gleichzeitig schwerer Feuchtigkeit halten.

Zudem ist die Talgdrüsenaktivität verringert, wodurch die Haut auch weniger gefettet wird. Untersuchungen konnten zeigen, dass Atopikern genetisch bedingt bestimmte Strukturproteine in der Haut fehlen, wodurch die natürliche Barrierefunktion gestört ist. Psychische Belastungen oder Stress verstärken die Beschwerden häufig, weshalb man Neuropeptiden, also Botenstoffen im Nervensystem, auch eine Rolle bei der Entstehung von Neurodermitis zuschreibt.

Die Juck-Kratz-Spirale Mit Juckreiz verhält es sich wie mit Schmerzen: Das Gefühl hat sich tief ins Gedächtnis verwurzelt, daher reagieren Chroniker schon viel früher auf entsprechende Reize als Menschen, die nur gelegentlich unter Juckreiz leiden. Bei Juckreiz handelt es sich um eine eigenständige Sinnesempfindung der Haut. In die Haut ragen zahlreiche offene Nervenendigungen, an die verschiedene Botenstoffe binden und die Empfindung „Juckreiz“ im Gehirn auslösen können, was zum Bedürfnis führt, sich kratzen zu wollen.

Wird die Haut durch Kratzen verletzt, können Schmutz und Krankheitserreger in die Haut eindringen. Die Entzündungsreaktion wird verstärkt, das Immunsystem weiter angefeuert und der Juckreiz geht weiter. Dabei hat Juckreiz eine wichtige Funktion: Er macht auf Fremdkörper in der Haut aufmerksam, zum Beispiel Stacheln von Pflanzen, die durch Kratzen entfernt werden. Chronische Formen können jedoch schwere körperliche und seelische Belastungen mit sich bringen, zu Stigmatisierung und Ausgrenzung führen – gerade im Kindesalter.

Juckreiz ist nicht ansteckend! Wenn es uns plötzlich juckt, wenn wir jemand anderen beim Kratzen sehen, liegt das an unseren Spiegelneuronen – so wie man es auch vom Gähnen kennt.

Phasengerechte Therapie Die wichtigsten Therapieziele bestehen in der Regulation der Entzündung und in der Unterbrechung des Juck-Kratz-Teufelskreises, damit sich die Haut wieder erholen kann. Befindet sich die Haut in einem akuten Entzündungsschub, unterdrücken topische Glucocorticoide oder Calcineurin-Inhibitoren die überschießende Immunantwort. Zu letzteren zählen Tacrolimus und Pimecrolimus. Ihr Vorteil liegt darin, dass sie im Gegensatz zu Cortisonpräparaten auch in der Langzeitanwendung nicht zur Belastung der Haut (Haut wird dünner) beitragen. Seit zwei Jahren ist auch der monoklonale Antikörper Dupliumab zugelassen, der einen spezifischen Botenstoff in der Entzündungskaskade hemmt.

Erwachsene und Kinder über zwölf Jahren können auch von einer Behandlung mit UV-Licht bestimmter Wellenlängen profitieren. Gegen den quälenden Juckreiz können zudem Präparate aus der Selbstmedikation helfen, zum Beispiel mit lokalanästhetischen Wirkstoffen wie Polidocanol. Bei nässenden Ekzemen können auch gerbstoffhaltige Cremes aufgetragen oder Teilbäder angewendet werden. Manchen Betroffenen helfen während akuten Schüben auch fett-feuchte Verbände, bei denen eine fettreiche Pflege aufgetragen, mit einem feuchten Verband bedeckt und einer zweiten, trockenen Lage fixiert wird. Der Umschlag kühlt, befeuchtet intensiv und lindert den Juckreiz.

Doch am schwersten fällt es, konsequent in einer schubfreien Phase seine Haut und vor allem die häufig betroffenen Hautstellen regelmäßig zu pflegen, obwohl genau dies das Wichtigste ist. Denn so können Schübe reduziert und die Hautbarriere in ihrer Funktion unterstützt werden. Dazu zählen eine milde Reinigung bei niedrigen Temperaturen mit einem Waschsyndet oder Duschöl. Sowie die Fettung der Haut mit fettreichen Salben, Cremes oder Lotionen, die frei von Duft- und Konservierungsstoffen sind. Reine Öle sind zur Pflege weniger geeignet, besser verwendet man Ceramide, also Lipide, die in ihrem Aufbau den natürlichen Hautlipiden ähneln.

Auch Harnstoff (bei Erwachsenen fünf bis zehn, bei Kindern zwei bis vier Prozent), Glycerol oder andere Feuchthaltefaktoren haben sich bewährt. Je nach Hautzustand, Körperstelle oder Alter, sollte auch der Wassergehalt des Produktes gewählt werden – es gilt: Je besser der Hautzustand, desto höher darf der Fettanteil sein. Ist die Haut entzündet und juckt, lieber einen hohen Wasseranteil bevorzugen, denn die Verdunstungseffekte lindern die Symptome. Im Gesicht sollten generell Produkte mit einem hohen Wasseranteil bevorzugt werden.

Den Artikel finden Sie auch in der Sonderausgabe Apothekenkosmetik der PTA IN DER APOTHEKE ab Seite 44.

Farina Haase, Apothekerin/Redaktion

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